BUDAPEST 1945 MIG 23 MF LUIGI CADORNA Kampf um das ungarische Stalingrad Die Superwaffe der NVA Der unfähigste General des Großen Krieges Clausewitz Das Magazin für Militärgeschichte 3/2021 Mai | Juni € 5,95 A: € 6,80 CH: sFr 11,00 Be, Lux: € 7,10 NL: € 7,40 SK, I: € 8,30 G E H E IM P R O JE KT Der Panzerjäger „Reich” ARRAS 1940 DIE SCHLACHT, DIE DEN WESTFELDZUG ENTSCHIED FREMDENLEGION Thomas Gast über die harte Zeit in der Grundausbildung SACHSENS BESTER Wie Moritz von Sachsen ganz Europa aufmischte WINTERKRIEG 1939/40 Wie das kleine Finnland die Sowjetunion vorführte . . . r e e M d n u e f f i Sch Jetzt neu am Kiosk! Oder Abo mit Prämie bestellen unter www.schiff-classic.de/abo EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Erwin Rommels militärische Karriere als Feldherr des Zweiten Weltkriegs endete im Mai 1940 beinahe abrupt, ehe sie richtig Fahrt aufgenommen hatte. Bei Arras in Nordfrankreich hätte der spätere „Wüstenfuchs“ mit den motorisierten Kräften seiner 7. Panzerdivision ein Waterloo erleben können, als britische Panzer überraschend zum Gegenstoß ansetzten. Nicht einmal 40 Kilometer östlich von Arras, im Raum Cambrai, ließ Ende 1917 die erste große Panzeroffensive der Geschichte den Boden unter dem Gedröhne schwerer Kettenfahrzeuge erzittern. Damals sahen sich die Verbände des deutschen Heeres einer alliierten Tank-Übermacht gegenüber, ohne auf eigene Panzer zurückgreifen zu können, denn die Sturmpanzerwagen A7V kamen erst im Frühjahr 1918 zum Einsatz. Ein ganz anderes Bild ergab sich im Mai 1940: In der Panzerschlacht von Arras waren die deutschen Panzer sogar in der Überzahl – und dennoch sorgten die britischen und französischen Tanks für eine äußerst unangenehme Überraschung aufseiten der Wehrmacht und brachten damit kurzzeitig den gesamten Westfeldzug in Gefahr. Wie kam es zu dieser kritischen Situation? Wie reagierten Rommel und die deutsche Militärführung auf diese Bedrohung? In unserer aktuellen Titelgeschichte „Stoß in die Flanke“ auf den Seiten 12 bis 33 erfahren Sie alles Wissenswerte über die sich überschlagenden Ereignisse in der Schlacht von Arras im Mai 1940! Zudem möchte ich Sie auf ein besonderes Extra aufmerksam machen: Diesem Heft liegt ein ClausewitzPoster zu den wichtigsten alliierten und deutschen Kampfwagen des Jahres 1940 bei! KRIEGER, SÖLDNER & SOLDATEN Griechenlands größter Krieger Die „Dunklen Jahrhunderte“: Achill fällt vor den Mauern Trojas. In der Antike wird er als Heros und Gott verehrt – und auch heute noch steht er sinnbildlich für den kampfeslustigen und todesmutigen Helden schlechthin inge den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achill…“ – so beginnt die Ilias, das Epos, das am Beginn der abendländischen Literatur steht. Schon in dieser ersten Zeile klingt das Hauptthema des homerischen Heldengedichtes an: der Groll des aristokratischen Kriegers S FAKTEN Name: Achill (auch „Achilleus“, „Achilles“ oder „Peleiade“ nach seinem Vater Peleus) Zeit: 13. oder 12. Jhd. v. Chr. (Trojanischer Krieg) bzw. 8./7. Jhd. v. Chr. (vermutete Niederschrift der Ilias) Bewaffnung: Speer (Hauptwaffe), Schwert Rüstung: Hoplon (sieben Kilogramm schwerer Rundschild aus Holz, mit Bronze überzogen), Rüstung, Arm- und Beinschienen aus Bronze, Illyrischer Helm mit Schmuck aus Rosshaar Kampfweise: Die Helden fahren mit dem Streitwagen auf das Schlachtfeld, sitzen ab und kämpfen dann Mann gegen Mann Achill im Film: Troja (2004, Regie: Wolfgang Petersen; Achill wird von Brad Pitt dargestellt) Achill, der während der zehn Jahre dauernden Belagerung vor Troja kämpft und stirbt. Dabei handelt es sich zwar zweifelsohne um einen der mächtigsten Helden des antiken Griechenlands – nur: Achill ist eine Sagengestalt. Damit gehört er in dieselbe Kategorie wie König Artus, Beowulf oder Siegfried aus dem Nibelungenlied: Die Figur oder die mit ihr verbundene Geschichte ist mythisch überformt, hat aber einen historischen Kern. Im Falle unseres Achäers kommt noch hinzu, dass Homer (dessen Existenz umstritten ist) im 8. oder 7. vorchristlichen Jahrhundert schreibt, seine Geschichte aber mehrere Hundert Jahre zuvor spielt, nämlich im 13. oder 12. Jahrhundert – wenn man den Trojanischen Krieg in diese Zeit einordnet, was in der Forschung keineswegs völlig ohne Widerspruch ist („Troja-Debatte“). Achill ist somit eine Mischung aus bronzezeitlichem Aristokraten und einem Superhelden-Krieger der „Dunklen Jahrhunderte“, an der Schwelle zur Eisenzeit. Sagenhaftes Schicksal: Ein Pfeil trifft Achill an der Ferse. Die Zeichnung zeigt, wie die Krieger der späten Bronzezeit ausgesehen haben könnten … Abb.: Johnny Shumate Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur 3 Clausewitz 3/2021 INHALT TITELTHEMA Stoß in die Flanke Dramatische Panzerschlacht von Arras 1940. Alliierte Tanks greifen Rommels vorwärts stoßende Panzer in Nordfrankreich an und gefährden den „Sichelschnitt“-Plan .......................................................................................................................................................................................................................... 12 „Eine Fontäne aus Eisen” Extreme Strapazen. Außergewöhnliche körperliche und seelische Belastungen plagen die an den heftigen Kämpfen beteiligten Truppen ........................................................................................................................................................................................................................... 26 Panzerschock im Westen Tödliche Panzerduelle bei Arras. Die deutschen Verbände erleben eine böse Überraschung und stoßen auf waffentechnisch überlegene Kampfwagen des Gegners ........................................................................................................................................................................................................................... 12 Arras 1940 Vorentscheidung im Westen 56 Budapest 1944/45 64 Schwere Kämpfe um die Donaumetropole MiG-23 der NVA Schwenkflügler in Diensten der DDR-Luftstreitkräfte 4 30 Titelfotos: ullstein bild - ullstein bild; SZ Photo / Scherl / Bridgeman Images; Mondadori Portfolio / Bridgeman Images; Hans-Joachim Mau; Sammlung Anderson; Thomas Gast; picture-alliance / akg-images / Erich Lessing; Archiv Clausewitz 80 Moritz v. Sachsen Der „Clausewitz” des 18. Jahrhunderts 34 74 Kampf um Karelien Geheime Panzerprojekte Weiterentwicklung von Panzerkampfwagen 38 (t) & Hetzer Stalins Griff nach Skandinavien MILITÄR UND TECHNIK Geheimer Atombomben-Bote Mehrzweckkampflugzeug MiG-23 in Diensten der NVA. Schwenkflügel-Technologie und möglicher Einsatz von Nuklearwaffen ......................................................................................................................................................................................... KRIEGE, KRISEN & KONFLIKTE KURIOSITÄTEN & MYSTERIEN Weißer Tod und rote Flut Der sowjetisch-finnische Winterkrieg 1939/40. Das kleine Finnland ist keine leichte Beute für die Rote Armee ......................................................................................................................................................................................... Götter, Helden und Luigi 34 Der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna. Die militärischen Misserfolge des rücksichtslosen Feldherrn ......................................................................................................................................................................................... AKTEN, DIENSTE & SPIONE ......................................................................................................................................................................................... Unvollendete Hoffnungsträger Geheimprojekte auf Basis des Panzerkampfwagens 38 (t) 42 ......................................................................................................................................................................................... MILITÄRTECHNIK IM DETAIL MENSCHEN & GESCHICHTEN Der große Knall Der Größte seiner Zeit Die britischen Erdbeben- und Rollbomben von Sir Barnes Wallis. Die größten konventionellen Bomben des Krieges Marschall Moritz von Sachsen. Ein Deutscher macht eine beispiellose Karriere am Hofe des französischen Königs ......................................................................................................................................................................................... 48 MENSCHEN & GESCHICHTEN ......................................................................................................................................................................................... 52 56 Titelbild: Die Bildmontage zeigt eine Flak 8,8 während des Westfeldzuges. Im Hintergrund sind britische Matilda-Kampfwagen zu sehen. Inferno an der Donau ......................................................................................................................................................................................... Clausewitz 3/2021 80 Magazin ........................................................................................................................................................6 Schlaglichter .....................................................................................................................................10 Teaser Militär & Geschichte .........................................................................................63 Bücher/Ausstellungen/Leserbriefe ................................................................86 Zeitschichten ...................................................................................................................................88 Vorschau / Impressum ......................................................................................................90 SCHLACHTEN DER WELTGESCHICHTE Belagerung von Budapest 1944/45. Verlustreiche Kämpfe um die ungarische Hauptstadt ......................................................................................................................................................................................... 74 RUBRIKEN Hart, härter, Legion Thomas Gast über sein Leben in der Fremdenlegion. Für die Rekruten heißt es „Marschier oder stirb!” 70 MILITÄR UND TECHNIK Ein Leben am Limit Der CIA-Agent Everette Howard Hunt. Die steile Karriere und der tiefe Fall des amerikanischen Geheimagenten 64 5 MAGAZIN Zerstörter deutscher Unterstand am hart umkämpfen Chemin des Dames in Nordfrankreich. Die Ortung der genauen Lage des Weinbergtunneleingangs und der Leichname der 1917 Verschütteten wird derzeit vorangetrieben Foto: picture-alliance/Heritage-Images/The Print Collector E R S T E R W E LT K R I E G Grausames Geheimnis Deutsch-französische Suche am Chemin des Dames D as tragische Ereignis ist mehr als 100 Jahre alt und nur eine der unzähligen großen Dramen des Ersten Weltkriegs. Damals wurden mehr als 200 deutsche Soldaten, vor allem Angehörige des Reserve-Infanterie-Regiments 111, durch einen Granateinschlag in einem Stollen auf dem Chemin des Dames in Nordfrankreich verschüttet. Ihr Schicksal ist weitgehend dokumentiert, doch konnten ihre Leichen bisher nicht geborgen werden. Der Stollen birgt somit weiterhin ein grausames Geheimnis in sich. Seit vielen Jahren beschäftigen sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die französische Partnerorganisation ONACVG (Office national des anciens combattants et victimes de guerre) und französische Archäologen mit der besonderen Geschichte des so- 6 genannten Winterbergtunnels. Ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiter des Volksbundes recherchierten in Archiven und glichen historische Karten mit der heutigen Topographie ab, um die genaue Lage des Tunnels und der Toten zu orten. Im Sommer 2020 ließ der Volksbund sondieren, Ende 2020 hat man die Suche mithilfe von Georadar und seismischer Messungen intensiviert. Die deutschen und französischen Kooperationspartner haben nun vereinbart, im Frühjahr 2021 weitere technische Untersuchungen durchzuführen. Wenn die Ergebnisse dieser Untersuchungen vorliegen, werden ONACVG und Volksbund gemeinsam mit den Vertretern der Gemeinde über die Zukunft des Winterbergtunnels entscheiden. Am Höhenzug Chemin des Dames liefern sich französische und deutsche Truppen im Ersten Weltkrieg blutige Kämpfe; im Mai 1917 kommt es in einem eingestürzten Stollen zur Tragödie Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library BUNDESWEHR / MARINE LISTE Saniertes Schulschiff Fliegerasse Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg eine Vielzahl an Fliegerassen hervorgebracht. Die ersten 119 Plätze auf der Liste der meisten Luftsiege belegt die Luftwaffe – der erste nichtdeutsche Jagdflieger ist der Finne Ilmari Juutilainen mit 94 Abschüssen. Clausewitz präsentiert hier die zehn Piloten mit den meisten Abschüssen: R 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. DIE ZAHL DES MONATS Erich Hartmann: 352 Gerhard Barkhorn: 301 Günther Rall: 275 Otto Kittel: 267 Walter Nowotny: 258 Wilhelm Batz: 237 Erich Rudorffer: 222 Heinz Bär: 220 Hermann Graf: 212 Heinrich Ehrler und Theodor Weissenberger: jeweils 208 Foto: picture-alliance/dpa|Philipp Schulze Raketen stellen die maximale Bewaffnung des Mittleren Artillerieraketensystems (MARS) dar, das auch von der Bundeswehr genutzt wird. Der heute eingesetzte Raketenwerfer MARS II ist eine autonome Flächenfeuerwaffe der Artillerie mit einer dreiköpfigen Besatzung, die Flugkörper unterschiedlicher Wirkungsweise verschießen kann. Clausewitz 3/2021 Das Segelschulschiff Gorch Fock steht kurz vor Abschluss der aufwendigen Sanierung Die Bundeswehr benötigt wieder mehr Platz für Ausrüstung und Munition BUNDESWEHR 12 und fünfeinhalb Jahre wurde sie instandgesetzt, zuletzt auf der LürssenWerft in Berne. Zurzeit ist geplant, dass das Segelschulschiff Gorch Fock am 31. Mai 2021 zurück an die Marine geht. Die erste Ausbildungsreise soll voraussichtlich von Kiel aus starten. Sie ist für Sommer 2021 vorgesehen und soll durch nordeuropäische Gewässer führen. Die Generalüberholung des traditionsreichen Segelschulschiffs wird rund 135 Millionen Euro kosten. Angesetzt waren ursprünglich zirka zehn Millionen Euro. Foto: picture-alliance/dpa|Sina Schuldt Walter Nowotny (1920–1944) rangiert mit 258 Luftsiegen auf Platz 5 der Liste Das Segelschulschiff Gorch Fock soll Mitte 2021 wieder in See stechen Neue alte Depots Ehemalige Material- und Munitionslager sollen den Betrieb wieder aufnehmen D ie Bundeswehr will die ehemaligen Materiallager in Ladelund und Bargum (beide Kreis Nordfriesland) wieder in Betrieb nehmen. Demnach sollen der Standort Ladelund zum 1. April 2023 mit 80 Dienstposten und der Standort Bargum zum 1. April 2027 mit 60 Dienstposten reaktiviert werden. Auch das frühere Munitionslager der Bundeswehr im nordpfälzischen Kriegs- Das stillgelegte Materiallager Ladelund soll seine Tore in Zukunft wieder öffnen feld will die Bundeswehr wieder in Betrieb nehmen – allerdings nicht sofort. Voraussichtlich im April 2026 sollen sich die Tore des 2010 geschlossenen Munitionsdepots mit dann insgesamt zirka 100 Soldaten und Zivilbeschäftigten wieder öffnen. Weitere Lager und Depots will die zum Teil wieder wachsende Bundeswehr aufgrund der neuen Sicherheitslage in den kommenden Jahren reaktivieren. 7 Foto: picture-alliance/dpa/Malte Christians; picture-alliance/dpa/Moritz Frankenberg Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo; picture-alliance/arkivi Adolf Galland (1912–1996) gehört zu den populärsten Jagdfliegern – mit 104 Abschüssen steht er auf Platz 92 MAGAZIN Überraschende Entdeckung Burg Sterrenberg liegt oberhalb von KampBornhofen am Rhein DAS HISTORISCHE ZITAT A uf Burg Sterrenberg oberhalb von KampBornhofen (südlich von Koblenz) haben Archäologen nach Behördenangaben die vermutlich älteste Burgkapelle am Mittelrhein freigelegt. Entdeckt wurde die Kapelle, als eine schadhafte Burgmauer ausgebessert werden sollte. Diese Arbeiten hat man für die archäologischen Grabungen im Schieferfelsen unterbrochen. Bereits in dem Dokument „capella in castro Sterinberg“ aus dem Jahr 1322 wird eine Kapelle der mittelalterlichen Wehranlage erwähnt, die zu einer der beiden Burganlagen der „Feindlichen Brüder“ (Sterrenberg und Liebenstein) am Rhein zählt. Archäologen haben originale Putze und rötliche Farbfassungen sowie quadratische Bodenfliesen „Für einen unruhigen Geist, wie ich einer bin, war meine Tätigkeit vor Verdun durchaus mit ‚langweilig‘ zu bezeichnen.“ aus dem 14. Jahrhundert freigelegt. Die Burgkapelle scheint für die damalige Zeit ungewöhnlich aufwendig gestaltet gewesen zu sein. Ein Workshop mit Landschaftsplanern, Architekten und Archäologen ist für die zweite Jahreshälfte 2021 vorgesehen, um Ideen für die Präsentation der außergewöhnlichen Funde zur Geschichte des Mittelalters zu entwickeln. Dieses Zitat stammt vom „Adrenalin-Junkie“ Manfred von Richthofen (1892–1918), der sich seine Zeit als Soldat in den Schützengräben damit vertreibt, dass er die Franzosen mit Handgranaten „ärgert“. Erst als er bei der Fliegerei als „Roter Baron“ populär wird, ist er in seinem Element und die Langeweile hat ein Ende. In der Burg hat man eine jahrhundertealte Burgkapelle entdeckt. Freigelegte Putze und Fliesen deuten auf das 14. Jahrhundert hin KURIOSES Hiro Onodas langer Atem Soldat ergibt sich erst 29 Jahre nach Ende des Krieges E s gibt Geschichten, die sind so unglaublich, dass sie wie erfunden klingen – und doch sind sie wahr. Dazu gehört der Fall des japanischen Offiziers Hiro Onoda, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch sage und schreibe 29 Jahre seine Stellung im Dschungel auf der philippinischen Insel Lubang hielt. Da ihn kein Befehl von seinem Vorgesetzen erreichte, hielt er sich in einem Musterbeispiel von Loyalität und Samurai- 8 Für Hiro Onoda endete der Zweite Weltkrieg erst im Jahr 1974! Tugenden an die letzte Order: Durchhalten, bis Tokio etwas anderes sagt. Nur Tokio schwieg für ganze 29 Jahre. Hiro galt daheim längst als im Krieg gefallen – seine Familie hatte sogar schon einen Grabstein aufgestellt. Der Einzelkämpfer wurde von einem japanischen Touristen entdeckt und als dieser ein Foto von ihm machte und damit sein Überleben bewies, musste Hiros ehemaliger Vorgesetzter auf die Insel reisen, um ihm offiziell den Befehl zum Aufgeben zu übermitteln – niemand anderem hätte Hiro geglaubt (Flugblätter mit der Nachricht vom Kriegsende hielt er für Feindpropaganda). Der 1974 52-Jährige war erstaunlich fit, lebte von Früchten und Erjagtem und sein Gewehr war in einem tadellosen Zustand. Er lebte noch bis 2014 in seiner japanischen Heimat. Abb.: picture-alliance/ZUMAPRESS.com Fotos: picture-alliance/Rolf Wilms; picture-alliance/dpa/Thomas Frey Archäologischer Zufallsfund auf Burg Sterrenberg Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/ILLUS M I T T E L A LT E R M I L I T Ä R H I S T O R I S C H E FA K T E N Die besseren Amerikaner? Australier in Vietnam D Foto: picture-alliance/dpa ie australischen Truppen während des Vietnamkrieges unterscheiden sich stark von ihren amerikanischen Kameraden – nicht nur, was die Uniformen betrifft (besonders der typische australische Buschhut mit breiter Krempe sticht hervor). Die Soldaten aus „Down Under“ bekommen weitaus weniger Sold, was dazu führt, dass sie kaum in den (teuren) Bars und Restaurants verkehren, die regelmäßig von den GIs besucht werden. Die Australier sind deshalb sehr isolationistisch und bleiben meist unter sich – umso mehr, da ihnen ihre Rolle als (bestenfalls) Juniorpartner der Amerikaner sehr bewusst ist. Daraus ergib sich aber auch, dass die Lager der „Aussies“ sauberer und autarker sind – man erledigt all die Arbeiten selbst, für die die US-Armee Vietnamesen anheuert. Dies hat auch einen positiven Effekt auf die Sicherheit in den australischen Basen. Der von den Briten ererbte Unterschied zwischen Offizieren und Mannschaften ist stärker ausgeprägt als bei den „demokratischen“ Amerikanern. Die Australier gelten außerdem als kritischer, gesünder und sind beim Vietcong gefürchteter als die oft an Malaria leidenden und „ängstlichen“ Amerikaner. Allerdings ist die Rate an psychischen Zusammenbrüchen unter „Aussies“ leicht höher als bei den GIs. Soldaten einer australischen Kompanie im März 1968 auf dem Stützpunkt Nui Dat, während der Landung von Transporthubschraubern. Die Australier gelten als gute Soldaten, doch durch ihre geringe Zahl hatten sie keinen großen Einfluss auf den Krieg insgesamt M I T T E L A LT E R Königliches Blut Monarchen auf dem Schlachtfeld Abb.: picture-alliance/akg-images R ichard III. (1452–1485) ist der letzte König Englands, der auf dem Schlachtfeld fällt (bei Bosworth 1485). Der letzte britische Monarch, der seine Truppen persönlich in den Kampf führt, ist Georg II.: 1763 besiegt der damals 60-Jährige die Franzosen in der Schlacht bei Dettingen. Das letzte Mal, dass sich zwei hohe „Blaublüter“ auf dem Feld gegenüberstehen, ist während der Schlacht bei Sliwniza 1885: Die Bulgaren unter Prinz Alexander von Battenberg schlagen die Serben unter König Milan Obrenović … Clausewitz 3/2021 Richard III. ist der letzte regierende König, der auf dem Schlachtfeld stirbt SCHLAGLICHTER Historische Ereignisse aus allen Epochen 21 1437 nach Christus 1796 13. Februar Tödlicher Familienzwist – die Ermordung des Arminius Trickreicher Talbot – Stadtnahme ohne Blutvergießen Arminius führte zwar erfolgreich Krieg gegen die Römer, doch gegen seine eigene Familie kam der Germane nicht an ine Szene wie aus einem Robin-HoodRoman: Als lokale Bauern und Händler verkleidete Engländer drangen unerkannt in eine gut bewachte und befestigte Stadt ein – nur dass es sich nicht um die Burg des Sherriffs von Nottingham handelte, sondern um das französische Pontoise. Außerdem war der Rahmen dieses Husarenstücks keine mittelalterliche Legende, sondern der handfeste Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich (1337–1453). Pointoise kontrollierte das Tal der Oise und war eine strategische Schlüsselstellung auf dem Weg nach Paris. Doch der als „englischer Achill“ bekannte Heerführer John Talbot (1384–1453) verfügte weder über ausreichend Soldaten, noch hatte er die für eine langwierige Belagerung notwendigen Ressourcen – deshalb fasste er den eingangs skizzierten wagemutigen Plan. Seine als Franzosen getarnten Männer taten so, als ob sie den städtischen Markt besuchen wollten, versteckten sich dann und stimmten mitten in der Nacht den englischen Schlachtruf an. Gleichzeitig bestürmten ihre Kameraden die Mauern von außen. Die französische Besatzung war den Angreifern zwar zahlenmäßig überlegen, glaubte aber, die Stadt sei bereits gefallen – und floh Hals über Kopf. Talbot nahm Pontoise ohne jede Gegenwehr ein. Einige Jahre zuvor setzten die Franzosen in Chartre ein ähnliches Spezialkommando ein: Als Fuhrleute verkleidete Soldaten blockierten mit ihren Wagen das Stadttor. 17. November Legendär – Napoleon und die Brücke von Arcole E arus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!“ soll Kaiser Augustus in einer Mischung aus Verzweiflung und Zorn ausgerufen haben, als er von der völligen Vernichtung seiner Legionen in den Wäldern Germaniens erfuhr. Es war in der Tat eine unglaubliche Nachricht: 20.000 Legionäre haben die „Barbaren“ am 9. September im Jahre 21 nach Christus niedergemetzelt! Es war eines der größten Debakel der sieggewohnten römischen Militärmaschine. Publius Quinctilius Varus, der Statthalter des Kaisers in Germanien, beging ob dieser Schande noch auf dem Schlachtfeld Suizid. Drahtzieher dieses genial geplanten Feldzuges, der die Legionen daran hinderte, ihre Kampfkraft auf offenem Feld zu entfalten, war der zwischen 18 und 16 vor Christus geborene Cheruskerfürst Arminius (deutsch oft „Hermann“). Da er in Rom ausgebildet wurde, kannte er die Schwächen der römischen Kriegführung. Der Erfolg machte ihn bekannt und mächtig – für einige Germanen sogar zu mächtig. Hinzu kam, dass viele der Stammesfürsten eher darauf setzten, sich mit Rom zu verständigen, anstatt weiterhin – wie Arminius – Krieg zu führen. Deshalb haben ihn die Mitgliedern seiner eigenen Familie umgebracht. Ob Rom dabei seine Finger im Spiel hatte und späte Rache übte, ist umstritten… V 10 Als Bauern verkleidete englische Soldaten spazierten bei dem Überraschungsangriff auf Pointoise durch das Stadttor. Derartige Finten waren im Mittelalter nichts Ungewöhnliches Das bereits 1796 entstandene Gemälde ist ein Propaganda-Coup par excellence und stilisiert den Korsen zum „Kriegsgott“ oethe sagte über Napoleon: „Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg.“ Er bezog sich dabei auf den Italienfeldzug von 1796, bei dem der noch junge, unerfahrene und unbekannte Napoleon eine beeindruckende Reihe von Siegen über die Österreicher zustande brachte – in einer Art „Blitzkrieg“ avant la lettre und noch dazu mit einer zunächst heruntergekommenen und verwahrlosten Truppe. Die Triumphe mündeten in den Friedensvertrag von Campo Formio (18. Oktober 1797) und machten aus dem General Bonaparte den eingangs erwähnten „Kriegsgott“, der ein ungewöhnliches Talent für Strategie und Taktik hatte – sowie obendrein für die psychologische Kriegführung und die Propaganda (Napoleon verstand es hervorragend, sich selbst zu inszenieren und seine Soldaten bis zum Äußersten zu motivieren). Sinnbildlich für all das steht die berühmte Szene während der Schlacht von Arcole, die Antoine-Jean Gros in seinem Bild unsterblich machte: Napoleon steht in seiner dunklen Generalsuniform auf der Brücke und führt den Sturmangriff auf den Gegner persönlich an. In den Händen hält er Fahne und Säbel (mit der Aufschrift Armée d’Italie), um ihn herum ist Qualm und Rauch zu sehen – ein starkes Motiv, das bis heute zu den bekanntesten Napoleon-Gemälden überhaupt zählt. G Fotos: picture alliance/Heritage Images; akg-image/Jérôme da Cunha; picture-alliance/akg-images/VISIOARS; picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter; picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/dpa 1915 1944 22. April Der Todesnebel von Ypern – Giftgas im großen Stil ine Chlorwolke zog am 22. April über das Schlachtfeld von Ypern (Belgien) und bewegte sich geisterhaft auf die französischen Stellungen zu. Die Franzosen, die darauf nicht vorbereitet waren, starben in großer Zahl und brachen in Panik aus. Die Deutschen, die an diesem Tag zum ersten Mal das moderne Massenvernichtungsmittel „Giftgas“ einsetzten, konnten die starke Wirkung auf den Gegner selbst nicht glauben – man erwartete im Generalstab höchstens einen örtlich begrenzten Erfolg, aber nicht die Möglichkeit, mit dem neuen Kampfmittel potenziell einen strategischen Durchbruch erzielen zu können. Deshalb standen auch keine zusätzlichen Kräfte bereit, die diese unverhofft eingetretene Lage ausnutzen hätten könnten. Ein Umstand, der später zu Vorwürfen führen sollte: Eine Chance wurde vertan, so einige deutsche Strategen, die vielleicht entscheidende Wende im Krieg herbeizuführen … Beide Seiten entwickelten bereits vor 1914 Giftgas für den Kriegseinsatz. Dass es die Deutschen waren, die es zum ersten Mal im großen Stil einsetzten, ist aber kein Zufall: Die deutsche Chemieindustrie war weltweit führend und die Mittelmächte waren aufgrund der Importembargos und der damit zusammenhängenden Munitionskrise verzweifelter und eher bereit, zu drastischen Mitteln zu greifen. 1961 26. April Filmreif – die Entführung von General Kreipe 6. November Maulwurf im BND – Heinz Felfe wird enttarnt E Deutsche Soldaten üben 1916 den Umgang mit Gasmasken. Der Gaseinsatz gehörte zu den markantesten Einschnitten in der Kriegführung des Ersten Weltkrieges Clausewitz 3/2021 Der britische Film Ill Met by Moonlight (1957) basiert auf dem autobiographischen Buch The Abduction of General Kreipe (1950) von W. Stanley Moss m Frühjahr 1944 gelangten die beiden SOE-Offiziere (zur SOE siehe Clausewitz 5/2020) Paddy Leigh Fermor und William Stanley Moss von Kairo aus in das von den Deutschen besetzte Kreta. Sie trafen sich dort zunächst mit griechischen Partisanen. Ihre Mission lautete eigentlich: Entführung des deutschen Generals FriedrichWilhelm Müller, der als äußerst „harter Hund“ galt und nicht gerade zimperlich im Umgang mit der lokalen Bevölkerung war. Mit dem Kidnapping sollte die Moral der Partisanen gestärkt und ein Prestigegewinn für die SOE eingefahren werden. Allerdings wurde Müller kurz vor dem Start des geplanten Unternehmens, im Mai 1944, durch General Heinrich Kreipe ersetzt. Fermor und Moss entschieden sich dennoch, die bereits angelaufene Aktion durchzuziehen. Als deutsche Soldaten verkleidet, überfielen sie am Abend des 26. April – zusammen mit griechischen Helfern – den Wagen von Kreipe und entführten diesen erst per Auto, dann zu Fuß, auf Maultieren und mit einem Boot nach Ägypten (Kreipes Fahrer wurde ermordet). Dabei passierten sie am Anfang unzählige deutsche Kontrollen, die den Wagen des Generals aber nicht einmal anhielten. Müller nahm später wieder Kreipes Platz auf Kreta ein – ausgerechnet der Mann also, dem man eigentlich das Handwerk legen wollte! I Heinz Felfe wurde wegen Ostspionage verurteilt und 1969 gegen in der UdSSR einsitzende Westspione ausgetauscht u Beginn der 1950er-Jahre drehte der KGB den ehemaligen SS-Obersturmführer Heinz Felfe (der seit Kriegsende für die Briten spionierte) um und schleuste ihn in die Organisation Gehlen ein. Damit er dort schnell Karriere machte, spielte ihm der KGB regelmäßig heißes Material und geheime DDR-Dokumente zu. Die Investition machte sich bezahlt, denn Felfe stieg schnell bis ganz nach oben im westdeutschen Geheimdienst (inzwischen in „BND“ umbenannt) auf. Reinhard Gehlen sagte selbst: „Felfe ist ein Nachrichten-As!“. Und so konnte Felfe ungehindert Material nach Moskau zu seinen wahren Herren liefern. Doch der Erfolg machte ihn unvorsichtig: Er kaufte sich ein teures Haus mit dem Geld, das er vom KGB bekam. Der BND wurde misstrauisch und ließ seinen vermeintlichen Spitzenspion beschatten. Die Schlinge zog sich im Herbst 1961 weiter zu, als der zu den Amerikanern übergelaufene KGBMajor Anatol Golyzin von einem Maulwurf im westdeutschen Geheimdienst erzählte. Der Verdacht gegen Felfe bestätigte sich dann endgültig, als der BND eine KGB-Funkmeldung an Felfe abfing. Am 6. November 1961 verhaftete das BKA den Doppelspion in München-Pullach. Z 11 TITELGESCHICHTE | ARRAS 1940 DRAMATISCHE PANZERSCHLACHT VON ARRAS 1940 Stoß in die Flanke 21. Mai 1940: 5 KURZE FAKTEN ZEIT: 21. Mai 1940 ORT: Raum Arras (Nordostfrankreich) GEGNER: Alliierte / Deutsches Reich EREIGNIS: Panzerschlacht BESONDERHEIT: Deutsche Soldaten erleben Panzerschock Die Alliierten wollen Rommels vorgepreschte 7. Panzerdivision mit einem Gegenschlag stoppen. Britische Panzer attackieren die deutschen Verbände und bringen sie im Raum Arras massiv in Bedrängnis Von Lukas Grawe 12 RISKANTES UNTERFANGEN: Nach dem Vorstoß von Erwin Rommels 7. Panzerdivision am 21. Mai 1940 in den Raum südlich von Arras sind die Flanken seiner Angriffstruppen zeitweise entblößt. Diese Tatsache bleibt den Alliierten nicht verborgen und fordert sie zu einem Gegenangriff heraus. Ein durchschlagender Erfolg könnte den deutschen „Sichelschnitt“Plan im letzten Moment ins Wanken bringen ... Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv FINALE DUELL Die Schlacht von Arras war für die Solden der Höhepunkt des Westfeldzuges Arras war vor allem ein Kampf der leichten und mittleren Panzer Seite 26 Clausewitz 3/2021 Seite 30 13 ARRAS 1940 FA K T E N Deutsches Reich Oberbefehlshaber (Auswahl): Generaloberst Günther von Kluge (Oberbefehlshaber 4. Armee) Generalmajor Erwin Rommel (Kommandeur 7. Panzerdivision) SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS Theodor Eicke (Kommandeur SS-Division „Totenkopf“) Zielsetzungen: Ursprünglich im Rahmen des Gesamtplans: Vorstoß zum Kanal im Rahmen des am 10. Mai 1940 begonnenen Westfeldzuges; Abschnürung der alliierten Truppen in Belgien; am 21. Mai 1940 Abwehr des feindlichen Gegenschlags im Raum Arras 14 Wehrmacht unter Druck KAMPF GEGEN STAHLKOLOSSE Die von Sieg zu Sieg eilenden deutschen Angreifer geraten in der Schlacht von Arras massiv unter Druck. In schweren Gefechten mit den alliierten Tanks erleiden besonders die Panzerjäger blutige Verluste. Bei heftigen Panzerduellen zahlen beide Seiten einen hohen Blutzoll Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo Clausewitz 3/2021 15 ARRAS 1940 GROSSES MANKO Ihre Tanks sind den deutschen Panzern in puncto Bewaffnung und Panzerung häufig überlegen. Zögerliche Führung und mangelnde Kommunikation sind jedoch gravierende Nachteile der alliierten Truppen. Sie müssen dadurch hohe Verluste an Kampfwagen hinnehmen; hier ein in deutsche Hände gefallener Matilda-II-Panzer Foto: Sammlung Anderson 16 Wuchtiger Panzervorstoß FA K T E N Alliierte (Frankreich/Grossbritannien) Oberbefehlshaber (Auswahl): Lord Gort (Oberbefehlshaber der British Expeditionary Force/BEF) Harold Franklyn (kommandiert die Frankforce, bestehend aus der 5. und der 50. Infanteriedivision sowie der 1. Tank Brigade) René Prioux (Kommandeur des Corps de Cavalerie, zu dem die 3. leichte mechanisierte Division gehört) Zielsetzungen: Durchbruch durch die Linien der deutschen Angreifer; Stoß in die entblößte Flanke der deutschen Panzerspitzen; Einkesselung der bereits zum Ärmelkanal vorgestoßenen Verbände der Wehrmacht Clausewitz 3/2021 17 ARRAS 1940 E in besorgniserregender Funkspruch erreicht den Divisionsstab der 7. deutschen Panzerdivision in den Nachmittagsstunden des 21. Mai 1940: „Feindlicher starker Panzerangriff aus Richtung Arras. Hilfe, Hilfe.“ Absender ist das unterstellte SchützenRegiment 6, das sich völlig unerwartet heftigen britischen Panzerangriffen gegenübersieht und ins Wanken gerät. Erstmals während des gesamten Westfeldzugs treffen die von Generalmajor Erwin Rommel befehligten Einheiten auf britische Panzer – die die Deutschen an den Rand einer Niederlage bringen. Gegen die bis zu 80 Millimeter starke Panzerung der MatildaPanzer zeigen die eiligst in Stellung gebrachten deutschen Panzerabwehrkanonen (Pak) kaum Wirkung. Unbeirrt vom feindlichen Abwehrfeuer, setzen die britischen Tanks ihren Angriff fort. Bei deutschen Bedienmannschaften macht sich Panik breit. Erste Infanteristen suchen ihr Heil in der Flucht. Auch die angrenzenden Einheiten der Waffen-SS zeigen sich vom ungestümen Vorstoß der Briten beeindruckt. Können sich die deutschen Verbände aus dieser äußerst bedrohlichen Lage befreien? „Sichelschnitt“-Plan Elf Tage zuvor, am 10. Mai 1940, holte die Wehrmacht zu ihrem Feldzug im Westen aus. Der auf der Idee von Erich von Manstein basierende Plan sieht einen überraschenden Vorstoß starker Panzerkräfte der Heeresgruppe A (HGr. A) durch die als unpassierbar geltenden Ardennen vor. Gleichzeitig soll die HGr. B den Gegner in Belgien und in den Niederlanden binden. Sichelschnittartig sollen die Panzer mit dem Balkenkreuz bei Sedan über die Maas übersetzen und anschließend zum Kanal vorstoßen. Man will dem Gegner den Rückzugsweg abschneiden und ihn so in Nordfrankreich und Belgien einkesseln. BEI DER TRUPPE: Erwin Rommel beaufsichtigt den Vormarsch seiner Einheit und führt sie von vorn. Bei Arras stößt der Gegner wuchtig in die Flanke seiner vorausgepreschten 7. Panzerdivision Foto: Sammlung Anderson INSZENIERTER SIEGESZUG: Unaufhaltsam dringen deutsche Panzer im Mai 1940 nach Westen vor. Doch bei Arras wollen ihnen britisch-französische Truppen den Weg versperren; Szene aus dem Propagandafilm Sieg im Westen Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo „BLITZKRIEGER“: Der deutsche Vorstoß nach Frankreich hinein verläuft überraschend schnell, doch im Raum Arras kommt es zu schweren Panzergefechten mit alliierten Tanks Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection 18 Bedrohliche Lage KARTE Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich Deutscher Vorstoß und Gegenangriff am 21. Mai 1940 Clausewitz 3/2021 19 ARRAS 1940 ler Überlegung am Zügel gehalten, nun den Kopf freibekommt und sich streckt, um im schwingenden Galopp als Sieger dem Ziel entgegenzueilen“, bemerkt der Stabsoffizier Johann Adolf von Kielmansegg. Schon einen Tag später erreichen die ersten deutschen Panzerspitzen den Kanal. Die alliierte HGr. 1 sitzt in der Falle. Churchills Initiative Bei den Alliierten sind die Rollen unterschiedlich verteilt. Während die französische Militärführung angesichts des raschen deutschen Vormarschs bereits konsterniert ist, DOKUMENT FLIEGENDE ARTILLERIE: Sturzkampfbomber unterstützen die deutschen Bodentruppen bei ihrem Vorstoß. Die Stukas verfügen über Sirenen, die beim Sturz markant aufheulen und den Gegner in Panik versetzen sollten Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv Während Hitler von dieser Idee begeistert ist, halten viele führende Generäle den Plan für zu riskant. Frühzeitig weisen die Skeptiker auf die besonderen Gefahren hin: Je weiter die deutschen Panzerverbände zum Kanal vorstoßen, desto länger und verwundbarer werden ihre Flanken. Doch letztlich macht sich auch der Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, die Gedanken des Plans zu Eigen. Unaufhaltsamer Vormarsch Schon nach einigen wenigen Tagen zeigt sich, dass Mansteins Idee aufzugehen scheint: Die Franzosen und Briten rechnen mit einem deutschen Hauptstoß durch Belgien und verlegen ihre Truppen daher direkt zu Beginn des Feldzugs in das Nachbarland. Vom gegnerischen Vormarsch über Sedan werden sie vollkommen überrascht. Unaufhaltsam rücken die deutschen FRANKREICHS VERBÜNDETER: Lord Gort ist Oberbefehlshaber der britischen Expeditionsstreitkräfte, deren Verbände die deutschen Angreifer bei Arras stoppen wollen Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library 20 Panzerspitzen Richtung Kanal vor, während die Franzosen kaum Gelegenheit haben, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Auch jene deutschen Generäle, die dem Plan vormals verhalten gegenüberstanden, müssen nun dessen Kühnheit anerkennen. Stattdessen schaltet sich nun der vormals so begeisterte „Führer“ mehrfach bremsend ein. Denn er fürchtet doch um die langgezogenen Flanken des deutschen Angriffskeils. Die vordersten Panzer sind in einem derart hohen Tempo vorgeeilt, dass die langsame Infanterie nicht Schritt halten kann und sich daher hinter den deutschen Tanks ein Vakuum bildet. Halder nimmt diese Gefahr bewusst in Kauf, glaubt er doch nicht daran, dass die Alliierten noch rasche und heftige Gegenoffensiven starten können. Am 19. Mai 1940 gelingt es dem Generalstabschef, den NS-Diktator davon zu überzeugen, den Panzerkräften endlich volle Bewegungsfreiheit einzuräumen. „Wir haben ein Gefühl, wie es das edle Rennpferd haben mag, das von seinem Reiter aus küh- Propagandabericht „Sie haben in Deckung unseren Angriff vorüberrollen lassen, und nun versuchen sie, die deutschen SchützenRegimenter von der Flanke her zu packen. Die deutsche Batterie, die zur Straßensicherung in Stellung ist, Front gegen Arras, hat die lohnenden neue Ziele erkannt. Mit Sprengkopfgranaten werden die beiden feindlichen Panzer, die auf der Straße heranrollen, unter Feuer genommen. Inzwischen sind die SchützenRegimenter in schwerem Kampfe mit französischen und englischen MGNestern, von denen das Gelände voll ist. Melder hasten heran. Sie bringen die Nachricht von weiteren Angriffen feindlicher Panzer im Rücken der deutschen Angreifer. Der Gegner, der sich in Arras eingeschlossen und nunmehr umgangen fühlt, versucht sich mit allen Mitteln aus der eisernen Umklammerung zu lösen. Zehn feindliche Panzer sind hinter uns im Anmarsch. Unsere Reservepanzer werden sofort zu wirksamem Flankenstoß angesetzt (...). Die Luft ist erfüllt vom Donnern der Geschütze, vom Knattern der Maschinengewehre. Ab und zu bellen in kurzen, heftigen Feuerstößen die Geschütze unserer Flugabwehr dazwischen. (...) Es ist 7:00 Uhr abends. Vier feindliche Panzer sind inzwischen in Brand geschossen worden. Aber erneut und an immer anderen Stellen versuchen die anderen den Durchbruch. Eine Stunde später sieht es so aus, als ob der Angreifer nun selber der Eingeschlossene wäre. Stukas schaffen Luft. In der Nacht gehen die vereinigten englischfranzösischen Angriffe weiter.“ NS-Propagandabericht (Auszug) zu den Kämpfen in Arras, Mai 1940 Demoralisierte Franzosen erkennt man auf britischer Seite die Chance für einen gut durchdachten Gegenangriff. „Die ganze Nacht hindurch jagen sich die „Die Schildkröte hat ihren Meldungen: Feindliche Panzer von rechts! – Kopf sehr weit aus dem Schild Panzer von links!“ vorgestreckt“, meint der britiAnmerkung zur Schlacht von Arras in der sche Premierminister Winston Divisionsgeschichte der 7. Panzerdivision Churchill. „Einige Tage müssen verstreichen, ehe ihr Körper unsere Verbindungslinien erMit seinen Vorstellungen rennt Churchill reichen kann. Es scheint, dass wuchtige Schläge aus Norden und Süden gegen diese beim Chef des imperialen Generalstabs, Edverlängerte ‚Tasche‘ überraschende Erfolge mund Ironside, offene Türen ein. Alles kommt darauf an, dass man eine Gegenofzeitigen könnten.“ IN KOLONNE: Fahrzeuge des SchützenRegiments der 7. Panzerdivision, darunter mehrere mittlere Schützenpanzerwagen mit angehängter Feldhaubitze (10,5-cm-le-FH 18) fensive schnell und energisch führt. Einem britischen-französischen Angriff auf die rechte Flanke des deutschen Vorstoßes muss unbedingt ein französischer Angriff von Süden folgen. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, die deutschen Panzerverbände von der Masse des eigenen Heeres abzuschneiden: Ein drohendes militärisches Desaster der Alliierten könnte sogar noch in einen glorreichen Sieg umgewandelt werden. Doch dafür sind die Briten auf französische Unterstützung angewiesen. Ironside fliegt zur dauerhaft von der Abschnürung bedrohten HGr. 1, doch findet er die französische Generalität völlig demoralisiert vor: „Ich verzweifle allmählich an dem französischen Kampfwillen überhaupt. Die große Armee, von ein paar Panzern geschlagen!“, vertraut der britische General seinem Tagebuch an. „Kein Plan, kein Gedanke an einen Plan – bereit, sich abschlachten zu lassen.“ Britischer Plan Ironside und der Befehlshaber der British Expeditionary Force (BEF), Lord Gort, sind notfalls auch bereit, allein die Initiative zu ergreifen, denn die Zeit drängt. Im Raum Arras Foto: Sammlung Anderson VOR DEM GEFECHT: Neben der Wehrmacht ist auch die Waffen-SS an den Kämpfen bei Arras 1940 beteiligt, vor allem Soldaten der SS-„Totenkopfdivision“ Foto: ullstein bild - ullstein bild Clausewitz 3/2021 21 ARRAS 1940 sollen die Verbündeten den deutschen „Schildkrötenkopf“ vom Körper schlagen. Von den Franzosen verlangen die beiden Generäle lediglich offensiven Flankenschutz für die angreifenden britischen Verbände. Doch selbst zu einem derart begrenzten Beitrag scheint die französische Armee nicht mehr in der Lage zu sein: Während der Befehlshaber des V. Armeekorps, Robert Altmayer, unter Tränen weitere Kämpfe für seinen Verband ablehnt, muss der als Ersatz einspringende René Prioux die Hoffnungen der Briten ebenfalls dämpfen: Zwar ist er bereit, das Vorhaben zu unterstützen, doch hat man seine Panzer kurz zuvor auf etliche französische Infanteriedivisionen aufgeteilt. Lediglich Teile der 3. französischen mechanisierten Division lassen sich für eine Gegenoffensive zusammentrommeln. Doch auch AUSGESCHALTET: Deutsche Soldaten nehmen einen Matilda-II-Panzer unter die Lupe. In der Schlacht erleiden die Alliierten Verluste von zirka 60 Kampfwagen Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collectio MONSTERSTAU: Unzählige Pkw und Lkw einer NachrichtenEinheit rollen langsam nach Westen, während Rommels Panzerspitzen weit vorausgeeilt sind Foto: Sammlung Anderson PANZERJÄGER IM GEFECHT: Sie erleiden blutige Verluste im Kampf mit den alliierten Panzern Foto: picture-alliance/ZB/ Berliner Verlag/Archiv 22 die Briten können keine allzu großen Kräfte für einen entscheidenden Schlag aufbieten. Schuld daran sind Fehler in der Kommunikation. Die für den Gegenangriff in Aussicht genommenen Generäle Harold Franklyn und Giffard Martel werden nicht über die weit gesteckten operativen Ziele des Unternehmens informiert. Beide glauben vielmehr, der Stoß solle lediglich den taktischen Zweck verfolgen, die britische Garnison bei Arras zu entlasten. Dementsprechend gering sind die angesetzten Kräfte: Statt den von Ironside geforderten vier britischen und französischen Divi- Geschosse prallen ab VERNICHTET: Staunend begutachtet dieser deutsche Soldat das große Einschussloch. Während kleinere Treffer der Panzerung dieses Somua S35 kaum Schaden zufügten, traf hier ein deutlich größeres Kaliber Foto: Sammlung Anderson sionen, die mit massiver Panzerunterstützung vorgehen, lassen die beiden Generäle vor Ort lediglich zwei Infanteriebataillone und 88 Panzer angreifen. Riskanter Vorstoß Am 21. Mai 1940 stürmt die 7. Panzerdivision der Wehrmacht unter der energischen Führung von Erwin Rommel siegesgewiss vor. Als Teil der 4. Armee unter Generaloberst Günther von Kluge ist sie ein wichtiger Bestandteil des Panzerkeils, der den „Sichelschnitt“ vollenden soll. Soeben hat der Generalmajor den Auftrag erhalten, westlich von Arras vorzurücken, um die Flussübergänge über die Scarpe zu nehmen. Ohne auf seine SCHNEISE DER VERWÜSInfanterie zu warten, lässt Rommel seine TUNG: Viele Orte entlang der deutschen Vormarschstraße Panzer zum Fluss vorrücken. Dieses äußerst liegen in Schutt und Asche, riskante Vorgehen endet für den Verband beiauch Arras wird stark in Mitnahe in einer Katastrophe. „Der Zufall wollte leidenschaft gezogen es, dass der von den Briten ohne vorherige Foto: picture-alliance/akg-images Aufklärung vorgetragene Panzerangriff exakt zum ungünstigsten Zeitpunkt an der ungünstigsten Stelle voll in die ungeschützte bares Vickers-MG) ausgerüstet sind, verfüFlanke der deutschen Infanteriekolonnen hi- gen letztere über eine Zweipfünder-Kanone neinstieß“, betont der Militärhistoriker Karl- und eine bis zu 80 Millimeter dicke PanzeHeinz Frieser. Rommel, der zuerst seinen rung. Auf diese Weise können weder die Panzern nachgeeilt ist, kehrt gegen Nachmittag zu seiner Infanterie zurück, um sie zur Eile an„Gegen die schweren Panzer der Engländer zutreiben. sind die eigenen Paks auch auf nahe Nun wird er Zeuge des britiEntfernungen nicht wirkungsvoll genug. schen Gegenangriffs. Mehr als 40 britische Panzer fahren auf die Die durch sie gebildeten Abwehrfronten deutschen Pak-Stellungen zu. Es werden vom Feind durchbrochen.“ handelt sich dabei um Tanks des Tagesbericht (Auszug) der 7. Panzerdivision Typs Matilda I und II. Während vom 21. Mai 1940 erstere Fahrzeuge lediglich mit Maschinengewehren (schwenk- Clausewitz 3/2021 deutschen Panzer (mit Ausnahme des Panzer IV), noch die 3,7-cm-Pak die mächtigen Matilda II außer Gefecht setzen. Ohne größeren Schaden anzurichten, prallt das Abwehrfeuer der Deutschen an den britischen Ungetümen ab. Rommel greift ein Die Irritation bei der Führung der 7. Panzerdivision lässt sich noch anhand des Wortlauts ihres Tagesberichts erkennen: „Gegen die schweren Panzer der Engländer sind die eigenen Paks auch auf nahe Entfernungen nicht wirkungsvoll genug. Die durch sie gebildeten Abwehrfronten werden vom Feind durchbrochen, die Geschütze zusammenge- 23 ARRAS 1940 Hinzu kommt das psychologische Moment: Seine Anwesenheit in vorderster Linie wirkt beruhigend auf seine Soldaten. Persönlich weist Rommel die Pak-Bedienmannschaften in die Ziele ein, lässt auch seine Artilleriegeschütze auf die gegnerischen Panzer feuern. Abseits der ersten Kampflinie lässt der Generalmajor die schweren 8,8-cm-Flaks heranholen, um auch diese gegen die britischen Tanks einzusetzen. Ihr großes Kaliber durchdringt mühelos alle Panzerungen, sodass sie später, im Russlandfeldzug, auch die schweren sowjetischen Panzer überaus erfolgreich bekämpfen wird. Rommels Maßnahmen zeitigen Erfolg: Innerhalb weniger Minuten verlieren die Angreifer zwei Dutzend Panzer. DIE 7. PANZERDIVISION: Der Panzer II kann mit 2-cm-Schnellfeuer Infanterie gut bekämpfen. Im Hintergrund Panzer IV Ausf C Foto: Münch schossen oder überfahren, die Bedienungen größtenteils niedergemacht.“ Stellenweise stoßen britische Panzer bis zu den Einheiten der Waffen-SS vor, die die linke Flanke von Rommels Division decken. Jetzt zeigt sich die große Stärke von Rommel als Kommandeur: Anders als seine britischen Gegenspieler, führt er von vorn und stürzt sich ungeachtet der Gefahren ins Kampfgeschehen. Blitzschnell kann er hier die aktuelle Situation erfassen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Chaos bei den Briten DURCHLÖCHERT: Unzählige Treffer durchlöcherten diesen Panzerkampfwagen III Ausf E. Beinahe jeder Teil der Frontpanzerung zeigt Durchschläge Foto: Sammlung Anderson Der britische Angriff, der das Potenzial zu einem großen Erfolg gehabt hätte, läuft sich schließlich fest. Schon der Anmarsch der rechten britischen Angriffsgruppe endet beinahe in einem Desaster, als die eigentlich als rechter Flankenschutz fungierende französische mechanisierte Division die britischen Verbände fälschlicherweise für deutsche Einheiten hält: Energisch durchbrechen die französischen Somua-Panzer einen britischen Pak-Riegel und zerstören einen britischen Tank, ehe die Verwechslung auffällt. Auch im weiteren Verlauf des Vorstoßes kommt es zu massiven Koordinationsproblemen. Schuld daran ist in erster Linie die unzureichende Funkverbindung: So können sich die Besatzungen der Matilda-Tanks weder untereinander verständigen, noch Kontakt zur britischen Infanterie oder zum französischen Verbündeten aufnehmen. Obwohl sie über die kampfkräftigeren Panzer verfügen, sind die britischen Panzereinheiten ihrem deutschen Gegner in taktischer Hinsicht klar unterlegen. Britische Militärhistoriker sind sich heute einig: Der sagenumwobene und vielgelobte Angriff bei Arras war alles andere als gut durchgeführt. Einzel- ZUSAMMENGESCHOSSEN: Reste einer französischen Kolonne zeugen von der großen Härte der Kämpfe bei Arras Foto: Sammlung Anderson 24 Bettinger, Dieter Robert Blutiger Abwehrerfolg Der Bau der deutschen Westbefestigungen in den Jahren 1936 bis 1940 und ihre Zerstörung nach dem Zweiten Weltkrieg neu 306 Seiten, Hardcover, Fadenbindung, 574 Abb., 143 Schemata, Großformat; ISBN 978-3-86933-262-8 49,90 € Herrmann, Gerd Ulrich / Klar, Uwe Der Kessel von Halbe Von Oder und Neiße bis zur Elbe ALLIIERTE PANZERWRACKS: Abgeschossene Panzer im Raum westlich von Arras. Nach dem Eindämmen des britisch-französischen Gegenschlags geht der Vorstoß der Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv Wehrmacht voran Literaturtipp auch, um seinen Abwehrerfolg noch glänzender hervorzuheben. So berichtet er dem deutschen Oberkommando von fünf feindlichen Divisionen und Hunderten von Panzern, die seine Pak-Riegel berennen würden. Diese Schilderung Rommels hat weitreichende operative Folgen: Kluge lässt seine Panzerverbände anhalten, um die vermeintliche Gefahr für die deutsche Flanke zu bereinigen. Auch der Oberbefehlshaber der HGr. A, Gerd von Rundstedt, stimmt diesem Vorgehen zu. Heeresgeneralstabschef Franz Halder hingegen schätzt die Lage richtig ein: Er sieht die Gefahr nun nicht mehr in einem feindlichen Flankenangriff, sondern darin, dass sich der Gegner zur Küste zurückziehen könnte, um der deutschen Umfassung zu entgehen. Die „Krise von Arras“, so betont der Militärhistoriker Frieser, „war selbst gemacht und wirkte sich nur in den höheren Stäben aus. Es erscheint paradox, dass ausgerechnet bei den Panzerverbänden, die sich hätten gefährdet fühlen müssen, überhaupt keine Krisenstimmung zu bemerken war.“ So zeitigt der fehlgeschlagene britische Panzerangriff bei Arras weitreichende operative Folgen: Er räumt den sich auf den Kanal zurückziehenden Briten eine Atempause ein und beeinflusst die Lageeinschätzungen Hitlers und der deutschen Militärführung auch noch beim Marsch auf Dünkirchen nachhaltig. Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940, München 2012. Dr. Lukas Grawe, Jahrgang 1985, Historiker am SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen. erfolge hat man taktisch nicht ausgenutzt. Es mangelt an Luftunterstützung und an einem ausreichenden Kräfteansatz. Nachdem sich die Panzer an den deutschen 8,8-cm-Flaks die Zähne ausbissen, greift nun auch Görings Luftwaffe in die Kämpfe ein. Im Sirenengeheul der Sturzkampfbomber ziehen sich die letzten britischen Panzer zurück. Folgenreicher Sieg Der bei Arras erzielte Abwehrerfolg von Wehrmacht und Waffen-SS ist allerdings mit hohen Verlusten teuer erkauft. Rommels 7. Panzerdivision beklagt 89 Gefallene, 116 Verwundete und 173 Vermisste, von denen 90 Versprengte aber wieder zu ihren Einheiten zurückkehren. Die SS-Division „Totenkopf“ unter ihrem Kommandeur Theodor Eicke muss den Verlust von 39 Toten und 66 Verwundeten hinnehmen. Aber auch die Briten erleiden blutige Verluste. „In diesem Tal haben wir unsere besten Panzerbesatzungen verloren“, betont ein britischer Offizier später. Tatsächlich kehren von den 88 eingesetzten Panzern nur 28 wieder in ihre Ausgangsstellungen zurück. Angesichts des hohen Blutzolls verwundert es nicht, dass Rommel die Zahl der Angreifer vollkommen falsch einschätzt – sicherlich neu 292 Seiten, Hardcover, Fadenbindung, 137 s/w Fotos, 2 farbige Schemata, 3 s/w Schemata, Großformat; ISBN 978-386933-263-5 28,50 € Lapp, Peter Joachim Armee im Schatten Militärhistorische Studie zur 17. Armee im 2. Weltkrieg 230 Seiten, Hardcover, fest gebunden, 17x24 cm, 23 Fotos, 27 Skizzen, 4 Schemata; ISBN 978-3-86933264-2 24,00 € neu Eilhardt, Hans Joachim Frühjahr 1945 Kampf um Berlin und Flucht in den Westen 193 Seiten, Hardcover, festgebunden, 14,5x21 cm, 3 Abb.; ISBN 9783-96933-267-3 19,90 € neu Helios-Verlag.de Brückstraße 48, 52080 Aachen Tel.: 0241-555426 Fax: 0241-558493 eMail: Helios-Verlag@t-online.de Clausewitz 3/2021 versandkostenfreie Auslieferung innerhalb Deutschlands ARRAS 1940 EXTREME STRAPAZEN DER SOLDATEN „Fontäne aus Eisen” Während der blutigen Kämpfe stoßen die Soldaten beider Seiten an ihre körperlichen und seelischen Belastungsgrenzen. Neben dem todbringenden Feuer des Feindes setzen Hitze und Trockenheit den Männern hart zu Von Lukas Grawe IM KAMPF: Panzerjäger mit ihrer Pak. Vor allem in den Vororten von Arras entflammen heftige Gefechte mit alliierten Panzern, die bei den Pak-Trupps zum Teil sogar Panik auslösen Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo IN FLAMMEN: Im Zuge ihres Gegenangriffs bei Arras verlieren die Alliierten etwa 60 Kampfwagen. Viele Panzerbesatzungen erleiden ein qualvolles Ende in ihren Fahrzeugen Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv 26 D er Westfeldzug des Jahres 1940 bringt für viele der beteiligten deutschen Soldaten höllische Strapazen mit sich. Da es bei dem geballten Großangriff auf jede Minute ankommt und man die Alliierten mit dem Stoß durch die Ardennen überraschen will, ertragen die Infanteristen oft stundenlange Gewaltmärsche ohne Pause. Mit ihrem etwa 40 Kilogramm schweren Marschgepäck und bei frühsommerlicher Hitze kommt der Vormarsch einer Tortur gleich – zumal nur wenige deutsche Infanteriedivisionen stark motorisiert sind. Der Großteil der Soldaten muss sich auf seine Muskelkraft verlassen und kann nicht auf die Pferdestärken der Lkw hoffen. „Die Sonne brennt auf den drückenden Stahlhelm, der Schädel ist förmlich ausgedörrt“, so ein Soldat der Wehrmacht in der Rückschau. KRÄFTEZEHREND: Endlosen Gewaltmärschen schließen sich schwere Gefechte mit dem Gegner an. Die Infanterie findet kaum Zeit zum Verschnaufen, auch Hitze und Trockenheit setzen den erschöpften Soldaten hart zu Foto: picture-alliance Angst und Depressionen Kaum besser geht es den deutschen Panzerbesatzungen. Diese sollen als Speerspitze des Angriffs fungieren und sind daher häufig tagelang ohne längere Pausen unterwegs. In den nicht klimatisierten Innenräumen der Tanks führt die Maisonne zu kaum erträglichen Temperaturen. Vor allem die Fahrer müssen sich bei den engen Straßen dauerhaft konzentrieren. Viele Soldaten können die Anstrengungen des Westfeldzugs nur überstehen, indem sie auf eine Aufputschdroge zurückgreifen: Pervitin. Für die Kämpfe in Frankreich hat die Wehrmacht mehr als 35 Millionen Tabletten des Mittels bestellt. Eine Tablette kann den Konsumenten tagelang wach halten und die Stimmung aufhellen. Ihre Wirkung kann allerdings auch zu schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Angstzuständen und Abhängigkeiten führen. Schnell avanciert Pervitin zum ständigen Begleiter der Panzerbesatzungen und erhält verharmlosende Namen wie „Panzerschokolade“. Tanks gegen Paks Eingebettet in diese widrigen Rahmenbedingungen, entbrennen am 21. Mai 1940 die schweren Kämpfe bei Arras. Die Gefechte zwischen britischen Panzern und deutschen Panzerabwehrkanonen spielen sich hauptsächlich in den Vororten der Stadt ab. Hier liefern sich die Soldaten beider Seiten heftige Häuserkämpfe. Die SS-Division „Totenkopf“, als linker Flankenschutz von Rommels 7. Panzerdivision aufgeboten, erlebt in den heftigen Gefechten ihre Feuertaufe. Ihre Solda- Clausewitz 3/2021 ten sind zuvor nächtelang marschiert, um zu Rommels vorstürmenden Truppen aufschließen zu können. Schnell merken die SS-Männer, dass sie es mit einem verbissen kämpfenden Gegner zu tun haben. Sowohl für Rommels Soldaten als auch für die Männer der Waffen-SS ist die Schlacht von Arras der erste heftige Kontakt zu britischen Panzern. Ein deutscher Kriegsberichterstatter schildert die mörderischen Duelle zwischen Tanks und Paks: „Ein Geschütz will befehlsgemäß hinter einem Gartenzaun vor einer scharfen Straßenbiegung Stellung beziehen; die Männer sind noch nicht abgesessen. Da schlägt mit grauenhafter Gewalt ein Volltreffer in die Protze. Eine Fontäne von Eisen und Feuer spritzt hoch – vier auf dem Zugkraftwagen sitzende Kameraden sind verloren. Benzintank und Munition explodieren mit DOKUMENT Dramatischer Erlebnisbericht „Auf unserem Weg reißt eine Granate dem Kameraden (...) den Kopf ab. In unserer ersten Aufregung bemerken wir das grausige Geschehen zunächst nicht. Erst nachdem wir einen der beiden englischen Panzer ausmachen, sehen wir, was mit unserem Kameraden geschehen ist. Es ist furchtbar. Wir alle sind blutbespritzt (...).“ Auszug aus einem Erlebnisbericht eines SS-Rottenführers der „Totenkopfdivision“ zur Schlacht von Arras ohrenbetäubendem Getöse, sinn- und ziellos zischen die in Brand gesetzten Pak-Geschosse kreuz und quer durch die Gegend.“ Er berichtet auch über das Abwehrfeuer der Paks. Eine Kanone „wird von mehreren feindlichen Panzern hart bedrängt. Die Einschläge der Panzerkanonen sitzen verdammt gut. (…) Jetzt haut ein Volltreffer in die kleine Kanone.“ Wenig später schäumt an einer weiteren Kanone „eine Woge von Feuer und Rauch hoch, Stahlfetzen zerschmettern dem Geschützführer das Antlitz.“ Angesichts der grausigen Szenen verlieren einige deutsche Bedienmannschaften die Nerven, wie auch Generalmajor Erwin Rommel mit ansehen muss. „Es war eine böse Klemme“, stellt der Kommandeur der 7. Panzerdivision rückblickend betrachtet fest. So wird er Augenzeuge, „wie die Bedienung einer Haubitzbatterie, von der zurückgehenden Infanterie mitgerissen, ihre Geschütze verließ.“ Im Kugelhagel Auch für die britischen Panzerbesatzungen endet die Schlacht bei Arras in einem Inferno. Sie leiden wie ihre deutschen Pendants nicht nur unter den heißen Temperaturen, sondern finden sich bald nach Angriffsbeginn auch in einem Kugelhagel feindlicher Panzer- und Flugabwehrkanonen wieder. „Während ich nach vorn ging, kam ich an den Panzern der A- und B-Kompanie vorbei und es fiel mir auf, dass sie sich weder be- 27 ARRAS 1940 „Die Geschütze der Panzer zeigten nach allen möglichen Richtungen. An einigen Panzern waren die Geschütztürme geöffnet und die Besatzungen hingen halb heraus. Sie waren verwundet oder tot.“ Ein britischer Offizier über den Anblick gefallener alliierter Panzerbesatzungen bei Arras SOLDATENSCHICKSAL: Feldgrab der Besatzung eines abgeschossenen Panzers der Wehrmacht. Bei Arras verlieren die deutschen Truppen mehr als 30 Panzer, die Alliierten doppelt so viele Foto: picture-alliance/Sammlung Berliner Verlag Archiv wegten noch schossen“, erinnert sich ein britischer Offizier. „Dann bemerkte ich noch etwas Eigenartigeres: Die Geschütze der Panzer zeigten nach allen möglichen Richtungen. An einigen Panzern waren die Geschütztürme geöffnet und die Besatzungen hingen halb heraus. Sie waren verwundet oder tot.“ Viele britische Panzerbesatzungen verbrennen bei lebendigem Leib in ihren zerschossenen Tanks. Am Ende des Tages jagen Stukas die wenigen verbliebenen Fahrzeuge. Grauen des Krieges Obwohl der erwähnte deutsche Kriegsberichterstatter seinen Bericht wie ein Heldenepos aufzieht, wird beim Lesen seiner Zeilen schnell klar, dass die Kämpfe bei Arras wenig Heldenhaftes an sich haben – vielmehr verdeutlichen sie das Grauen und die Schrecken des Krieges. 28 ENTWAFFNET: Französische Kriegsgefangene auf dem Weg zum Sammelplatz. Sie sind schlecht geführt und häufig demoralisiert; Foto aus einem Kriegserinnerungsalbum Foto: pa/akg-images Auch die französische Zivilbevölkerung leidet unter den Kämpfen. Zahlreiche Flüchtlinge verstopfen die wenigen Vormarschstraßen, Panik macht sich unter ihnen breit. Die Gehöfte und Dörfer rund um Arras werden vielfach ein Opfer der Flammen. Brüllendes Vieh irrt über die Felder, Tierkadaver verpesten die Luft. Hinzu kommt der schreckliche Durst, über den die Soldaten beider Seiten klagen. Während des Gefechts ist es kaum möglich, Trinkwassernachschub heranzuholen. Die staubige Luft brennt in den Kehlen. Stickiger Rauch und Feuer kommen hinzu. Nicht nur für die Soldaten in den ersten Linien, auch für die vielfach von den briti- schen Panzern überraschten Besatzungen der Trossfahrzeuge ist es ein Kampf um Leben und Tod. Angesichts der Leiden der einfachen Soldaten muss der Kommentar des Chefs des Generalstabs des Heeres, Franz Halder, beinahe wie Hohn anmuten. Am Abend des 21. Mai 1940 notiert er in sein Kriegstagebuch: „Die Lage an Kluges [Günther von Kluge, Oberbefehlshaber 4. Armee] rechtem Flügel kann nicht sehr ernst sein. Nur örtliche Affären (…)!“ VERGEBLICHES OPFER: Gefallene britische Soldaten bei Arras. Der alliierte Gegenschlag misslingt gegen vor allem auf taktischer Ebene überlegene Verbände von Wehrmacht und Waffen-SS Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo Die beste Strategie: jetzt im Abo lesen! Meine Vorteile im 2-Jahresabo: Ich spare 5% gegenüber dem Kioskpreis. Ich erhalte jede Ausgabe bequem und sicher frei Haus. Ich erhalte eine Top-Prämie meiner Wahl gratis dazu. * solange Vorrat reicht, sonst gleichwertige Prämie Neue Prämie Ihr Geschenk GRATIS! Buch »Geheimakte 2. Weltkrieg«* Von streng geheimen Spionagemissionen bis hin zu kürzlich freigegebenen Dokumenten aus dem Zweiten Weltkrieg – das neue, bahnbrechende Buch bringt die dunkelsten Geheimnisse des Krieges ans Licht. 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Obwohl man zahlreiche dieser Panzer unbeschädigt erbeutet, sieht die Wehrmacht davon ab, sie weiter zu nutzen Foto: Sammlung Anderson TECHNIK IM DETAIL Infantry Tank Mk II Matilda (A12) Motor, Getriebe und Antrieb hinten Fahrerplatz Leitrad Fünf Rollenwagen mit je zwei Laufrollen Trügerische Überzahl Die angreifenden Deutschen sind zahlenmäßig in der Übermacht. Sie können auf mehr als 200 Panzer zurückgreifen. Verbände der Luftwaffe stehen ebenfalls bereit. In dieser günstigen Lage weist Rommel seine schnellen Panzerkampfwagen 38 (t) an, westlich von Arras vorbeizustoßen. Sie sollen wichtige Übergänge über die Scarpe sichern, einen eher kleinen Fluss in sumpfigem Gelände. Der Kampf erscheint bereits entschieden: Wer sollte sich den bisher so erfolgreichen Panzern der Wehrmacht wirksam entgegenstellen? Doch ein genauer Blick auf das Material, das den bei Arras kämpfenden Einheiten beider Seiten zur Verfügung steht, ist äußerst aufschlussreich. Denn in den dort tobenden Gefechten treffen Panzertypen aufeinander, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. 2 Pdr QF gun (40 mm) Vickers .303 Maschinengewehr Gussturm für drei Mann 70–80 mm rundum Laufwerk durch zusätzliche Panzerplatte geschützt Frankreich setzt nach dem Ersten Weltkrieg zunächst auf langsam laufende Infanteriepanzer und riesige Durchbruchspanzer. Diese gut gepanzerten Fahrzeuge verfügen über eine nur geringe taktische Beweglichkeit. Im Jahr 1936 führt man mit dem Somua S-35 jedoch einen neuen Typ für die schnellen Kavallerie-Divisionen ein. Die Entwicklung dieses Panzers läuft seit 1934, mit diesem Fahrzeug will man eine deutlich höhere Beweglichkeit erreichen. Das Fahrwerk des S-35 ist mit einem Blattfeder-Laufwerk versehen. Diese technisch einfache Lösung ist außen an der Wanne montiert. Die Wanne ist mit gut zwei Metern recht schmal. Daher setzen die Konstrukteure einen vierteiligen hohen Panzeraufbau aus Stahlguss auf. Vorne auf dem Aufbau ist Zusätzliches „Jockey“Laufrad Foto: Sammlung Anderson D ie Lage der alliierten Verteidiger ist äußerst angespannt. Der unerwartet schnelle Vorstoß der Wehrmacht nach Westen hat sowohl Franzosen als auch Engländer förmlich überrumpelt. Als deutsche Panzerspitzen am 20. Mai 1940 die Atlantikküste bei Abbeville erreichen, sind die im Norden stehenden alliierten Truppen von ihren Versorgungslinien aus Frankreich abgeschnitten. Unter den Eingeschlossenen befindet sich praktisch das gesamte Britische Expeditionskorps. Um den weiteren Vorstoß der 7. Panzerdivision aus dem Raum südlich Arras in westlicher Richtung zu durchkreuzen, werfen die Briten mehrere Brigaden in den Kampf. Französische Verbände unterstützen ihre Verbündeten – doch zusammen verfügen sie im engeren Kampfraum über nicht einmal 90 Tanks. 80-mmFrontpanzer ein Drehturm montiert (ebenfalls Stahlguss). Er ist mit einer 47-mm-SA-35-Kanone und einem MG bewaffnet. Überforderte Fahrzeugführer Ein 190-PS-Motor treibt das gut 20 Tonnen schwere Fahrzeug an. Verglichen mit anderen französischen Panzern erreichen die Fahrzeuge nur geringfügig bessere Fahrleistungen. Als man den Panzer im Jahr 1934 erstmals entwarf, sollte die Panzerung gegen alle zeitgemäßen Panzerabwehrwaffen schützen. Nach damaligen deutschen Untersuchungen sind Wanne und Aufbau rundum mit 45 Millimetern gepanzert, der Turm zeigt frontal 55 Millimeter. Das Fahrwerk ist mit durchlaufenden Panzerplatten zusätzlich geschützt. TECHNISCHE DATEN Panzer bei Arras (Auswahl) Somua S-35 Typ Gewicht Motor Höchstgeschwindigkeit Leistungsgewicht Hauptbewaffnung Sekundärbewaffnung Panzerung Front Panzerung Seite Panzerung Heck Panzerung Turmfront Panzerung Turmseiten Besatzung Clausewitz 3/2021 Kampfpanzer 20 t Somua Otto 190 PS 37 km/h 9,5 PS/t 47-mm-SA 35 1 MG 35 mm 40 mm 35 mm 55 mm 45 mm 3 Infantry Tank Mk I Matilda (A11) Infanterie-Begleitpanzer 12 t Ford Otto 70 PS 11,2 km/h 5,2 PS/t 1 MG – 60 mm 60 mm 60 mm 65 mm 65 mm 2 Infantry Tank Mk I Matilda II (A12) Infanterie-Begleitpanzer 26 t 2 AEC Diesel, je 94 PS 24,1 km/h 7,2 PS/t 2-Pdr-QF-gun (40 mm L/52) 1 MG 80 mm 70 mm 55 mm 75 mm 65 mm 4 PzKpfw III Ausf E Kampfpanzer 19,5 t Maybach Otto 265 PS > 60 km/h (inoffiziell) 13,6 PS/t 3,7-cm-L/46,5 3 MG 30 mm 30 mm 20 mm 30 mm 30 mm 5 PzKpfw 38 (t) Ausf C Leichter Panzer 9,7 t Praga Otto 125 PS 42 km/h 12,8 PS/t 3,7-cm-L/48,7 2 MG 25 mm 15 mm 15 mm 25 mm 15 mm 4 31 ARRAS 1940 BEZWUNGENER GEGNER: Diese deutschen Soldaten posieren mit einem ausgeschalteten A11 (Matilda I). Die Fahrzeuge verfügen lediglich über eine schwache MG-Bewaffnung Foto: Sammlung Anderson 25-TONNEN-KOLOSS: Die scheinbar unzerstörbaren Matilda II erregen im Mai 1940 viel Aufmerksamkeit bei den deutschen Soldaten und sind ein gefährlicher Gegner auf dem Schlachtfeld von Arras Foto: Sammlung Anderson Die Besatzung des Fahrzeugs besteht aus drei Mann. Der Fahrzeugführer ist im Ernstfall zwangsläufig oft überfordert. Er muss nämlich nicht nur den Panzer führen, sondern auch noch die Waffen bedienen. Der Funker reicht ihm die Munition hoch. In Nordfrankreich steht Mitte Mai nur noch eine französische Panzereinheit, die mit dem Somua S-35 ausgestattet ist. Während der vorangegangenen Kämpfe um Cambrai hat sie bereits einen Großteil ihrer Panzer eingebüßt. Die verbliebenen Fahrzeuge teilt man anschließend auf verschiedene Infanteriedivisionen auf. Für den alliierten Gegenangriff bei Arras sind somit nur wenige Somua S-35 verfügbar. Lahme A11 Matildas Auch Großbritannien baut seine Streitkräfte in den 1930er-Jahren basierend auf der scheinbar bewährten Kampfdoktrin des Ersten Weltkriegs aus. Grundsätzlich fährt man zweigleisig: Die Infanterie soll Unterstützung durch einen spezialisierten, langsam fahrenden Panzer (Infantry Tank) erhalten. Die Kavallerie-Einheiten nutzen beweglichere Typen, die Cruiser Tanks. Gegen Mitte der 1930er-Jahre entwickelt man ein schwer gepanzertes Begleitfahrzeug, den Infantry Tank Mark I (A11), besser bekannt als Matilda (I). Da nur zwei Mann Besatzung vorgesehen sind, legt man Wanne und Aufbau sehr schmal aus. Das Fahrzeug ist mit rundum 60 Millimetern Panzerung sehr gut geschützt. In einem kleinen Stahl- 32 guss-Turm ist ein einzelnes Maschinengewehr eingebaut. Der Panzerführer bedient die Waffe. Ein handelsüblicher Ford-V8-Motor mit einer Leistung von 70 PS treibt das Fahrzeug an. Mehr Leistung erscheint nicht nötig, da er lediglich einen Infanterieangriff begleiten soll, wozu eine Geschwindigkeit von 13 km/h als ausreichend erscheint. Bis 1939 werden 140 Matilda gebaut. Bereits im Jahr 1936 scheinen die Verantwortlichen zu ahnen, dass das Konzept des A11 für einen möglicherweise kommenden Krieg nicht überzeugen wird. Zwar weichen die Militärs nicht von der grundsätzlichen Trennung zwischen Infantry Tank und Cruiser Tank ab, jedoch fordern sie nun neben einer guten Panzerung auch eine bessere Beweglichkeit sowie eine effektivere Bewaffnung. Daher beginnt parallel zur Produktion des A11 der Entwurf eines Nachfolgers, des A12. Dieser neue Panzer ist nicht mit dem A11 vergleichbar. Um den Turm mit drei Mann Besatzung aufnehmen zu können, entwickelt die Industrie eine deutlich breitere Wanne. VERSTÄRKT: Als reines Unterstützungsfahrzeug entwickelt, ist der Panzerkampfwagen IV ursprünglich nur schwach gepanzert. Schnell setzt ein Umdenken ein – der Panzerschutz wird auf 30 Millimeter erhöht Foto: NARA Abprallende Pak-Granaten An dieser sind zwölf kleine Laufrollen an außen angebrachten Doppelrollenwagen montiert, die durch horizontale Schraubenfedern abgefedert werden. Zur Unterstützung der vorderen Leiträder und um die Kletterfähigkeit zu verbessern, sind vorne zwei weitere Laufrollen montiert. Die Antriebskomponenten liegen hinten. Zwei Motoren mit einer Leistung von insgesamt 190 PS treiben den Panzer an. Die Beweglichkeit ist wie beim A11 gering. Auf Straßen erreicht der A12 maximal 26 km/h, im Gelände sind es 14 km/h. TECHNIK IM DETAIL PzKpfw 38 (t) Ausf C Panzerführerkuppel 3,7-cm-KwK L/48,7 1 MG Panzerung Turmfront und Seiten 30 mm Seitliche Panzerung 15 mm Ausstiegsluken für Fahrer Praga-Motor hinten Ein MG für Funker Die Panzerung ist sehr stark, sie erreicht bei Wanne, Aufbau und Turm rundum bis zu 80 Millimeter. Wie beim S-35, schützen seitlich angebrachte Panzerplatten das Fahrwerk. Der Turm trägt ein 40-mm-Geschütz (2-PdrQF-gun) sowie ein MG. Die Besatzung besteht aus vier Mann, drei davon sitzen im Turm. Die Einsatzbereitschaft des Panzers leidet unter den brüchigen Kettenbolzen. Schon harte Lenkmanöver oder Artilleriesplitter können zur Bewegungsunfähigkeit führen. Wie der A11 erhält auch der A12 die Bezeichnung Matilda (II). Zu den Verbänden, die Rommels 7. Panzerdivision und die SS-Division „Totenkopf“ bei Arras angreifen, zählt das 7th Royal Tank Regiment. Diese Einheit verfügt am 21. Mai 1940 noch über 23 Matilda A12 und 58 Matilda A11. Auf deutscher Seite legt man deutlich mehr Wert auf die operative Beweglichkeit der Panzer. Mit dem Panzerkampfwagen III (PzKpfw III) führt die Truppe ein Fahrzeug ein, das mit einem 3,7-cm-Geschütz den Kampf Panzer gegen Panzer bestreiten soll. Verglichen mit Matilda II und S-35 ist die Panzerung deutlich schwächer. Sie beträgt frontal und seitlich 30 Millimeter. Das Fahrwerk hingegen ist ungleich leistungsfähiger. Sechs Laufrollen mit Torsionsfedern pro Seite erlauben eine signifikant höhere Geschwindigkeit im Gelände. Die Federn dämpfen zudem besser, was die Nickbewegungen mindert. Auf festen Straßen erreichen die Fahrzeuge ebenfalls eine höhere Dauer- und Höchstgeschwindigkeit. Dies ist auch auf das bessere Leistungsgewicht zurückzuführen. Bei einem Gewicht von unter 20 Tonnen baut man einen Maybach-Motor mit 265 PS ein. Bei Arras steht der Wehrmacht auch der PzKpfw 38 (t) in größerer Zahl zur Verfügung. Dieser leichte Panzer ist ebenfalls mit Clausewitz 3/2021 Getriebe und Antrieb vorne Frontpanzerung 25 mm einem 3,7-cm-Geschütz ausgestattet und damit geeignet, den PzKpfw III in den Panzerdivisionen zu ergänzen. Zu Beginn des Frankreichfeldzuges im Mai 1940 sind so drei der zehn deutschen Panzerdivisionen mit den „Tschechen-Panzern“ ausgestattet. Zu Beginn der Kämpfe im Westen verfügt auch Rommels 7. Panzerdivision über 91 PzKpfw 38 (t) sowie 24 PzKpfw IV. Hinzu kommen knapp 100 PzKpfw I und II mit geringem Kampfwert in einer Panzerschlacht. Der PzKpfw IV gilt zu dieser Zeit noch als Unterstützungspanzer. Er ist nicht für den direkten Kampf gegen Panzer vorgesehen. Seine kurzkalibrige 7,5-cm-Kampfwagenkanone ist nicht sehr treffsicher. Feindpanzer können im Notfall mit Explosivoder einfachen panzerbrechenden Geschossen bekämpft werden. Grundsätzlich ist der Panzer technisch mit dem PzKpfw III vergleichbar. Das Fahrwerk ist einfacher ausgelegt. Auf jeder Seite sind acht kleine Laufrollen an Rollenwagen mit Blattfederpaketen montiert. Andere Liga Unter den Bedingungen der überraschend entflammenden Schlacht um Arras ergibt sich ein unklares Bild: Die angreifenden Briten und Franzosen scheinen waffentechnisch überlegen zu sein. Doch wie kann Rommel dem Gegner widerstehen und seine Attacke abweisen? Denn die Panzerung der britischen A11 und A12 (Matilda I und II) erweist sich als nahezu unüberwindlich für die deutschen Foto: Sammlung Anderson Starke Panzerung Große Laufrollen paarweise blattgefedert Panzerkanonen. Die 3,7-cm-Granaten prallen einfach ab, auch auf kürzeste Entfernung ist es für die Panzer der 7. Panzerdivision nicht möglich, die Briten-Panzer wirksam zu bekämpfen. Auch können die Briten mit dem 40-mm-Geschütz des Matilda II deutlich früher mit dem Wirkungsfeuer beginnen. Das gilt umso mehr für den französischen S-35, dessen 47-mm-Kanone in einer anderen Liga spielt. Auch die alliierten Panzerjäger nutzen diese Kaliber und stellen somit eine erhebliche Gefahr für die offensiv vorgehenden deutschen Panzer dar. Rommels blaues Auge Nachdem der britische Gegenschlag den deutschen Vorstoß zeitweilig zum Halten bringt, macht sich auf deutscher Seite in den Führungskreisen Unruhe breit. Rommel muss reagieren, um die kritische Situation zu überwinden. Seine Panzer liegen weit vorne, leicht westlich von Arras. Diese müssen angesichts der angreifenden Matildas nun ausweichen. Gleichzeitig ist die eigene Artillerie bedroht. In dieser Lage verlegt man schwere 8,8-cm-Flugabwehrkanonen nach vorne. Rommel und sein Adjutant weisen den Kanonieren persönlich die Ziele zu. In Zusammenarbeit mit der Divisionsartillerie gelingt es, den Vorstoß der schwer gepanzerten britischen Panzer zusammenzuschießen. Der Panzerschock im Westen endet so mit einem blauen Auge für die deutschen Truppen. Thomas Anderson, Jahrgang 1958, ist als Freier Autor tätig. 33 KRIEGE, KRISEN & KONFLIKTE | WINTERKRIEG 1939/40 Der Winterkrieg 1939/40 WEISSER TOD UND ROTE FLUT Ende 1939: Finnlands größter Albtraum wird wahr, als die Rote Armee das Land überfällt. Hoffnungslos unterlegen, scheint das Schicksal des skandinavischen Landes besiegelt zu sein, als plötzlich etwas Erstaunliches geschieht: Die sowjetische Offensive läuft sich unter hohen Verlusten fest Von Stefan Krüger 34 GEGEN JEDE CHANCE: Die Finnen kämpfen gut und effektiv – dass der große Nachbar im Osten die kleine Nation am Ende regelrecht niederdrückt, ist keineswegs ehrenrührig: Die Skandinavier haben sich mit Händen und Füßen gewehrt und ihre Haut teuer zu Markte getragen Abb.: picture alliance/ akg-images orgfältig klopft Simo Häyhä den Schnee vor seinem Deckungsloch fest. Verspielt sieht das aus; er wirkt beinahe wie ein Kind, das sich eine Schneeburg baut – wenn da nicht das Scharfschützengewehr wäre. Trotz der arktischen Kälte stopft er sich eine Handvoll Schnee in den Mund. Nicht weil er Durst hat, sondern um zu verhindern, dass sein Atem kondensiert und verräterische Wölkchen bildet wie eine Dampflok. Nun heißt es warten, und zwar hochkonzentriert. Er muss sich dabei auf seine guten Augen verlassen, denn ein Zielfernrohr benutzt er im Gegensatz zu vielen anderen Scharfschützen nicht. Das hat den Vorteil, dass er den Kopf niedriger halten kann. Dann, nach vie- S Clausewitz 3/2021 len Stunden, blitzt es in der Ferne plötzlich auf. Häyä lächelt grimmig. Das ist der zweite Grund, warum er kein Fernrohr benutzt: Es reflektiert das Sonnenlicht. Nun geht alles ganz schnell. Er visiert über Kimme und Korn, drückt ab und trifft. Sein Gegner, der gefürchtete feindliche Scharfschütze, der bereits drei Kameraden auf dem Gewissen hat, ist tot. Doch der Krieg geht weiter. Finnischer Freiheitskampf Wie so viele andere Übel aus der Zeit von 1939 bis 1945 reichen auch die Wurzeln des Winterkrieges ziemlich genau 20 Jahre zurück – bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs, als sich Finnland für unabhängig erklärt. Der Erste Weltkrieg sorgt zunächst für eine trügerische Ruhe im hohen Norden, bis im November 1917 die Oktoberrevolution das alte Regime in Russland hinwegfegt und die Bolschewiki an die Macht bringt. Finnland, bislang ein Bestandteil des Zarenreiches, packt die Gelegenheit beim Schopf und erklärt sich für unabhängig. Zu seinem großen Glück hat Sowjetrussland alle roten Hände voll damit zu tun, die „Weißen“ zu bekämpfen und akzeptiert Finnlands Selbstständigkeit – vorerst. Dafür bricht im Inneren des Landes ein Bürgerkrieg aus, als linke Kräfte einen Umsturzversuch unternehmen. Die „Weißen“ können den Aufstand jedoch niederschlagen 35 WINTERKRIEG 1939/40 KARTE Finnland von 1939 bis 1947 und die finnischen Sozialisten nach Sowjetrussland scheuchen. Die Tatsache, dass Moskau die Rebellion unterstützt hat, belastet die Beziehungen schwer. Aber auch die Finnen tragen ihren Teil dazu bei, als bewaffnete Nationalisten die Grenze überschreiten, um Ostkarelien zu annektieren. Zwar kann Helsinki seine allzu forschen Landsleute zurückrufen, doch herrscht fortan eine Art Kalter Krieg zwischen Finnland und der UdSSR. Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich 36 Es mag erstaunlich klingen, doch ist es tatsächlich das kleine Finnland, das die besseren Karten in der Hand hält. Hinter dem Winzling steht nämlich der größte Teil der Weltgemeinschaft, während die Sowjetunion mit Großbritannien, Deutschland, den USA und Japan von potenziell feindlichen Staaten umgeben ist, die scheinbar nur darauf warten, das sowjetische Experiment gewaltsam zu beenden. Aus diesem Grund muss Stalin seine expansiven Gelüste zügeln – noch. Denn mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verliert Finnland seine wichtigste Trumpfkarte und Moskau zögert keine Sekunde. Ab dem 17. September 1939 marschiert die Rote Armee in Ostpolen ein, während Estland, Lettland und Litauen de facto ihre Souveränität aufgeben und ihre Tore für die Rotarmisten öffnen. Und nun ist Finnland an der Reihe. Stalin geht es vor allem darum, das strategische Vorfeld zu sichern – und praktischerweise ist dieses nahezu identisch mit den Grenzen des alten Zarenreiches. Was Finnland betrifft, möchte Moskau vor allem Leningrad und den Zugang zur Ostsee sichern. Die sowjetischen Unterhändler fordern Helsinki daher auf, die gemeinsame Grenze auf der karelischen Landenge deutlich nach Norden zu verschieben. Außerdem soll Finnland einen Teil seiner Ostsee-Inseln abtreten und die Halbinsel Hanko für 30 Jahre an die UdSSR verpachten. Besonders pikant: Die Finnen sollen obendrein sämtliche Befestigungsanlagen auf der Landenge schleifen. Helsinki lehnt ab und mobilisiert stattdessen seine Streitkräfte. Die finnische Führung weiß, dass sie langfristig keine Chance hat, der Roten Armee standzuhalten, doch gibt sie sich der Illusion hin, dass es sich bei den sowjetischen Muskelspielen nur um einen Bluff handelt. Hintergrund ist die Einsatzbereitschaft der Rotarmisten, die die Finnen als sehr gering einschätzen, insbesondere seit den stalinistischen Säuberungen. Am 26. November inszeniert Moskau einen Grenzzwischenfall, bei dem angeblich vier sowjetische Soldaten ums Leben kommen. Ein „erboster“ Molotow verlangt, dass sich Finnland entschuldigt – und dass es sei- Bilder: picture alliance/akg-images, außer wenn anders angegeben Stalin schlägt zu Erdrückende Übermacht ne Truppen um bis zu 30 Kilometer von der Grenze zurücknimmt. Finnland indes bestreitet, für den Vorfall verantwortlich zu sein, worauf Moskau zunächst den Nichtangriffspakt kündigt und am 28. November die diplomatischen Beziehungen abbricht. Der Krieg steht nun unmittelbar bevor. David gegen Goliath Die sowjetischen Strategen sind erstaunlich optimistisch. So hoffen sie, dass der Krieg kaum länger als zwei Wochen dauern wird. Außerdem zerbrechen sie sich allen Ernstes den Kopf darüber, was passiert, wenn die eigenen Soldaten zu weit nach Westen vorstoßen und aus Versehen die Grenze nach Schweden überschreiten. Der schnelle Erfolg in Ostpolen nur wenige Wochen zuvor scheint ihnen Recht zu geben. Sie übersehen jedoch, dass die Zeit des Großen Terrors (1936–38) vor allem die Rote Armee schwer getroffen hat – Stalin hat seine eigenen Streitkräfte schlichtweg enthauptet und was an Generälen und Stabsoffizieren nachrückt, ist ein Musterbeispiel für eine negative Auslese innerhalb eines totalitären Systems. Die Führungsmängel kollidieren zudem sehr unglücklich mit dem zweiten großen Problem des Finnland-Feldzuges: Das Land ist für eine moderne Armee weitestgehend unpassierbar. Entweder muss sie durch dichten Urwald marschieren oder durch unergründliche Sümpfe stapfen. Befestigte Wege hingegen sucht man meist vergeblich. Es Clausewitz 3/2021 scheint, als hätte man dieses Land gezielt „erschaffen, um eine angreifende Streitmacht zur Verzweiflung zu bringen.“, wie ein zeitgenössischer Kriegskorrespondent schreibt. Lediglich die karelische Landenge, der direkte Weg von Leningrad über Viipuri (Wyborg) nach Helsinki, ist besser erschlossen. Und genau hier setzen die Sowjets zum Hauptstoß an. Ihre Offensivkräfte umfassen rund 425.000 Mann (in der Spitze sogar bis zu 760.000). Hinzu kommen 2.500 (später über 6.500) Panzer und 3.880 Flugzeuge. Diesem NICHT GEGEN, SONDERN MIT DEM WETTER: Die Finnen verwenden von Anfang an Skier und weiße Schneeanzüge – etwas, das die Sowjets später übernehmen. Außerdem verfügen die Skandinavier über eine hervorragende Feindaufklärung (siehe dazu Clausewitz 2/2021) Klotz stellen sich zirka 300.000 Finnen, 32 Panzer und 114 Flugzeuge entgegen. Die Sowjets untergliedern ihre Kräfte in vier Armeen, wobei die südlichste, die 7. Armee, den wichtigsten Auftrag erhält: Mit TECHNIK IM DETAIL Das Maschinengewehr 08 Ein MG 08 kann über einen langen Zeitraum zuverlässig mit hoher Geschwindigkeit auf den Gegner feuern Ein Nachteil ist das hohe Gewicht von 26 kg – mit Schlitten und Lafette bis zu 60 kg. Beim Nachfolgemodell 08/15 wird das Gewicht auf 18 kg reduziert Kaliber 7.92 x 57 mm Mauser Feuergeschwindigkeit von bis zu 450 Schuss/Minute Effektive Schussweite von 2.000 Metern und mehr Das MG 08 ist ein wassergekühlter Rückstoßlader Munitionsgurt für 250 Patronen ALT, ABER ZUVERLÄSSIG: Dieses im Winterkrieg-Museum in Suomussalmi ausgestellte Maxim MG 08 kommt im finnischen Krieg gegen die UdSSR zum Einsatz. Die bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Waffe gehörte zu den am häufigsten eingesetzten MG des Ersten Weltkrieges Abb.: picture alliance/akg-images/Sammlung Foedrowitz 37 WINTERKRIEG 1939/40 250.000 Mann soll sie die Mannerheim-Linie durchbrechen und nach Viipuri vorstoßen. Die 8. Armee wiederum hat die Aufgabe, die 7. zu unterstützen, indem sie nördlich des Ladogasees in den tiefen Rücken der Mannerheim-Linie eindringt. Die 9. Armee tritt zugleich in Zentralfinnland an, während die 14. im äußersten Norden den Eismeerhafen von Petsamo einnehmen soll. Die Operationen der beiden letztgenannten Armeen sollen den Gegner vor allem dazu verleiten, seine Kräfte zu zersplittern. Außerdem verfolgt die 9. Armee das ambitionierte Ziel, Finnland wie mit einer Sichel in zwei Hälften zu zerschneiden. Wie vermag Finnland den russischen Bären zu stoppen? Die gemeinsame Grenze ist viel zu lang und die Armee viel zu klein, als dass die Finnen jeden Quadratmeter Taiga verteidigen könnten. Den vorübergehenden Verlust von Nord- und Mittelfinnland können sie zudem verkraften, nicht jedoch eine Niederlage auf der karelischen Landenge. Knacken die Sowjets die Mannerheim-Linie, sind Viipuri und Helsinki kaum noch zu halten. Also konzentriert der finnische Oberbefehlshaber Carl Gustav Emil Mannerheim das Gros seiner Kräfte in eben dieser Region – insgesamt sechs Divisionen mit 130.000 Mann. Zwei weitere Divisionen sollen nördlich des Ladogasees Flanke und Rücken der Mannerheim-Linie decken. In Zentral- und Nordfinnland steht die sogenannte „Nordfinnland-Gruppe“, ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der den Vorstoß des Gegners nur verzögern soll. Es ist jedoch nicht nur die quantitative Unterlegenheit, die den Finnen zu schaffen macht. Es fehlt darüber hinaus an schweren Waffen, insbesondere eine moderne Panzerabwehr. Und selbst dort, wo sie vorhanden NATÜRLICHES BOLLWERK: Die Finnen sind den Sowjets an Truppen und Kampfgerät massiv unterlegen – aber sie nutzen das sumpfige und waldige Terrain perfekt, um den Gegner trotzdem aufzuhalten. Das Bild zeigt finnische Frontsoldaten während des Winterkrieges 1939/40 38 HINTERGRUND Stalins Nemesis im Norden: Carl Mannerheim Der Abwehrkampf der Finnen ist untrennbar mit dem Namen ihres Oberbefehlshabers verbunden. Carl Gustav Emil Mannerheim kommt am 4. Juni 1867 als Sohn einer begüterten Familie zur Welt, die zur schwedischen Minderheit in Finnland gehört. Nach seinem Abitur macht er rasch beim zaristischen Militär Karriere (Finnland gehörte bis 1917 zum Russischen Reich) und steigt 1911 gar zum Generalmajor auf. Nach der Oktober-Revolution kehrt er nach Finnland zurück und übernimmt den Oberbefehl über die „weißen“ Truppen. Der Kampf gegen die „Roten“ macht Mannerheim einerseits außerordentlich populär, andererseits leidet sein Ruf, als sich herausstellt, wie brutal seine Männer teilweise mit gefangenen Gegnern umspringen – bis hin zum Massenmord. Im Jahr 1919 übt er für wenige Monate das Amt des Reichsverwesers aus, ehe im Juli die Präsidentschaftswahlen stattfinden, an denen er als Kandidat teilnimmt. Mannerheim unterliegt jedoch seinem liberalen Herausforderer. ist, wissen die Finnen kaum mit ihr umzugehen. Noch gravierender ist der Munitionsmangel. So reichen die Vorräte schätzungsweise für neun Tage, vielleicht auch für 16, wenn die Männer nicht aus lauter Nervosität auf jeden Feldhasen schießen. Glücklicher- Als 1939 der Winterkrieg ausbricht, übernimmt der 72-Jährige den Oberbefehl. Ebenso im Jahr 1941, als Finnland an der Seite Deutschlands in den Krieg gegen die Sowjetunion eintritt. Zwar achtet Mannerheim darauf, dass sich Finnland nicht zu sehr in den Russlandfeldzug verstrickt (Finnland beteiligt sich beispielsweise nicht am Kampf um Leningrad), dennoch gerät das Land spätestens 1944 in den Mahlstrom des Krieges, als die Sowjetunion auch im hohen Norden zu Großoffensiven ansetzt. Mannerheim, der am 4. August 1944 zum Präsidenten gewählt wird, schließt daher am 24. August einen Waffenstillstand mit Stalin. Er stirbt 1951. DER PFAHL IN STALINS NÖRDLICHER FLANKE: Mannerheim gilt als finnischer Nationalheld und Retter des Vaterlandes Fotos (2): picture alliance/akg-images weise verwenden sie dieselben Gewehre wie ihre sowjetischen Gegner, sodass sie immerhin deren Munition nutzen können. Mit Baumstämmen gegen Panzer Angesichts der krassen Unterlegenheit und der gravierenden Rüstungsmängel ist klar, dass die finnische Verteidigung erheblich von der Mannerheim-Linie abhängt. Die sowjetische Propaganda stilisierte diese später zu einem atemberaubenden Wunderwerk aus Stahl und Beton, sozusagen die Maginot-Linie Skandinaviens – nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Die nach dem finnischen Oberbefehlshaber benannte Stellung besteht zumeist nur aus Laufgräben und Unterständen, die die Finnen mit Holzstämmen verstärkt haben. Lediglich im Raum Viipuri, dem wichtigsten Abschnitt, finden sich Stahlbetonbunker, jedoch nur alle 1.000 Meter. Für die Sowjets gerät indes bereits der Vormarsch zu einer einzigen Quälerei, und es dauert bis zum 16. Dezember, ehe der Sturm auf die Mannerheim-Linie beginnt. Die Rote Armee schlägt gleichzeitig im Osten der Landenge bei Taipale und im Westen bei Summa zu, doch verebben die Vorstöße Finnen im Vorteil VORSICHTIGES VORRÜCKEN: Rotarmisten durchqueren 1939 einen finnischen Wald – überall können die tödlichen Scharfschützen des Gegners lauern: Männer wie Simo Häyhä Abb.: akg-images/Archive Photos RUSTIKAL, ABER EFFEKTIV: Die Finnen versuchen mit ihren begrenzten Mitteln das Möglichste, um die übermächtige Rote Armee aufzuhalten – in einfachen Lauf- und Schützengräben (wie die hier in Joensuu restaurierten) stellen sie sich mutig zum Kampf Abb.: akg-images/Jürgen Sorges rasch im Abwehrfeuer der Finnen. Lediglich am 19. Dezember brechen rund zwei Dutzend Panzer in einem Sumpfgebiet nahe Summa durch. Die Finnen reagieren darauf genauso wie die deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg: Sie lassen die Panzer unbehelligt an ihren Stellungen vorbeirollen und schlagen anschließend den Infanterieangriff ab, bevor sie sich die Tanks vornehmen – und zwar mit denkbar rustikalen Mitteln. So rammen die Finnen Baumstämme in die Laufwerke, um diese zu blockieren. Ferner schleudern sie mit Benzin und hochprozentigem Alkohol gefüllte Flaschen auf die Kampfwagen – eine Methode, die sich als erstaunlich effektiv erweist. Um ihn zu verhöhnen, benennen die Finnen ihre Brandsätze nach dem sowjetischen Außenminister: Molotov-Cocktail. Davon unbeeindruckt peitschen die politischen Kommissare ihre Soldaten immer wieder nach vorne – jedes Mal mit demselben Ergebnis. Irgendwann sind es sogar die hartgesottenen Rotarmisten leid, sich wie Schlachtvieh zum Metzger führen zu lassen, und verweigern teilweise die Befehle. Die Führung erkennt, dass es so nicht weitergeht, und stellt ihre Attacken am 22. Dezember ein – zumindest vorläufig. Tausend Nadelstiche Die Finnen atmen auf – und werden übermütig. Nur einen Tag später treten sie bei Summa zum Gegenstoß an, in der Hoffnung, gleich drei sowjetische Divisionen einkesseln zu können. Das ist reichlich ambitioniert angesichts der mangelhaften Ausrüstung und die Finnen scheitern rasch. Den vergeblichen Versuch bezahlen 1.300 Mann mit dem Leben. Seinen Abwehrerfolg im Süden kann Mannerheim jedoch nur erringen, indem er die anderen Fronten entblößt. Was das bedeutet, bekommen die beiden einsamen finClausewitz 3/2021 Womit Mannerheim allerdings nicht genischen Divisionen nördlich des Ladogasees zu spüren, als plötzlich die gesamte 8. sowje- rechnet hat, ist der Aufmarsch der 9. Armee tische Armee anrollt, die den Finnen dreifach in Zentralfinnland. Die erste Etappe des überlegen ist (hinsichtlich der Artillerie sogar Großverbandes, die den Auftrag hat, Finnfünffach). Die Verteidiger geraten angesichts land in zwei Teile zu spalten, ist die Kleinder Übermacht in Panik und ziehen sich has- stadt Suomussalmi. Zwei sowjetische Divitig zurück. Rasch wechselt Mannerheim den sionen stapfen über die schlechte Straße gen verantwortlichen Befehlshaber aus, doch Westen, während ihnen die Finnen anfangs kann auch der neue keine zusätzlichen Kräfte lediglich „lokale Kräfte“, im Grunde reine herbeizaubern. Halt finden die Skandinavier Bürgersoldaten, entgegenwerfen. Diese vererst auf einem Höhenzug nahe des Flusses halten sich jedoch sehr geschickt und bloKollaa. Eisern wehren die Finnen sämtliche ckieren zunächst die Vormarschstraße, um Angriffe ab – „Kollaa hält“ wird rasch zu ei- Zeit zu schinden. Denn weiter im Westen hat nem geflügelten Wort. Dass sich der sowjetische Stoß festfrisst, ist auch einem einzelnen Scharfschüt„Die Überlebenden pflegten scherzhaft zen zu verdanken: Bis zu 500 Rotarmisten soll Simo Häyhä in diezu sagen, dass das Land, das wir den Finnen sem Bereich erschossen haben. Auf nahmen, gerade ausreichte, um unsere die Frage, was er denn gefühlt hawährend des Feldzugs gefallenen Offiziere be, wenn er abdrückte und einen und Soldaten zu begraben.“ sowjetischen Soldaten tötete, antwortete er: „Den Rückstoß.” Ein sowjetischer Offizier nach dem Krieg Die Rote Armee hat in dieser nur schlecht erschlossenen Region große Probleme, vorwärts zu kommen. Die Finnen hingegen nutzen ihre Orts- Mannerheim noch die 9. Division unter kenntnis und ein denkbar einfaches Mittel, Oberst Hjalmar Siilasvuo in Reserve, die er um mobil zu bleiben: Skier. Sie verharren da- nun eilig nach vorne beordert. Siilasvuo denkt jedoch nicht daran, sich eiher nicht in ihren Stellungen, sondern umgehen einzelne sowjetische Verbände und Ein- nen wüsten Stellungskrieg mit dem Angreifer heiten, schließen diese ein und reiben sie im zu liefern. Vielmehr umgeht er den Feind und günstigsten Fall auf. Den Rotarmisten wird blockiert das andere Ende der Vormarschstrahierbei auch die Tatsache zum Verhängnis, ße – die sowjetischen Divisionen sitzen in der dass sie im Gegensatz zu den Finnen keine Falle. Die Finnen spalten die sowjetischen Wintertarn-Uniformen besitzen. Und nicht Kräfte sodann in mehrere Teilkessel auf und minder überrascht es die Finnen, dass die zertrümmern diese nacheinander. Am Ende Sowjets, sobald sie eingekesselt sind, keine hat die UdSSR bis zu 9.000 Tote zu beklagen, Anstalten treffen, auszubrechen. Vielmehr Finnland rund 400. Außerdem erbeuten die igeln sie sich ein und hoffen auf Entsatztrup- Verteidiger unzählige Mengen an Kriegsmapen. Ende Dezember hat die Rote Armee terial, darunter sogar Panzer und Geschütze schließlich genug und zieht sich nach hohen – es ist der größte Sieg, den die finnische Armee in diesem Krieg erringt. Verlusten aus dieser Region zurück. 39 WINTERKRIEG 1939/40 ÜBERROLLT: Kurz vor dem Friedensschluss erobert die Rote Armee (7. Armee) noch am 12. März 1940 Viipuri – damals immerhin die zweitgrößte Stadt Finnlands. Die gesamte Zivilbevölkerung wurde vorher von den Finnen evakuiert Abb.: picture-alliance/akg-images Einen Teilerfolg kann die Rote Armee lediglich im fernen Lappland verbuchen, als Petsamo samt dem wichtigen Eismeerhafen in sowjetische Hände fällt. Der weitere Vormarsch verebbt jedoch in der nahezu ewigen Nacht des lappländischen Winters mitsamt seinen arktischen Temperaturen. Damit ist das Debakel für die Rote Armee nahezu perfekt: Sie hat kaum eines ihrer Operationsziele erreicht, dafür aber enorme Verluste verkraften müssen. Stalin reagiert und stopft die karelische Landenge mit Soldaten, Panzern und Artillerie voll – bis zu 600.000 Mann zählen die sowjetischen Streitkräfte Ende Januar 1940 in die- KAMPF UM KARELIEN: Im Fortsetzungskrieg steht Mannerheim an der Seite Hitlers. Im Hintergrund ist Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel zu sehen Abb.: picture-alliance/akg-images 40 sem Abschnitt. Um dieser Masse organisatorisch Herr zu werden, stellen die Sowjets mit der 13. Armee einen neuen Großverband auf, der sich östlich an die 7. anschließt. Die Großoffensive beginnt am 1. Februar. Insgesamt 3.137 Geschütze hämmern 24 Stunden auf die Mannerheim-Linie ein und verfeuern rund 300.000 Granaten. Und als wäre dies nicht genug, werfen auch noch gut 1.300 Kampfflugzeuge kontinuierlich ihre tödliche Last über den Finnen ab. Dennoch halten die Verteidiger stand. Die Sowjets rücken in enger Formation vor und nehmen hohe Verluste in Kauf, die Stalin jedoch ohne Weiteres verkraften kann. Für die Finnen hingegen wird die Lage allmählich dramatisch. Ihre Stellungen zerbröseln unter dem Dauerbeschuss, Ersatz für die Toten und Verwundeten kommt so gut wie gar nicht und die Artillerie hat sich nahezu verschossen und greift nur noch im äußersten Notfall ein. Am 10. Februar ist es schließlich soweit: Die Sowjets brechen im Westen bei Summa durch, sodass Mannerheim einen allgemeinen Rückzug des II. Korps anordnet. Lediglich das I. Korps im Osten hält noch stand. Ohne Reserven und ausreichend Munition ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Finnen kollabieren. Die Hilferufe des kleinen Landes verhallen indes ungehört. Lediglich Schweden entsendet Freiwillige und hilft mit Waffen und sonstigem Nachschub. Einen offenen Kriegseintritt wagen die Schweden jedoch nicht. Einziger Lichtblick scheinen Großbritannien und Frankreich zu sein, die anbieten, mehrere Zehntausend Mann nach Skandinavien zu entsenden. Dabei handelt es sich jedoch um ein Danaergeschenk: Den Alliierten, die sich mittlerweile im Krieg mit Deutschland befinden, geht es vor allem darum, Deutschland von den Erzgruben in Nordskandinavien abzuschneiden. Berlin ist sich dieser Gefahr sehr wohl bewusst – und droht den Schweden unverhohlen mit Krieg, falls Stockholm den Alliierten den Durchmarsch erlaubt. Die Schweden knicken ein. Reformen für die Rote Armee Als dieser letzte Hoffnungsschimmer endgültig verlischt, bitten die Finnen um Waffenstillstand. Am 8. März eilt eine finnische Delegation nach Moskau, die jedoch entsetzt feststellen muss, dass die Sowjets inzwischen ihre Forderungen erhöht haben. Die Finnen haben jedoch keine Wahl, der Zusammenbruch ihrer Armee steht unmittelbar bevor. Der Frieden tritt schließlich am 13. März in Kraft. Finnland verliert dabei große Teile seines Territoriums und insgesamt zehn Prozent seiner Industrie. Zudem hat Finnland 25.900 Tote und 43.500 Verwundete zu beklagen. Die sowjetischen Verluste sind umstritten. Sie dürften jedoch zwischen 320.000 und 381.000 Tote und Verwundete betragen. Darüber hinaus muss die UdSSR nahezu jeden zweiten eingesetzten Panzer, maximal 3.500, abschreiben. Viel gravierender sind jedoch die Folgen für den deutsch-sowjetischen Krieg. Denn Moskau lernt aus seinen Fehlern und beseitigt rigoros einige der größten Mängel, insbesondere beim Offizierskorps. Fest steht: Ohne diese Reformen hätte es die Rote Armee 1941 wesentlich schwerer gehabt. Insofern kann man sagen, dass die UdSSR ihr Schwert in Finnland geschmiedet hat. Stefan Krüger, Jg. 1982, Historiker aus Dasing. FUR DEN FALL DER FALLE er Wo kann d , n e Staat helf u nd w a s muss man selber tun? Viele Tipps: Geplantes und richtig es Bevor raten s tatt w ilde m „Hams tern“ Tipps, Tricks und praktische Tests zur richtigen Ausrüstung Viel Hint er grundw is se praktisch n, es Know-Ho w und alle Checklis ten Jetzt im Handel erhältlich! Eine Sonderausgabe von Bestellung (in Deutschland versandkostenfrei): www.wieland-verlag.com AKTEN, DIENSTE & SPIONE | CIA-AGENT EVERETTE HOWARD HUNT KEIN JAMES BOND: Die Hauptunterschiede zu Ian Flemmings martinitrinkendem Geheimagenten: Hunt ist Amerikaner und es gibt ihn wirklich. Und: Bond ist ein Gentleman, Hunt ist weitaus skrupelloser Abb.: Archiv Clausewitz 2007: Die Memoiren von Amerikas bekanntestem Geheimagenten erscheinen kurz nach dessen Tod. Darin beschuldigt er den ehemaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson, am Attentat an John F. Kennedy beteiligt gewesen zu sein. Hunt hat allerdings selber alles andere als eine weiße Weste Von Maximilian Bunk Der CIA-Agent everette HowArD Hunt Ein Leben am Limit 42 Die wichtigsten Daten auf einen Blick nisternd kommt die Stimme von James McCord, dem Beobachtungposten im Hoard Johnson Motel in der Virginia Avenue, aus dem Funkgerät: „Tragen einige unserer Leute eigentlich Hippie-Klamotten?“ E. Howard Hunt und sein Kollege Gordon Liddy sehen sich zunächst verblüfft an, dann antwortet letzterer ungehalten: „Natürlich nicht – unsere Jungs tragen ordentliche Geschäftsanzüge. Was soll die dämliche Frage?“ „Nun, da rennen ein paar Leute im sechsten Stock rum, einer davon trägt einen Cowboyhut, ein anderer ein Sweatshirt – und außerdem ist das Licht an …“, antwortet McCord. Hunt steht der Schweiß auf der Stirn, als er zu Liddy sagt: „Verdammt, das sind Cops! Wir müssen unsere Leute schnellstmöglich aus dem Watergate-Hotel rausholen!“ Doch dazu ist es bereits zu spät. Die vermeintlichen Hippies sind tatsächlich Polizisten in Zivil, und Hunts Einbruchs-Team ist beim Einstieg in die Büros des Democratic National Committees überrascht worden. Jetzt geht es nur noch darum, den Schaden zu begrenzen und die Spuren zu verwischen: Liddy setzt sich ab und Hunt teilt McCord mit, dies ebenfalls zu tun – und auch das Überwachungsequipment aus dem Motel verschwinden zu lassen. Er selbst fährt direkt ins Weiße Haus, um seine verhafteten Leute wieder freizubekommen. Es ist der frühe Morgen des 17. Juni 1972 – und der Beginn des Skandals, der weltweit als die „Watergate-Affäre“ Schlagzeilen machen wird. Für Hunt hingegen ist die Verwicklung darin der Anfang vom Ende einer langen Spionagekarriere, die so unglaublich ist, dass sie eigentlich nur wahr sein kann … K Oktober 1918: Geburt im US-Bundesstaat New York 1940: Eintritt in die U.S. Navy (Reserve) Februar 1942: Eintritt in die U.S. Naval Academy, Dienst auf dem Zerstörer Mayo 1942: Beginn der Schriftsteller-Karriere – Hunt schreibt insgesamt über 70 Bücher Oktober 1949: Eintritt in die CIA 1954: Staatsstreich in Guatemala April 1961: Invasion in der Schweinebucht, Kuba 22. November 1963: Kennedy-Attentat in Dallas Mai 1970: Hunt verlässt die CIA und arbeitet ab 1971 für das Weiße Haus 17.6.1972: Beginn der Watergate-Affäre 23.01.2007: Tod durch Lungenentzündung Mai 2007: Veröffentlichung der Memoiren tos sind sein erster Ausflug in die Welt der Spionage. Vom Ausbruch des Krieges erfährt Hunt, als er gerade in Harry’s New York Bar in Paris ein Bier trinkt. Er meldet sich schnurstracks zur Reserve der U.S. Navy und wechselt kurz darauf an die Naval Academy in Annapolis, wo er einen Schnellkurs in Navigation und See-Artillerie erhält – das nächtliche Lesepensum beträgt über 400 Seiten. Hunt dient als Assistant first Lieutenant auf dem Zerstörer Mayo im Atlantik, wo das Schiff im Begleitschutz gegen deutsche UBoote kämpft. Wegen eines Unfalles – Hunt Bescheidener Beginn Zur Welt kommt Hunt 1918 in einem unauffälligen Einfamilienhaus in einem ebenso unscheinbaren Vorort von Buffalo. Er verlebt eine typisch amerikanische Jugend der oberen Mittelschicht und schreibt sich im Sommer 1936 – er spricht beinahe fließend Latein – in die Brown University ein, um Philosophie zu studieren. Während einer Schiffsreise mit Kommilitonen entlang der Küste Norwegens hat er die Möglichkeit, einen deutschen Zerstörer zu besichtigen: Hunt macht an Bord heimlich Aufnahmen und stellt sie 1942 der U.S. Navy zur Verfügung. Diese Fo- Clausewitz 3/2021 fällt während eines Angriffes bei starkem Wellengang von den überfrorenen Stufen einer Leiter aufs Deck – muss er die Marine verlassen und hat nun Zeit, seinen ersten Roman zu schreiben, der ein fiktionalisierter Tatsachenbericht seines Kriegseinsatzes ist. Die Verkaufszahlen sind zwar mager, aber das Buch bringt Hunt immerhin einen Job als Mitarbeiter eines Filmstudios ein, das Trainingsfilme für die Navy herstellt. Bis zum Sommer 1943 verdingt er sich dann als Kriegsberichterstatter für das Life Magazine auf dem asiatischen Kriegsschauplatz – und betätigt sich dort als Journalist nicht nur aktiv an Bombereinsäten (als MGSchütze, was ein krasser Verstoß gegen die Genfer Konventionen ist), sondern lernt auch das Fliegen. Hunt erkrankt kurzzeitig an Malaria, befindet sich ansonsten aber meist im durch hochprozentige Cocktails verursachten Vollrausch. Den Rest des Krieges verbringt er bei der Army Air Force als Intelligence Officer – bis er eines Tages davon erfährt, dass Rekruten gesucht werden, um eine spezielle Ausbildung für den Kampf hinter feindlichen Linien zu durchlaufen. Hunt ist sofort fasziniert und meldet sich beim Office of Strategic Services (OSS), der Vorläuferorganisation der CIA. Mit dieser Entscheidung beginnt seine eigentliche Spionagekarriere. Geheimkrieg in Guatemala MITVERSCHWÖRER: Gordon Liddy, kurz nach dem Watergate-Ermittlungsverfahren. Hunt hält viel von Liddy, mit dem er oft zusammenarbeitet. Er gilt als hitzköpfiger Abb.: picture-alliance/dpa „Mann der Tat“ Nach dem Krieg ist Hunt zunächst in China stationiert, wo er Dorothy Wetzel kennenlernt und heiratet. 1949 richtet er das erste CIA-Auslandsbüro ein – und zwar in Mexico City. Lateinamerika wird das erste „Schlachtfeld“, auf dem Hunt als CIA-Agent handfest in die lokale Politik eingreift: Er arbeitet eng mit Anastasio Somoza, dem Präsidenten Nicaraguas, zusammen und ist außerdem in 43 CIA-AGENT EVERETTE HOWARD HUNT GLÜCKLICHER CASTRO: Die CIA schickt LSD-Zigarren, Mafiakiller und sogar Jesus Christus gegen den kubanischen Diktator ins Feld. Doch der hat gut lachen: Er entgeht sämtlichen Attentatsversuchen Abb.: picture-alliance/Sven Simon verdeckte Operationen in Guatemala gegen den prokommunistischen Präsidenten Jacobo Arbenz verwickelt. Letzteres wird zu einer Art Blaupause moralisch höchst fragwürdiger CIA-Aktionen, nämlich der mehr oder weniger gewaltsamen Beseitigung unliebsamer Politiker. Diese „black operations“ hängen wie ein dunkler Schatten bis heute über der „Company” und repräsentieren die hässliche Fratze vieler Geheimdienste. Die CIA initiiert eine Propagandakampagne gegen Arbenz, ebenfalls ein gern genutztes Mittel der Mas- senmanipulation durch gezielte Desinformation. Bedenken, etwa welches Recht Amerika hat, eine gewählte Regierung zu stürzen, fegen die Verantwortlichen regelmäßig mit folgendem Argument vom Tisch: Die Sowjets manipulieren genauso – wenn wir „deren“ Politiker zulassen, dann entsteht in Südamerika ein gefährlicher kommunistischer Brückenkopf direkt vor unserer Haustür. Das Geheimdienstgeschäft ist eben ein schmutziges und zynisches und alle Seiten spielen mit gezinkten Karten und nutzen schmutzige Tricks. In Guatemala jedenfalls zieht Hunt alle Register der dunklen Propagandakunst: Antikommunistische Pamphlete werden gedruckt und an die Bevölkerung verteilt, Propagandafilme gedreht und bei freiem Eintritt in den Kinos gezeigt, eine CIA-Radiostation in den Bergen betrieben („Voice of Liberation“) und gefälschte Bilder in Umlauf gebracht, die die vermeintlichen Gräueltaten des Arbenz-Regimes belegen sollen. In Nicaragua wird hingegen eine Rebellenarmee logistisch und finanziell unterstützt. Carlos Castillo erhält von An- HINTERGRUND Der Zweck heiligt die Mittel: die CIA Die Central Investigation Agency entsteht 1947 als Nachfolgerin des OSS und bekämpft während des Kalten Krieges die UdSSR auf dem Schlachtfeld der verdeckten Operationen. Dazu gehört die finanzielle Unterstützung von Antikommunisten – egal, ob es sich dabei um Verlage, Parteien, Guerillas oder südamerikanische Diktatoren handelt. Zur psychologischen Kriegführung gehören Desinformation und Propaganda – dabei wird die Lüge meist in einem Meer aus Wahrheit versteckt. Journalisten werden bestochen und auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges platziert die CIA täglich rund 80 Mel- 44 dungen in den globalen Medien! Bücher von CIA-kritischen Autoren werden gezielt schlecht rezensiert und die Sowjetunion (später andere Gegner) mit großem medialem Aufwand diskreditiert. So wird nach dem JFK-Attentat der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ in Umlauf gebracht, um all jene medial zu brandmarken, die unangenehme Fragen stellen – also jeder, der nicht an die Oswald-Einzeltäterthese glaubt. Auch auf die Wirtschaft nimmt die CIA Einfluss, etwa in Chile gegen Präsident Allende: Angezettelte Streiks von Lkw-Fahrern sollen das Regime ins Chaos stürzen. Außerdem fälscht die CIA Banknoten und sabotiert die Infrastruktur, heute kommt noch der Cyberkrieg hinzu. Aber auch vor Attentaten schreckt man nicht zurück: Im Kalten Krieg gibt es eine Spezialabteilung dafür, den sogenannten „Gesundheits-Veränderungsausschuss“ (das KGB-Gegenstück heißt „Abteilung für feuchte Angelegenheiten“). Ein besonders düsteres Kapitel sind Sidney Gottlieb und das Projekt MK ULTRA, in dem die CIA unter anderem mit LSD experimentiert. Abb.: picture-alliance/dpa Die CIA will Castros Kopf fang bis Mitte 1954 zirka 20 Millionen US-Dollar von der CIA für seine Truppe. Im Juni 1954 wirft ein Flugzeug Zettel über ganz Guatemala ab, in denen die USA Arbenz unverhohlen ein Ultimatum stellen: Entweder er dankt ab – oder sein Land wird mit einem Bombenteppich überzogen. Um zu zeigen, dass man es ernst meint, werden für eine Woche Häfen, Flugplätze und militärische Infrastruktur bombardiert. Der CIA-eigene Radiosender kommentiert das Ganze entsprechend und unterfüttert die Aktionen mit dem notwendigen Narrativ – man muss den Menschen schließlich erklären, dass dies zu ihrem eigenen Besten geschieht. Um die Schlinge weiter zuzuziehen, kommen jetzt auch Aktionen am Boden hinzu: Castillos Rebellenarmee marschiert in Guatemala ein. Obwohl die Invasoren zahlenmäßig unterlegen sind, kann Hunt und seine „Voice of Liberation“ den Verteidigern abermals einen Bären aufbinden: Er setzt überzeugend das Gerücht in die Welt, zwei riesige Armeen würden sich unaufhaltsam auf die Kapitale, GuatemalaStadt, zubewegen. Um auf Nummer sicher zu gehen, besticht man außerdem hohe Militärs – ein Offizier soll 60.000 US-Dollar erhalten haben, damit seine Soldaten kapitulieren. Der hohe Einsatz zahlt sich politisch für die USA aus: Arbenz tritt zurück und die Amerikaner bekommen „ihren“ Kandidaten an die Macht: Carlos Castillo. gar die Mafia beauftragen, einen ihrer Killer zu schicken – doch selbst diese Profis scheitern. Welche kafkaesken Auswüchse die CIA-Gehirne hervorzubringen vermögen, demonstriert die Operation „elimination by illumination“: Das Gerücht soll verbreitet werden, Castro sei der Antichrist und Jesus würde kommen, um ihn zu stürzen. einer importierten Rebellion das herbeigeführt werden, was Gift und Auftragskiller nicht schaffen. Doch auch die Invasion in der Schweinebucht an der Südküste Kubas im April 1961 scheitert grandios. Von den von der CIA unterstützten 1.500 Exilkubanern, die Fidel Castros Regime stürzen sollen, geraten 1.200 in Gefangenschaft. Die Sieger können ihren Erfolg noch dadurch krönen, dass sie diese Gefangenen Ende 1962 gegen Waffenlieferungen im Wert von 52 Millionen Dollar wieder in die USA zurückkehren lassen. Hunt ist daran beteiligt, die Invasion vorzubereiten, was sicher kein Ruhmesblatt für Präsident Nixon über seinen ihn ist. Der Erfolg von Guaehemaligen Mitarbeiter temala lässt sich jedenfalls auf Kuba nicht wiederholen, Castro ist eine härtere Von einem U-Boot aus will man dann Nuss als Arbenz. Leuchtkugeln verschießen und eine JesusProjektion an den Himmel strahlen, um so Was geschah in Dallas? einen Aufstand loszutreten. In letzter Minute Wenn die Schweinebucht für die USA ein bläst die CIA diese absurde Schmierenkomö- peinlicher Zwischenfall ist, so kommt die Erdie ab. Dann, so die Planer, muss eben hand- mordung von Präsident John F. Kennedy fest und ganz klassisch mit Bewaffneten und 1963 in Dallas einer Katastrophe gleich – „Dieser Hunt weiß verdammt noch mal zu viel!“ Das Kubakomplott 1959 treibt sich der „Südamerika-Experte“ Hunt auf Kuba herum und soll vor Ort prüfen, ob Fidel Castro ein Sicherheitsrisiko darstellt. Der Agent kommt wenig überraschend zu dem Fazit: „Ja, tut er.“ Er schreibt einen entsprechenden Report und in Amerika kommt man zu dem Schluss, dass Castro beseitigt werden müsse. Man kann zwar viel von der CIA behaupten, jedoch nicht, dass sie fantasielos wäre: Castros Zigarren werden mit Kobragift und LSD präpariert, sein Taucheranzug vergiftet und mittels eines Enthaarungspuders soll er seines charismatischen Bartes beraubt werden – aber es hilft alles nichts, dem „Líder Máximo“ ist nicht beizukommen. Vermutlich hält der KGB seine schützende Hand über ihn, über sämtliche Attentatspläne weiß man Bescheid. Die Amerikaner sind so verzweifelt, dass sie so- Clausewitz 3/2021 EXILKUBANER GEGEN CASTRO: Präsident Kennedy genehmigt die Invasion Kubas, auch, um der Mafia (die ihn mit an die Macht gebracht hat) einen Gefallen zu tun. Die Gangster haben noch eine Rechnung mit Castro offen: Er hat ihre Spielcasinos und Immobilien verstaatlicht. Die CIA übernimmt Planung und Training der Rebellen Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto 45 CIA-AGENT EVERETTE HOWARD HUNT KURZ VOR DEN TÖDLICHEN SCHÜSSEN: Kennedy, seine Frau und der Gouverneur von Texas in der offenen Lincoln-Limousine, Minuten vor dem Attentat. Wer feuerte? Nur Oswald? Oder gib es einen zweiten Schützen? Abb.: picture alliance/REUTERS nicht nur Amerika, fast die ganze Welt ist geschockt. Offiziell wird schnell der Einzeltäter Lee Harvey Oswald präsentiert, ein Spinner mit Kontakten in die UdSSR. Doch die Hintergründe des Attentates bleiben dunkel und sind bis heute Gegenstand von Spekulationen: Warum gibt es zum Beispiel keine Verhörprotokolle? Angeblich hatten die Vernehmungsspezialisten während der mehrstündigen Befragung weder ein Tonbandgerät noch einen Stenografen zur Hand. Und warum wurde Oswald bereits zwei Tage nach dem Attentat ermordet – von dem Mafioso und Nachtclubbesitzer Jack Ruby? Auch die CIA und Hunt kommen immer wieder ins Fadenkreuz der Ermittler und TATORT: Der Watergate-Komplex in Washington. Watergate hat die Nation kollektiv traumatisiert. Hunt fällt dabei tief: Er verliert Frau und Haus, seine gut bezahlten Positionen und Beratertätigkeiten – und endet zunächst in Einzelhaft in einem „dreckigen, rattenverseuchten Gefängnis“, wie er selbst schreibt Abb.: picture-alliance/dpa 46 DIE „MAGISCHE KUGEL“: Die tödliche Kugel kommt von vorne, Oswald aber schießt von hinten. Szenenbild aus Oliver Stones Film JFK – Tatort Dallas (1991), in Stones Nixon (1995) wird Hunt von Ed Harris gespielt Abb.: picture alliance Journalisten. Gerüchte, die Hunt an der Verschwörung gegen den eigenen Präsidenten beteiligt wissen wollen, kommen schnell auf. Später, nach Watergate, behauptet Hunt, es gäbe Dokumente, die eine Verwicklung von CIA und FBI in den Mordanschlag beweisen würden. Es ist der Aufklärung wenig dienlich, dass die CIA bis heute wichtige Akten – darunter die von Hunt und William K. Harvey – unter Verschluss hält. Welche Motive der oder die Attentäter hatten, ist schwer zu beantworten, da man dazu erst den Schuldigen kennen müsste. Zur Auswahl stehen: die Kubaner, die Mafia, der Ku-Klux-Klan, Geheimdienste (inklusive der CIA) und Politiker wie der spätere Präsi- dent Johnson – oder eine beliebige Kombination aus diesen. Auf dem Sterbebett soll Hunt eine Art Beichte abgelegt und zugegeben haben, dass es sich in Dallas um ein Geheimdienstkomplott gehandelt habe … Denunziation & Desinformation Im Jahr 1970 verlässt Hunt die CIA, doch der Agent will sich noch nicht zur Ruhe setzen und Orchideen züchten. Etwa ein Jahr nach seinem Abschied arbeitet er für das Weiße Haus, genauer gesagt für das Executive Office of the President, einer Behörde, die dem Präsidenten (in Hunts Fall ist das Richard Nixon) zuarbeitet und exekutive Aufgaben wahrnimmt – also genau das Richtige für den ehemaligen Ränkeschmied. Zusammen mit Gordon Liddy ist er in der Abteilung „Special Investigators Group“ (SIG), die meist als „Klempner“ bezeichnet wird, da es ihr Job ist, die undichten Stellen in der Nixon-Administration zu finden und zu „stopfen“. Dazu gehören auch Einbrüche und das Entsorgen von belastendem Material. Als zum Beispiel 1972 Arthur Bremer während einer Wahlkampfveranstaltung einen Attentatsversuch auf den demokratischen Präsidentschaftskandidaten George Wallace unternimmt, ist Nixon schockiert – er hat Angst, dass man Bremer mit der Republikanischen Partei, also ihn, in Verbindung bringen könnte: schlechte Presse, mitten im Wahlkampf. Hunt wird beauftragt, in Bremers Apartment einzubrechen und alles verschwinden zu lassen, was einen Zusam- Artitec ® menhang zwischen dem Attentäter und Nixon herstellt. In seiner Autobiographie Undercover schreibt Hunt allerdings, dass er sich geweigert hat, diesen Job auszuführen. Ob es nun Hunt ist oder ein anderer SIGMitarbeiter: Aus Bremers Wohnung verschwinden Papiere und ob die, die das FBI später findet, schon vorher dort waren, ist unklar. Eine spätere Analyse von Hunts Schriften legt aber den Verdacht nahe, dass er in Wirklichkeit Bremers vermeintliches Tagebuch verfasst hat, um dem Anschlag ein anderes Narrativ zu geben. Ein weiteres Beispiel für die SIG-Aktivitäten ist der „Fall Ellsberg“. Daniel Ellsberg hat als ehemaliger Mitarbeiter der McNamara Study Group Einblicke in politisch höchst brisantes Material (die später sogenannten „Pentagon Papers“) – und er gibt es an die Presse weiter, die ab Juni 1973 Teile davon veröffentlicht. Darunter ist Kennedys Provokationsstrategie, die letztendlich zum Tonkin-Zwischenfall führt und Lyndon B. Johnson den gewünschten Anlass für den Krieg in Vietnam liefert. Hunt und Liddy brechen bei einem Psychiater ein, bei dem Ellsberg in Behandlung war. Sie sollen dort Material entwenden, welches die Glaubwürdigkeit des Whistleblowers untergräbt und ihn im besten Fall vor der Öffentlichkeit als einen paranoiden Irren hinstellt. Hunt ist nach wie vor an den dreckigen Spielen Washingtons beteiligt, auch wenn er keinen Dienstausweis der CIA mehr trägt. Vom Jäger zum Gejagten Die Idee für die Operation „Gemstone“ entspringt Liddys Gehirn – sie wird zu Watergate führen und damit die Karriere Hunts abrupt beenden. Liddy möchte eine Million AGENTEN-APOLOGETIK: Die 1974 erschienene Autobiografie Undercover ist spannend wie ein Thriller zu lesen. Allerdings ist der Inhalt mit Vorsicht zu genießen, denn das Buch entsteht unter dem Eindruck der Watergate-Affäre. Es ist – und das verschweigt Hunt nicht – eine reine Rechtfertigungsschrift seines oft fragwürdigen Handelns Abb.: Archiv Clausewitz Clausewitz 3/2021 Dollar, um im Rahmen dieser Operation Aktionen gegen Nixons politische Gegner durchführen zu können. Er bekommt am Ende 250.000 Dollar bewilligt und beginnt damit, die Büros der Demokratischen Partei im Watergate-Hotel zu verwanzen. Außerdem will er die dortigen Telefone wichtiger Personen anzapfen. Da diese technischen Apparaturen nicht zu funktionieren scheinen, werden am 17. Juni 1972 fünf Mitarbeiter in den Gebäudekomplex geschickt – und beim Einbruch von der Polizei gestellt. Auf Hunt kommen die Ermittler schnell, da sie bei zwei der Einbrecher seine Telefonnummer finden. Und auch die Verbindung zum Weißen Haus kann die Presse schnell herstellen. Da sich die die Schlinge um Hunt immer weiter zuzieht, beginnt er nun Nixon zu erpressen: Sollte dieser nicht Mittel und Wege finden, um ihn aus der Schusslinie zu bringen, werde er auspacken – und dann wird nicht nur sein Kopf rollen! Hunt erhält 250.000 Dollar Schweigegeld. Bei einem Flugzeugabsturz sterben Hunts Frau Dorothy, die Enthüllungsjournalistin Michelle Clark und der Abgeordnete George Collins. Ein Unfall oder eine gezielte Warnung von Hunts ehemaligen CIA-Freunden, sich mit dem erhaltenen Judaslohn zufriedenzugeben? Stimme aus dem Grab Hunt jedenfalls zügelt seine Zunge, wird wegen Einbruch und illegalem Abhören verurteilt und sitzt 33 Monate im Gefängnis. Danach wird es ruhig um ihn. Er führt einige Prozesse, meist gegen die Anschuldigung, in das JFK-Attentat verwickelt zu sein. Ansonsten schreibt er weiterhin Bücher. Wellen schlagen noch einmal seine 2007, kurz nach seinem Tod veröffentlichten Memoiren, in denen er behauptet, Lyndon B. Johnson könnte das Attentat auf Kennedy angeordnet haben, und dass daran auch CIA-Agenten (besonders William K. Harvey) mitwirkten. Außerdem taucht eine Tonbandaufnahme auf, in der Hunt diesen Vorwurf noch einmal ausspricht. Hunt bleibt Amerikas bekanntester Geheimagent – was eigentlich ein Widerspruch ist, aber die vielen Skandale und Gerichtsprozesse rücken ihn zwangsläufig ins Rampenlicht. Doch wie viel davon ist gezielte Desinformation und Inszenierung? Neue 0DVWDE 0LOLWlUPRGHOOH 6870374 -860+LJK6SHHG7UDFWRU 6870387 -86PP0¶/RQJ7RP· WUDQVSRUWPRGH 6870413 -860+LJK6SHHG7UDFWRU XQORDGLQJ 6870388 -86PP0¶/RQJ7RP· ÀULQJPRGH 6870361 -:06WX*,97DUQXQJ 6870382 -8665.9:LQWHU ,QXQVHUHP:HEVKRSÀQGHQ6LHPHKUDOV 0LOLWlUPRGHOOHLP0DVWDE %HVXFKHQ6LHZZZDUWLWHFVKRSFRPRGHU IUDJHQ6LH,KUHQ0RGHOOIDFKKlQGOHU Artitec shop.com ® M I L I T Ä R T E C H N I K I M D E TA I L Die britischen Erdbeben- und Rollbomben von Sir Barnes Wallis 1943: Eine gewaltige Flutwelle wälzte sich in der Nacht auf den 17. Mai vom Möhnesee durch das Ruhrtal bis ins Ruhrgebiet. Grund dafür war die zerstörte Staumauer, die von der Royal Air Force mit speziell entwickelten Bomben zermalmt wurde … Von Larry Porges & Maximilian Bunk DIE BOMBEN IM ÜBERBLICK Rollbombe „Upkeep“ Gebaut: 120 Stück Länge: 1,5 Meter Gewicht: 9.250 Pfund (4.196 Kg) Sprengladung (gleichwertig TNT): 8.580 Pfund Die „Dammbrecher“-Mission inspirierte den gleichnamigen Film von 1955 (The Dam Busters, deutscher Titel: Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren) Seismische Bombe „Tallboy“ Gebaut: 854 Stück Länge: 6,4 Meter Gewicht: 12.000 Pfund (5.443 Kg) Sprengladung (gleichwertig TNT): 6.760 Pfund Durch Verzögerungszünder konnte die Explosion bis zu 60 Minuten aufgeschoben werden Seismische Bombe „Grand Slam“ Gebaut: 99 Stück Länge: 8,05 Meter Gewicht: 22.000 Pfund (9.979 Kg) Sprengladung (gleichwertig TNT): 11.877 Pfund Gegen Ende des Krieges warfen die Briten 41 Bomben dieses Typs vor allem auf U-Boot-Bunker ab SCHWARZES LOCH Sowohl die „Tallboy“ als auch die „Grand Slam“ waren so konstruiert, dass sie tief in ein Ziel oder daneben eindrangen und dann erst explodierten. Die Explosion schuf oft unterirdische Krater, in welche das Zielobjekt hineinstürzte 48 VOLLTREFFER Am 12. November 1944 warfen die Briten 29 „Tallboys“ auf das vor Tromsø im nördlichen Norwegen gelegene deutsche Schlachtschiff der Bismarck-Klasse, die Tirpitz, ab. Zwei Volltreffer versenkten das gewaltige Schiff DURCH VOLLTREFFER VERSENKT: Zwei britische „Tallboys“ schlagen Ende 1944 direkt in die vor Norwegen ankernde Tirpitz ein – Deutschland verlor damit nicht nur sein größtes Schlachtschiff, sondern auch fast 1.000 Matrosen und Offiziere Abb.: picture-alliance/dpa ROLLENDER DONNER UNGEWÖHNLICHER WEG: Eine wichtige Eigenschaft der Rollbomben war der Rückwärtsdrall, den die Bombe beim Abwurf erhielt. Dieser erlaubte es den Bombern, vor der Explosion das Zielgebiet zu verlassen und sorgte dafür, dass die Bombe in einer nach vorne gerichteten Flugbahn auf ihr Ziel zuflog Abb.: FLM 2333 Die Briten griffen die im Ruhrgebiet gelegenen Talsperren der Möhne, Eder und Sorpe am 16. Mai 1943 mit „Upkeep“-Rollbomben an. Die Möhne- und Edersperren wurden schwer beschädigt, was Stromausfälle und Überflutungen zur Folge hatte. Der Angriff beeinträchtigte die Leistung der Im Ruhrgebiet gelegenen Rüstungsindustrie über mehrere Monate hinweg UPKEEP Die zylindrische Form der „Upkeep“ erlaubte ihr das Umgehen von Torpedonetzen, indem sie über eine Strecke von etwa 730 Metern immer wieder von der Wasseroberfläche abprallte, bevor sie sank und explodierte. Dadurch wurde die 9.250 Pfund schwere Bombe zu einer massiven Wasserbombe BOMBE VERSUS RAKETE: Das Bodenpersonal der Staffel No. 617 der RAF bereitet am 22. Juni 1944 eine „Tallboy“ für einen Angriff auf eine in Frankreich gelegene Abschussbasis der V2 vor Abb.: IWM CH15363 TALLBOY Barnes Wallis (siehe Seite 48) entwarf einen 50-Tonnen-Bomber, der in der Lage war „Tallboys“ und „Grand Slams“ aus einer Höhe von 13.700 Metern abzuwerfen. Dadurch hätten die Bomben vor dem Einschlag Überschallgeschwindigkeit erreicht. Das Oberkommando der RAF hatte jedoch Einwände und man verwendete stattdessen die tiefer fliegenden Maschinen vom Typ Lancaster GRAND SLAM Die „Grand Slams“ waren ebenso wie die Bomben vom Typ „Tallboy“ und „Upkeep“ mit einer Sprengladung aus geschmolzenem Torpex gefüllt. Dies war ein hochexplosiver Sprengstoff aus 42 Prozent RDX (Hexogen), 40 Prozent TNT und 18 Prozent pulverisiertem Aluminium. Dieser war um 50 Prozent stärker als TNT allein Illustration: Jim Laurier Clausewitz 3/2021 49 M I L I T Ä R T E C H N I K I M D E TA I L rei der furchtbarsten britischen Weltkriegsbomben entstammen dem Erfindungsgeist eines einzigen Mannes – nämlich dem des Luftfahrtingenieurs Sir Barnes Wallis. Bei Kriegsausbruch arbeitete Wallis in der Flugzeugfabrik Vickers und hier verfasste er auch eine Schrift, in der er sich für einen strategischen Bombenfeldzug aussprach, der die deutsche Kriegsmaschinerie lahmlegen sollte. Zu diesem Zweck empfahl er „seismische“ oder „Erdbebenbomben“: übergroße Sprengsätze, die schwer befestigte deutsche Ziele wie etwa U-Boot-Bunker, Basen von V-2-Raketen, Wasserversorgungsleitungen und Eisenbahnbrücken zerstören konnten. Gegen Ende des Krieges gingen schließlich zwei Typen seismischer Bomben in Produktion: 1944 die 12.000 Pfund (5.443 Kg) schwere „Tallboy“ und im folgenden Jahr die 22.000 Pfund DER SCHEIN TRÜGT: Auf diesem Foto von 1967 sieht Sir Barnes Wallis (1887–1979) wie ein netter älterer Herr aus. Kaum zu glauben, dass dem Gehirn dieses Briten ein paar der destruktivsten Waffen des Krieges entsprungen sind Abb.: picture alliance/John Hedgecoe/TopFoto 50 (9.979 Kg) schwere „Grand Slam“. Umgebaute viermotorige Avro Lancasters waren die einzigen Maschinen, die diese Kampfgeräte – die größten konventionellen Bomben des Zweiten Weltkriegs – transportieren konnten. Im Jahr 1942 entwarf Wallis außerdem eine völlig neue Waffe – eine Bombe, die über die Wasseroberfläche sprang wie ein glatter Stein. Der Codename dieser „Rollbomben“ war „Upkeep“ und diese fassartigen Bomben waren von ihrer Größe her ebenso beeindruckend wie die seismischen Bomben. Die Führung der RAF entwickelte einen Plan, um damit im industriell wichtigen Ruhrgebiet Sperrdämme zu zerstören. Die Lancasters bildeten erneut die Spitze des Angriffs und die Briten führten im Mai 1943 erfolgreich die bekannte Zerstörung der Talsperren im Ruhrgebiet durch. VÖLLIG VERNICHTET: Ein Kind steht vor der durch Rollbomben zerstörten Möhnetalsperre im Mai 1943. Das Vernichtungspotenzial der britischen „Superbomben“ war gewaltig – ebenso aber auch der Eifer der Angegriffenen: Bereits im Oktober war die Sperrmauer wieder aufgebaut Abb.: picture alliance/Stratenschulte GEFÄHRLICHE KOMBINATION: Eine „Fritz X“ unter dem Rumpf einer He 117 A-5. Die Aufnahme dürfte in der ersten Jahreshälfte 1944 während der entsprechenden Einsatzerprobung entstanden sein Abb.: Sammlung Wolfgang Mühlbauer Die wichtigsten Daten zur Fritz X Weitere Bezeichnungen/Namen: PC 1400, FX 1400, X-1 Einsatzzeit: 1943–1945 Verwendet von: Deutsche Luftwaffe Primär-Zweck: Bekämpfung von Seezielen Entwickler und Hersteller: Max Otto Kramer, Ruhrstahl Gebaute Einheiten: zwischen 1.400 und 2.500 Stück Gewicht: zirka 1.400 Kilogramm Länge: 3,32 Meter Geschwindigkeit: maximal 1.235 km/h Gefechtskopf: 320 Kilogramm schwerer panzerbrechender Gefechtskopf mit Amatol-Sprengstoff (Tarnname: Füllpulver) Standard-Lenksystem: Kehl-Straßburg FuG 203/230 uch Deutschland konstruierte während des Krieges einige „Spezialbomben“, darunter die als „Fritz X“ bekannt gewordene ferngelenkte Fallbombe. Der Kopf dahinter ist – analog zum Briten Barnes Wallis – der Luftfahrtingenieur Max Otto Kramer (1903–1986). Vorgänger beziehungsweise Grundlage der Fritz X war die Panzersprengbombe PC 1400 („PC“ steht für Panzerbombe Cylindrisch, und „1400“ gibt das Gewicht in Kilogramm an), die man auch als FX 1400 bezeichnete – davon leitet sich der Name „Fritz X“ des modifizierten Nachfolgers ab. Diesen statteten die Ingenieure mit einer besseren Spitze aus, gaben ihm vier Stummelflügel und eine Funksteuerung, durch die man die „Fritz X“ ins Ziel lenken konnte. Am Heck (innerhalb des Leitwerks) brachte man außerdem mehrere Leuchtsätze an, die einerseits den Bordschützen das Zielen beziehungsweise die Zielansteuerung erleichterten und andererseits durch unterschiedliche Farben eine Verwechslung ausschlossen (wenn mehrere „Fritz X“ gleichzeitig durch die Luft rasten). Alternativ konnte auch eine Drahtlenkung verwendet werden, um etwaiger Funkstörung durch den Gegner entgegenzuwirken: Die „Fritz X“ musste man dazu an eine acht Kilometer lange Drahtspule „anschließen“. Im Sommer 1943 kam die neue Waffe zur Luftwaffe. Eigentlich war sie für den Einsatz gegen Seeziele – besonders gepanzerte Kriegsschiffe – konzipiert worden. Doch sie Clausewitz 3/2021 TÖDLICHE PRÄZISION: Wo die Bomben von Wallis auf möglichst große Zerstörung setzten, stand bei der Kramer-Entwicklung Akkuratesse im Mittelpunkt – die „Fritz X“ wurde nach Sicht manuell mit einer Fernsteuerung ins Ziel geführt. Das Foto zeigt eine der Lenkbomben, vermutlich beim Lenkkommandotest im Labor Abb.: Sammlung Wolfgang Mühlbauer eignete sich ebenso, um Landziele wie Brücken oder Docks zu zerstören. Die „Fritz X“ zeigte auch im Einsatz eine sehr hohe Zielgenauigkeit und erfüllte damit die in sie gesetzten Hoffnungen – immerhin war es die erste in Serie gebaute Lenkbombe der Welt. Problematisch war jedoch die Tatsache, dass der Luftwaffe geeignete Trägerflugzeuge fehlten und dass die Alliierten die Lufthoheit besaßen. „Fritz X“ konnte daher nie ihr volles Potenzial ausschöpfen. Den größten Erfolg mit dieser Waffe errang die Luftwaffe am 9. September 1943, als eine „Fritz X“das italienische Schlachtschiff Roma versenkte. In dieser Serie u. a. bereits erschienen: Japanischer Flugzeugträger Kaga (4/2019) Amerikanischer Flammenwerfer M2-2 (5/2019) Britisches Lee-Enfield No. 4 Mk.I (6/2019) Deutsche Ju 87 B Stuka (1/2020) Das amerikanische 24-m-Patrouillentorpedoboot (2/2020) Der alliierte Panzer Duplex Drive (DD) M4 Sherman (3/2020) Die japanische Gleitbombe Ohka Typ 11 (4/2020) Das deutsche SdKfz 251 (5/2020) Der polnische Jäger PZL P.11 C (6/2020) Das sowjetische Gorjunow MG SG-43 (1/2021) Australischer Jäger CAC Boomerang (2/2021) 51 MENSCHEN & GESCHICHTEN | ERZÄHLUNG NEUE SERIE Mein Leben in der Fremdenlegion Hart, härter, Legion! 1985: Nach dem Beginn der „Ausbildung für Teufelskerle“ geht es für Thomas Gast und die anderen Rekruten kompromisslos weiter – wer den hohen Anforderungen nicht genügt, der fliegt! Die Legion wird ihrem elitären Ruf gerecht, denn hier wird niemandem etwas geschenkt. Doch das eisenharte Training ist Grundlage für den Korpsgeist, den Erfolg und das hohe Ansehen der Truppe VON THOMAS GAST Harte Schule Ich fragte den Türken, was er von mir wollte, versuchte, meiner Stimme einen festen Klang zu geben. Gleichzeitig sah ich mich nach Thompson um: nichts! Auch vom Caporal de jour (ein Obergefreiter, der für einen Tag lang für den Zug verantwortlich ist) war weit und breit keine Spur zu sehen. Erdoğans Blick fiel auf meine Stiefel. Er nickte. Seine beiden Kumpane kamen näher und näher. Ich sagte, dass ich die Stiefel bräuchte. Mein zweites Paar war beschädigt. Ich konnte damit nicht laufen. Dem Türken waren meine Einwände egal. Seine Hand schnellte vor, griff nach dem Leder, während im sel- 52 ben Augenblick sein Kumpel die Hand auf meine Schulter fallen ließ: nicht mucken! Erdoğan wollte noch etwas sagen, doch dazu hatte er keine Zeit mehr – denn Thompson stand plötzlich hinter ihm. Keiner von uns hatte ihn kommen sehen. Mit Schlachtgebrüll stürzte er sich auf den Türken. In einem wilden Durcheinander krachten sie die Stufen hinab, während Thompson mächtige Schläge nach rechts und links verteilte und dabei einen von Erdoğans Gefährten gleich mit „behandelte“. Meine Stiefel in der Rechten, kam Thompson schließlich die Stufen hoch. Er blutete an der Stirn, aber es war, wie sich nachher herausstellte, nicht sein Blut. „Egal, wie viele es sind“, sagte er, „lass niemals zu, dass dich jemand berührt, wenn du es nicht willst! Niemals, hörst du?“ Ich wollte ihm sagen, dass ich in der gegebenen Situation keine Chance gehabt hätte und dass ich wegen der Stiefel keinen Krieg anzuzetteln gewillt war! Doch ich schwieg. Später dann kam ich drei- oder viermal in ähnliche Situationen und jedes Mal beherzigte ich, was Thompson damals zu mir gesagt hatte. Und ich fuhr immer gut damit. Angriff ist manchmal wohl doch die beste Verteidigung! Ärztliche Untersuchungen folgten. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Mann, der in der Krankenstation uneingeschränkt herrschte. Obwohl er nur den Dienstgrad eines Adjutanten (entspricht etwa einem Hauptfeldwebel) bekleidete – was für uns damals schon ein Rang war, vor dem wir massenhaft Respekt hatten – gab er sich wie ein General. Er trug eine Nickelbrille à la Gandhi. Seine kalten, schlauen Augen sowie sein Schäferhund, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, kamen uns nicht geheuer vor. Adjudant Roganel redete nicht, er brüllte. Er MEIN NAME IST THOMAS GAST. Ich war 17 Jahre in der Fremdenlegion. Meine Personenkennziffer (matricule) ist 170-728, mein letzter Dienstgrad war Adjudant. Ich diente im Dschungelkampfregiment (3. REI) und bei den Fallschirmjägern der Legion (2. REP): DAS HIER IST MEINE GESCHICHTE. Abb.: Yers Keller K urz bevor wir zur Farm Bel-Air verlegten, kam es zu einem kleinen Zwischenfall, der mir bis heute eine Lehre ist. Mein Mentor war der Falkland-Kämpfer Thompson. Jeder von uns besaß damals zwei Paar Stiefel – wir nannten sie „Rangers“. War der Kampfanzug zu groß, die Handschuhe zu klein: kein Problem! Die Rangers aber mussten passen. Ich saß gerade auf der Treppe, die hinauf in unseren Saal führte und polierte meine Kampfstiefel, als ein Schatten auf mich fiel. Ich drehte mich um: Dort im Halbdunkel stand Erdoğan. Erdoğan war Türke, ein Straßenkämpfer übelster Sorte. Instinktiv sah ich mich um und in der Tat: Sein bester Freund lümmelte scheinheilig ein paar Stufen tiefer herum. Er überwachte den Treppenaufgang. Ein weiterer Kumpel kontrollierte das darüberliegende Stockwerk. Sie waren zu dritt! Ich wollte aufstehen, doch Erdoğan drückte mich mit beiden Händen auf die Stufen zurück. 1 sah uns nicht an, sondern durchbohrte uns mit seinem Blick, unter dem sogar Thompson schrumpfte. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je lächelnd gesehen zu haben. Er war von der Sorte Mann, der man nachts nicht über den Weg laufen wollte. Unter uns nannten wir ihn Dr. Mengele. Am ersten Wochenende verabreichte er jedem von uns zwei Spritzen in den Rücken. Für was diese auch immer gedacht waren: Unser Caporal wollte, dass wir in Bewegung blieben, ohne jedoch Schwerstarbeit zu verrichten. Auf den Knien kriechend, kratzten wir mit unserem Opinel-Messer die oberste Schicht vom Holzboden, um ihn danach zu wachsen und auf Hochglanz zu polieren. Unser seltsamer Doktor mit den Haifischaugen hatte uns eindeutig das Wochenende vermasselt! Dass sich hinter seinen kalten Augen keine Grausamkeit, sondern Intelligenz und Herzensgüte versteckten, und dass dieser Mann sein Leben lang aufopfernd der Legion gedient hatte, erfuhr ich erst einige Jahre später. Auf die Details kommt es an 2 1 MITTEN INS SCHWARZE: Das Waffentraining (hier am FAMAS) gehört zusammen mit dem Laufen zum täglich Brot des Legionärs Abb.: Thomas Gast 3 2 STRENGER SELEKTIONSPROZESS: Rekruten beim Überwinden der Hindernisbahn. Der französische Staat investiert große Summen in die hervorragende Ausbildung der Legionäre – deshalb werden nur die Besten genommen Abb.: Képi Blanc 3 KEIN SONNTAGSSPAZIERGANG: Legionäre mit FAMASSturmgewehr und FRF2-Scharfschützengewehr im Tschad 2007 Abb.: Thomas Gast Es gab Augenblicke, in denen wir körperlich ausnahmsweise mal nicht gefordert wurden. Dazu gehörten die Stunden, in denen uns Clausewitz 3/2021 53 ERZÄHLUNG der Caporal beibrachte, wie man das Hemd der Uniform bügelte, das Bett bezog oder die Stiefel auf Hochglanz brachte. Das klingt banal, ist es aber nicht. Jeder Soldat, auch wenn er lange Jahre in anderen Eliteeinheiten gedient hatte, konnte hier nur lernen und staunen – selbst erfahrene Hausfrauen würden mit der Zunge schnalzen. Das Hemd hatte je zwei Falten links und rechts auf jedem Ärmel. Hinzu kamen drei Falten jeweils links und rechts senkrecht über den beiden Brusttaschen. Auf dem Rücken gab es zwei Falten horizontal und drei zentriert vertikal. Die Kanten mussten so scharf sein, dass man sich daran schnitt. Die Abstände zwischen ihnen waren vorne auf der Brust jeweils 3,5 Zentimeter und an den Armen und auf dem Rücken 5,3 Zentimeter. Diese Maße entsprachen exakt denen einer Streichholzschachtel, je nachdem, ob man sie in der Höhe oder in der Breite anlegte. Die Sergeanten hatten ein geübtes Auge. Lagen die Falten zu weit auseinander oder fehlte gar ein Millimeter, folgte die Bestrafung auf dem Fuß. War es vor einem Ausgang in die Stadt (dreimal in vier Monaten: zweimal sechs Stunden und einmal drei Stunden!), dann wurde der Ausgang gestrichen. Ansonsten drehte man mit dem Rucksack ein Dutzend Runden um den Exerzierplatz. Die Matricule, Numéro de FAMAS und Groupe Sanguine (Blutgruppe) mussten auswendig gelernt und auf Anfrage innerhalb von Sekunden auf Französisch runtergerasselt werden. Die Matricule war die sechsstellige Erkennungsnummer und das FAMAS war ab diesem Zeitpunkt unsere Waffe. Waffennummer, Matricule sowie Blutgruppe nicht auswendig zu kennen, hätte ernsthafte Folgen gehabt. Eine Woche lang Toiletten schrubben, mindestens! 1 1 STAUBIG UND HEISS: Legionäre mit FAMAS-Sturmgewehren im Tschad (Zentralafrika) 2007 2 Abb.: Thomas Gast 2 WILL GELERNT SEIN: Der fachmännische Umgang mit der Schusswaffe gehört zum Handwerkszeug eines jeden Soldaten. Hier sind Legionäre auf der Schießbahn zu sehen (noch mit dem FAMAS-Vorgänger „Fusil semi-automatique de 7,5 mm MAS modèle 1949–56“) 3 Abb.: Képi Blanc 3 DURCHHALTEVERMÖGEN WIRD BELOHNT: Legionäre erhalten ihren ersten Fünfjahresvertrag Essenzielle Erfahrungen Abb.: COMLE HINTERGRUND Kein Spielzeug: das FAMAS Das „Fusil d’Assaut de la Manufacture d’Arme St.-Etienne“ (FAMAS) war eine Waffe mit, wie ich später feststellte, schockierender Wirkung. Sie unterscheidet sich nicht allzu sehr von den anderen auf dem Markt befindlichen Sturmwaffen, sodass ich von technischen Erläuterungen absehe. Mir neu war die Tatsache, dass man die Auszieherkralle links oder rechts einbauen konnte, je nachdem, ob man 54 Links- oder Rechtshänder war. Der Wangenschutz musste dementsprechend angepasst werden. Das Geschoss hat eine verheerende Wirkung: Beim Auftreffen auf ein Hindernis (Weichkörper) dreht es sich, bricht und sucht sich den leichtesten Weg spiralförmig durch den Körper. Ein Einschuss am Oberschenkel mit einem Austritt im Oberkörper (oder umgekehrt) ist keine Seltenheit! Am Ende der ersten Woche fuhren wir auf die Farm Bel-Air. Dass es für uns kein Spaziergang werden würde, darauf hatten wir uns bereits vorbereitet. Horrorgeschichten gingen um. Sie erzählten davon, dass hier Legionäre, wenn man sie bei einem Fluchtversuch ertappte, gestellt und erschossen würden. Ich gab nicht viel darauf. Solche und ähnliche Geschichten erzählten Deserteure, wenn sie nach Hause kamen und sich dort ausweinten, um auf diese Art ihrer Flucht einen abenteuerlichen Touch zu verleihen. Was ich im Laufe meiner langen Jahre in der Fremdenlegion immer wieder festgestellt habe, war, dass der Legionär par excel- Schweiß, Schlafmangel, Hunger und blutige Hände lence ein Soldat des Geländes ist. Manöver, Ausbildung, Einsätze und lange, lange Märsche – das waren die Grundlagen, von denen wir zehrten. Die Bequemlichkeiten eines festen Quartiers taten zwar ab und zu gut, aber im Grunde genommen zog es uns hinaus. Die Farmen des 4. RE bereiteten den jungen Legionär auf dieses Leben aus dem Rucksack vor. Sie vermittelten ihm Rustikalität und Solidarität, brachten ihn der Natur näher – und das alles im alltäglichen Schweiße seines Angesichts. Ich übertreibe sicherlich nicht, wenn ich behaupte, dass die Farmen die Basis, die Schmiede und der Kitt unseres Zusammenhaltes waren. Dieser Korpsgeist wiederum war ausschlaggebend für das hohe Ansehen, das wir weltweit genossen. Und für unsere Erfolge! Lehrstunden statt Luxus Bel-Air war etwa 17 Kilometer von Lapasset entfernt. Es handelte sich um ein einziges, stattliches Gebäude. Dieses lag auf einer Lichtung, die von allen Seiten von einem dichten Wald umgeben war. Es führten nur ein Schotterweg sowie ein paar Schleichwege dorthin. Die Infrastruktur war mehr als rustikal, nichts war warm und bequem. Zwar gab es fließendes Wasser, aber beim Duschen war es meist kalt bis lauwarm und trotz elektrischen Stroms konnte man das Eis innen von den Fenstern kratzen. Ein Fußballfeld lag hinter dem Hauptgebäude, einen Ball bekamen wir jedoch nie zu Gesicht. Jeden Morgen nach dem Footing (Morgenlauf) stand das Seil auf dem Programm. Es war sechs Meter lang und hatte einen Durchmesser von 2,5 Zentimetern. An das erste Mal Seilklettern kann ich mich gut erinnern. Der Erste, der damals vor dem Seil stand, war Ho, ein schmächtiger Vietnamese. Er fraß das Seil buchstäblich in sich hinein. Der nächste Kandidat machte sich bereit. Kaiser war ein dickwanstiger Ostdeutscher. Obwohl er beim Laufen gut mithielt, stand er mit dem Seil auf Kriegsfuß. Mit Mühe und Not schaffte er es bis zur roten Markierung ganz oben, aber dann verließen ihn die Kräfte. Mit einem lauten Aufschrei ließ er sich fallen, hielt aber das Seil den ganzen Weg nach unten noch mit beiden Händen umklammert. Wimmernd rollte er sich am Boden zu einer Kugel zusammen. Seine Hände waren blutig, die Haut hing am Seil. Zum Dank für seine Bravour bekam er vom Caporal einen gewaltigen Fußtritt in den Allerwertesten: „Steh auf, Idiot. Der Nächste ran ans Seil!“ Clausewitz 3/2021 Was uns zusetzte, war die Kälte. Es war Anfang März, der Schnee lag knöcheltief und die Temperaturen waren weit unter dem Gefrierpunkt. Der Schlafmangel und die Tatsache, dass wir ständig Hunger hatten, erleichterten uns nichts. Wir dachten ständig an eine warme Stube, ein gutes Essen und an ausreichend Schlaf. Die Moral pfiff aus allen Löchern! Das Essen war zwar ganz in Ordnung, aber für die körperlichen Leistungen, die Tag und Nacht von uns gefordert wurden, war es quantitativ eindeutig zu wenig. Jeden zweiten Tag gab es Steak haché und Flageolets (Hacksteak mit weißen Zwergbohnen), was uns bald zum Halse heraushing. Mit der Zeit spürte ich, wie mein Körper sich veränderte. Ich wurde sehniger und das eine oder andere Fettpolster, das die vier Jahre bei den deutschen Fallschirmjägern überlebt hatte, war verschwunden. Strammes Programm Der Tagesablauf war fast immer derselbe: 5 Uhr: Wecken. Viele von uns waren da aber schon auf, weil die Anzahl der Waschbecken nicht ausreichte. Für das Frühstück etwas Zeit herausschinden – das war unverzichtbar! 5 Uhr 02: Appell. (Man beachte: zwei Minuten nach dem Wecken!) Wir mussten so lange im Stillgestanden neben den Betten stehen, bis der Caporal durch die Reihen gegangen war und alle Legionäre namentlich aufgerufen hatte. Fast jeden dritten Tag hatten wir einen oder mehrere Deserteure. Die meisten wurden schon am gleichen Tag wieder erwischt und kamen sofort ins Gefängnis. Zwischen Appell und dem Antreten zum Sport mussten die Corvées (Hausarbeiten) erledigt werden. 6 Uhr 30: Antreten im Sportanzug. Laufen war angesagt. Bereits nach ein paar Tagen auf der Farm liefen wir in den sogenannten „Groupes des forces“ (Laufgruppen, denen jeder von uns, seinem Niveau entsprechend, zugeteilt wurde). Die Strecke war von der Distanz her für alle dieselbe, nur der Laufrhythmus war unterschiedlich. Zurück vom Sport, ging es übergangslos zum Waffen- und Geräte-Empfang, danach: Duschen im Schweinsgalopp und wieder antreten. Am Kampfanzug befanden sich: ANP (Gasmaske), Helm, Bidon (1,5-l-Wasserfla- sche), Pelle US (zusammenklappbarer Spaten), Bretelles (Koppeltragehilfe mit Magazintaschen und Waffenputzzeug für das FAMAS). Vor den Füßen abgestellt hatten wir den Rucksack oder die Musette (Kampftasche). Meist war auch schweres Gerät dabei, wie etwa Stacheldrahtrollen, Schaufeln, Sandsäcke, Kollektivwaffen (wie Maschinengewehre und Panzerfäuste) oder Optik und Funkgeräte. Schreibzeug war immer am Mann, ebenso wie das Opinel und der Kompass. 8 Uhr 30 bis 12 Uhr 30: Ausbildung. Waffenausbildung; Schießen; Gefechtsausbildung; Orientieren im Gelände; Funkausbildung und immer wieder die Lieder, Traditionen, Disziplin und die nicht wegzudenkenden Liegestütze! 12 Uhr 30 bis 14 Uhr Mittagspause. Neunzig Minuten Mittagspause – das hieß ein paar Minuten fürs Essen, gefolgt von einer Stunde Marsch mit Gesang! 14 Uhr bis 18 Uhr Wiederholung. Ausbildung wie am Vormittag. 18 Uhr bis 20 Uhr Freizeit. Abendbrot. Meist hatten wir hier die Gelegenheit, im Foyer, das sich in der Waffenkammer befand, Dinge wie Schokoladenriegel, Kuchen, Zigaretten und Getränke zu kaufen. 20 Uhr bis 23 Uhr: Ausbildung. Erlernen der französischen Sprache; taktische Gefechtsausbildung; Hindernisbahn bei Nacht. Was wir oft machten, war, das Anschleichen zu üben: auf dem Bauch robbend, im Matsch und im Schnee, unter einem Stacheldrahtverhau hindurch. Lautlos, den anzugreifenden Feind fest im Auge, froren wir bis aufs Knochenmark. Danach wurden die Waffen und das Gerät gereinigt und abgegeben. Es war inzwischen oft Mitternacht! Hatten wir Pech, dann fand der Caporal de jour nach unserem Corvée quartier noch einen Zigarettenstummel am Boden. Dieser wurde dann offiziell „beigesetzt“: Wir mussten ein Loch buddeln, zwei Meter lang, achtzig Zentimeter breit, eineinhalb Meter tief. Darin wurde die Kippe mit allen Ehren „beerdigt“. Zwischendrin wuschen wir Sport- und Kampfanzug. Mit der Hand, der Bürste und kaltem Wasser! Vor dem Schlafengehen war der zweite Appell fällig. Wir schliefen meist schon im Stehen. War man für die Wache eingeteilt, blieb man am besten gleich auf, Hinlegen lohnte sich nicht mehr. Thomas Gast, Jg.1962, ist ein ehemaliger Fremdenlegionär und heute unter anderem als Autor tätig. 55 S C H L AC H T E N D E R W E LT G E S C H I C H T E | BUDAPEST 1944/45 ZWEITES STALINGRAD: Die Kämpfe um Budapest sind grausam und verlustreich. Die Soldaten ringen um jede Straße, um jedes Haus – insgesamt mehr als drei Monate lang. Die Donaumetropole versinkt in Schutt und Asche Foto: ullstein bild - ADN-Bildarchiv 56 BELAGERUNG VON BUDAPEST 1944/45 INFERNO an der Donau Ende 1944: Als sich der sowjetische Umklammerungsring um Budapest schließt, beginnt eine der brutalsten Belagerungsschlachten des Zweiten Weltkriegs – Soldaten und Zivilisten gehen buchVon Tammo Luther stäblich durch die Hölle RUHE VOR DEM STURM: Im Frühjahr 1944 besetzen deutsche Truppen die Hauptstadt des zum Teil „abtrünnigen“ Verbündeten. Wenige Monate später bricht die Apokalypse über Budapest herein Foto: picturealliance/akg-images S talins Siegeszug scheint unaufhaltsam: Nach dem politisch-militärischen „Seitenwechsel“ Rumäniens und der Vernichtung der deutschen Heeresgruppe (HGr.) Südukraine stößt die Rote Armee im Herbst 1944 nach Ungarn hinein und erzielt große Geländegewinne. Im Anschluss an die Debrecener Operation Ende Oktober rollen ihre motorisierten Verbände weiter westwärts. Das neue Ziel der Panzer mit dem roten Stern ist die Donaumetropole Budapest. Bereits in der ersten Novemberwoche stehen Verbände der 2. Ukrainischen Front unter Marschall Rodion Jakowlewitsch Malinowski vor den Toren von Budapest. Generaloberst Hans Frießner, der an der Spitze der schwer angeschlagenen HGr. Süd steht, kann jedoch durch Offensivaktionen den Clausewitz 3/2021 Feind am Eindringen in die Stadt hindern. Die eigenen Fehlschläge veranlassen die sowjetische Militärführung dazu, stärkere Kräfte als bisher vorgesehen für den Großangriff auf Budapest einzuplanen. Sie sollen den Gegner in die Zange nehmen und vernichten. Dagegen stemmen sich die Verteidiger der Stadt unter SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Pfeffer-Wildenbruch (1888–1971), an dessen Seite ungarische Unterstützungseinheiten stehen. „Bis zum letzten Haus“ Anfang Dezember erklärt Hitler Budapest zur „Festung“, um damit möglichst viele sowjetische Einheiten in Ungarn auf ihrem Vormarsch Richtung Wien zu binden. Der „Führer“ erteilt den Befehl, die Verteidigung 57 BUDAPEST 1944/45 STURMANGRIFF: Die im Herbst 1944 losbrechende Großoffensive der Roten Armee mündet zunächst nicht in den von Stalin erhofften schnellen Erfolg. Die Verteidiger von Budapest wehren sich hartnäckig Foto: picture-alliance/dpa/Mikhail Zack der ungarischen Hauptstadt durch Kampf „bis zum letzten Haus“ zu führen. Die Stadt kampflos zu räumen, kommt für ihn auch im Fall einer ungünstigen Entwicklung der militärischen Lage nicht in Betracht. Doch diese tritt schneller ein, als von deutscher Seite gedacht: Denn bereits Ende Dezember 1944 zieht sich der Belagerungsring der 2. Ukrainischen Front unter Marschall Rodion Jakowlewitsch Malinowski DOKUMENT Kriegstagebuch-Eintrag „Ende Januar 1945 nimmt die Dramatik der Kämpfe zu und die Lage der Eingeschlossenen wird auf immer engerem Raum immer verzweifelter. Unter Einsatz der letzten Trosse, Nachrichtenleute und Schreiber der Stäbe konnten in schwersten, erbitterten Häuserkämpfen gegenüber erdrückender infanteristischer und materieller Überlegenheit des Feindes immer wieder Durchbrüche verhindert werden und dünne Riegelstellungen aufgebaut werden. Das Los der Verwundeten, deren Zahl inzwischen auf über 8.000 angestiegen ist, ist erschütternd.“ Kriegstagebuch-Eintrag (Auszug) Heeresgruppe Süd/Ia vom 26. Januar 1945 58 TÜCKISCHES STEILFEUER: Rotarmisten nehmen die deutschen Linien in Budapest mit ihrem Granatwerfer unter Beschuss. Die Belagerung der Donaumetropole zählt zu den längsten des Zweiten Weltkriegs Foto: picture-alliance/dpa/Mikhail Zack (1898–1967) und der 3. Ukrainischen Front unter Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin (1894–1949) um Budapest mit seinen mehr als 800.000 verbliebenen Bewohnern immer enger zu. Dem als Kampfkommandanten eingesetzten Pfeffer-Wildenbruch sind vor allem Angehörige der 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“, der 22. SS-FreiwilligenKavallerie-Division „Maria Theresia“, der Panzergrenadier-Division „Feldherrnhalle“ sowie Reste der 271. Volksgrenadier-Division und der 13. Panzerdivision unterstellt. Die Verteidiger von Budapest zählen zirka 35.000 bis 40.000 deutsche Soldaten. An ihrer Seite stehen etwa 37.000 Ungarn unter Generalleutnant Ivan Hindy. Insgesamt verteidigen somit zirka 75.000 Mann die Stadt. Ihre tatsächliche Kampfstärke dürfte jedoch – nach Abzug Kranker und Verwundeter sowie rückwärtiger Truppen und Versor- gungseinheiten – deutlich niedriger gewesen sein. Auf der Gegenseite stehen rund 160.000 Soldaten der sowjetischen und rumänischen Armeen und ihrer ungarischen Verbündeten aus bewaffneten Freiwilligeneinheiten. Hitlers Sündenbock Als sich der sowjetische Umklammerungsring am 2. Weihnachtstag 1944 endgültig schließt, ist Hitler außer sich vor Wut. Er macht Generaloberst Frießner für die ungünstige Entwicklung der Lage in Ungarn verantwortlich und enthebt ihn seines Kommandos. Sein Nachfolger als Chef der HGr. Süd wird General der Infanterie Otto Wöhler. Zudem befiehlt Hitler, das IV. SS-Panzerkorps aus dem Raum Warschau nach Budapest zu verlegen. Dabei stimmt er sich jedoch nicht dem zur Wahrnehmung der Geschäfte beauftragten Chef des Generalstabs des Hee- Strikter „Halte-Befehl" KARTE Kampf um Budapest (Anfang 1945) AUF DEUTSCHER SEITE: Ein an der Verteidigung der ungarischen Hauptstadt beteiligter Angehöriger der Szálasi-Gardisten, kenntlich an der Pfeilkreuzler-Armbinde Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo res, Generaloberst Heinz Guderian, ab. Der „Führer“ will die strategisch bedeutsame Donaumetropole unbedingt halten und den Fall der Festung verhindern. Für die Rote Armee stellt Budapest tatsächlich das größte Hindernis auf dem Weg Richtung Preßburg (slowakisch: Bratislava) und Wien dar. Würde die deutsch-ungarische Besatzung kapitulieren und kämen die zu diesem Zeitpunkt noch intakten Donaubrücken in sowjetische Hand, dann könnten Stalins Truppen ihren weiteren Vorstoß in nordwestlicher Richtung erheblich beschleunigen. Daher fordern die Marschälle Malinowski und Tolbuchin die Verteidiger am 29. Dezember 1944 zur Kapitulation auf – vergeblich. Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich IM KAMPF: Eine Panzerhaubitze vom Typ Hummel feuert auf sowjetische Stellungen. Die extrem angespannte Nachschubsituation führt bei den eingekesselten deutschen Truppen jedoch zu starken Munitionsengpässen Foto: ullstein bild - ullstein bild Clausewitz 3/2021 59 BUDAPEST 1944/45 EINSATZ IM ERDKAMPF: Eine deutsche 8,8-cm-Flak in einem Straßenzug im Westen von Budapest. Schwere Waffen stehen den Verteidigern während der Kämpfe in der Stadt kaum zur Verfügung Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo Nur einen Tag später treten die Verbände der Roten Armee zum konzentrischen Angriff auf Budapest an. Die Verteidiger fügen den sowjetischen Angreifern zwar schwere Verluste zu, doch der Gegner kämpft sich langsam aber sicher immer tiefer in die Stadt hinein. Fast zeitgleich, am 1. Januar 1945, treffen erste Teile des IV. SS-Panzerkorps rund 50 Kilometer westlich von Budapest ein und erreichen den Raum Tata. Der Kommandierende General des Panzerkorps, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Herbert Otto Gille, will die Verteidiger von Budapest entsetzen. Doch Hitler geht es in erster Linie darum, verlorenes Terrain zurückzugewinnen und Budapest zu halten. Er untersagt daher Festungskommandeur Pfeffer-Wildenbruch, den Entsatzversuch aus der Festung heraus mit einem Ausfall der eingeschlossenen Truppen zu unterstützen. Pfeffer-Wildenbruch beugt sich dem Befehl des „Führers“. Operationen „Konrad“ Um den sowjetischen Belagerungsring um Budapest aufzubrechen und zu den eigenen Verbänden vorzustoßen, unternimmt die deutsche Seite zu Jahresbeginn 1945 mehrere Offensivoperationen. Sie tragen den Decknamen „Konrad“. Die noch in der ersten Januarhälfte durchgeführten Operationen „Konrad I“ und „Konrad II“ scheitern nach anfänglichen örtlichen Erfolgen am zu starken Widerstand des Gegners und – vor allem im Fall von „Konrad II“ – am Befehl Hitlers, 60 notiert in sein Tagebuch: „Völlig unverständlich, Division hält weiteren Vorstoß auf Budapest durchaus für möglich. Vor der Front angeschlagener Gegner. Flankenangriff infolge des Geländes nicht zu erwarten, da nicht möglich (...). Wir müssen ein sicheres Ziel wegschwimmen lassen.“ Adolf Hitler favorisiert derweil eine andere Lösung. Er bevorzugt einen Stoß aus dem „Außer bei der Feuertaufe habe ich eine Raum südwestlich von Budapest in nordöstlicher Richtung. Doch so schwere seelische Erschütterung nicht den deutschen Truppen in Budawieder erlebt wie an diesem Abend.“ pest läuft die Zeit davon. Der Erinnerung eines Angehörigen des Druck der Roten Armee wird imPanzer-Artillerie-Regiments 13 an die mer stärker. Bei den äußerst Einschließung von Budapest durch die Rote schweren Kämpfen um den östliArmee, Weihnachten 1944 chen Teil der ungarischen Metropole geraten die unterlegenen IV. SS-Panzerkorps bemüht sich vergeblich, Verteidiger massiv in Bedrängnis. Mehrere diesen Befehl von oberster Stelle rückgängig Gegenangriffe der 22. Freiweilligen-Kavalzu machen. Der Erste Generalstabsoffizier lerie-Division zerschellen am ziemlich starder Division „Wiking“ ist fassungslos und ken Feindwiderstand. der einen Ausbruch aus Budapest weiterhin strikt ablehnt. Denn im Rahmen von „Konrad II“ kommen die deutschen Truppen, darunter vor allem Teile der 5. SS-Panzerdivision „Wiking“, aus nordwestlicher Richtung bis auf weniger als 20 Kilometer an die Eingeschlossenen heran. Gille als Chef des HINTERGRUND Ungarn als Verbündeter Unter deutschem Druck tritt Ungarn im November 1940 dem Dreimächtepakt um Japan, dem Deutschen Reich und Italien bei und ist somit fortan zu militärischem Beistand verpflichtet. Ungarn beteiligt sich daran, Jugoslawien zu besetzen, und nimmt mit Truppenkontingenten am Unternehmen „Barbarossa“, dem deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion, teil. Entsendet die ungarische Regierung anfangs nur relativ wenige Truppen, so stellt sie später mit der 2. Ungarischen Armee einen 200.000 Mann starken Verband. Nach den Niederlagen der Wehrmacht an der Ostfront versucht die ungarische Staatsführung, Kontakt zu den Westalliierten aufzu- nehmen und aus dem Krieg auszusteigen. Daraufhin besetzen deutsche Truppen im März 1944 das Land, das Deutsche Reich richtet eine Marionettenregierung ein. Das Reich zwingt Ungarn, den Kampf mit verstärkten Kräften weiterzuführen. Viele Ungarn schließen sich daher der Roten Armee an, die im Oktober 1944 ihren Sturm auf Hitlers Verbündeten beginnt. Im Herbst 1944 errichten die faschistischen Pfeilkreuzler unter Ferenc Szálasi eine Kollaborationsregierung, deren Truppen weiterhin an deutscher Seite kämpfen, so auch in Budpapest 1944/45. Erst Anfang April 1945 enden schließlich die letzten Kämpfe auf ungarischem Boden. Äußerst prekäre Lage HOFFNUNGSTRÄGER: Sturmgeschütze auf dem Weg zum Entsatz von Budapest. Doch die Operationen mit dem Decknamen „Konrad“ (I–III) scheitern letztlich im Januar 1945 Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo Am 17. Januar 1945 müssen die deutschen Einheiten und ihre verbliebenen ungarischen Verbündeten den Brückenkopf am östlichen Donauufer schließlich räumen. Wuchtiger Gegenstoß Tags darauf stößt das IV. SS-Panzerkorps aus seinem neu bezogenen Bereitstellungsraum bei Stuhlweißenburg südwestlich von Budapest erneut auf die Donaumetropole vor („Konrad III“). Der mit zahlreichen modernen Kampfpanzern vorgetragene Angriff der SS-Panzerdivisionen „Wiking“ und Totenkopf“ und von Teilen der 1. und 3. Panzerdivision sowie der schweren Panzerabteilung 509 ist wuchtig. Nach anfänglichen Erfolgen in den ersten Tagen seit Angriffsbeginn und einem Vorstoß bis zur Donau versteift sich jedoch der sowjetische Widerstand zunehmend. Im Hauptquartier STAWKA ist man dennoch überrascht vom deutschen Gegenschlag. Unter der Generalität in Moskau macht sich Frust über die „besondere Entschlossenheit der Angreifer“ breit. Nach vier Tagen läuft sich aber auch diese Offensive an der starken sowjetischen Abwehrfront fest. Die Rote Armee kann die erlittenen Verluste schnell ausgleichen und gruppiert ihre Verbände um. Ende Januar 1945 holt sie schließlich zum Gegenschlag aus. Ihre Verbände erobern den von den deutschen Divisionen erkämpften Einbruchsraum zwischen Plattensee (Balaton) und Velencer See zurück. Damit ist das Schicksal der Eingeschlossenen im Kessel von Budapest noch nicht endgültig besiegelt. Aber die Aussicht auf Hilfe von außen wird nunmehr immer unwahrscheinlicher. Die Lage im Kessel von Budapest wird derweil immer prekärer. Ungünstige Wetterlagen und die feindliche Luftüberlegenheit Clausewitz 3/2021 erschweren die Versorgungsflüge. Diese können den von der Truppe dringend benötigten Nachschub an Munition und Kraftstoff nicht annähernd decken. Besonders die in der Stadt verbliebenen Einwohner durchleben schreckliches Leid und Elend. Endkampf um Buda Hungersnot und Krankheiten setzen den Frauen, Kindern und Alten unbarmherzig zu. Wehrlos müssen sie die Zerstörung ihrer Heimatstadt miterleben. Während Trommelfeuer und Bombardements der Roten Armee die Stadt in eine rauchende Trümmerwüste verwandeln, harrt die völlig verängstigte Bevölkerung in Kellern und notdürftig eingerichteten Schutzräumen aus. Unzählige Tote können nicht begraben werden. Seuchengefahr besteht. In der Donaumetropole spielen sich im Winter 1944/45 apokalyptische Szenen ab. Hinzu kommt, dass sich die Kämpfe in der zweiten Januarhälfte zusehends ins Stadtzentrum und nach Buda verlagern. Verteidiger und Angreifer liefern sich blutige Straßen- und Häuserkämpfe – Parallelen zu Stalingrad bleiben nicht aus: So schildert ein neutraler Frontberichterstatter seine Eindrücke mit folgenden Worten: ,,Es ist eine furchtbare Schlacht, seit Stalingrad hat es so etwas nicht mehr gegeben. Um jedes Haus, ja um jedes Zimmer wird gekämpft. Straßen, Plätze und Hinterhöfe sind mit Gefallenen übersät (...). Die ganze Stadt ist in einen Schleier von Rauch und Staub gehüllt (...). Die Leiden der Zivilbevölkerung sind unbeschreiblich.“ Nachdem die Verteidiger den Stadtteil Pest am 17./18. Januar 1945 geräumt haben, ergeht tags darauf der Befehl, die noch intakten Donaubrücken zu sprengen. Die tödliche Schlinge der sowjetischen Truppen zieht sich immer stärker zu. SS-General Pfeffer-Wildenbruch lässt man derweil im Unklaren über den Abbruch des Unternehmens „Konrad III“. Aus dem noch gehaltenen Kessel im Stadtteil VERNICHTET: Ein deutscher Soldat begutachtet einen abgeschossenen T-34. Die sowjetischen Verluste an Mensch und Material sind enorm hoch, doch die Rote Armee wirft immer neue Foto: ullstein bild - ullstein bild Kräfte in die Schlacht 61 BUDAPEST 1944/45 PROPAGANDAFOTO: SA-Stabschef Wilhelm Schepmann begrüßt Ritterkreuzträger Helmut Wolff von der Division „Feldherrnhalle“ zur Berichterstattung. Doch die Verteidiger von Budapest erleiden eine blutige Niederlage, die nicht zu den „Endsieg“-Parolen des NS-Regimes passt; 26. Februar 1945 Foto: Sammlung Berliner Verlag/Archiv/ Süddeutsche Zeitung Photo BLUTIGER STRASSENKAMPF: Meter für Meter dringen die Soldaten der Roten Armee in die von Einheiten der Waffen-SS und Wehrmacht heftig verteidigte Stadt vor Foto: picture-alliance/akg-images Buda westlich der Donau setzt er am 29. Januar 1945 einen verzweifelten Funkspruch ab: „Erschütternde Versorgungslage. Wenn IV. SS-Panzerkorps nicht in kürzester Zeit eintrifft, kommt es zu spät. Es geht jetzt ums Letzte.“ Während zu diesem Zeitpunkt „Konrad III“ längst „gestorben“ ist, befiehlt Hitler, den Kampf „bis zum Letzten“ fortzusetzen. Der „Führer“ belohnt Pfeffer-Wildenbruch für dessen Gehorsam am 1. Februar 1945 mit „Es ist eine furchtbare Schlacht, seit Stalingrad hat es so etwas nicht mehr gegeben.“ Ein neutraler Frontberichterstatter aus Budapest im Januar 1945 dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“. Der ungleiche Kampf geht somit unerbittlich weiter. Den Eingeschlossenen mangelt es an allem: Verpflegung, Waffen und Munition. Die Versorgungslage ist längst dramatisch. Durch die Unterbrechung der Lufttransporte ist es nicht mehr mögluch, die Verwundeten auszufliegen. Besonders dramatisch: Am 6. Februar 1945 befinden sich mehr als 10.000 Verwundete in der Stadt. Für sie gibt es weder genügend Lebensmittel noch ausreichende ärztliche Versorgung. Die weiterhin zum Kampf fähigen Soldaten sind ebenfalls vollkommen entkräftet. In dieser vollkommen aussichtslosen Lage entschließt sich Kommandant PfefferWildenbruch zum Ausbruch aus dem Kessel. Längst ist aus der „Festung Budapest“ 62 die „Festung Buda“ geworden. Selbst der markante Gellért-Berg steht kurz vor dem Fall. Am 11. Februar 1945 setzt der SS-General folgenden Funkspruch ab: „Die Verpflegung ist verbraucht. Die letzte Patrone im Lauf. “ Verzweifelter Ausbruch Schätzungsweise mehr als 30.000 deutsche und ungarische Soldaten machen sich nun für den Ausbruch bereit. Doch ihr Vorhaben steht unter keinem guten Stern. Die sowjetische Seite ist vorbereitet und empfängt die große Schar der Verzweifelten, darunter viele ungarische Zivilisten, mit mörderischem Abwehrfeuer. Granatwerfer und Artilleriegeschütze wüten in den Straßen und Gassen der Stadt unbarmherzig unter den Ausbrechenden. In mehreren Wellen versucht die Soldatenmenge aus zusammengewürfelten Einheiten und Kampfgruppen, dem höllischen Inferno an der Donau zu entkommen. Ein grausames Gemetzel setzt ein. Führende Offiziere wählen den Freitod, darunter der Kommandeur der 8. SS-Kavallerie-Division, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS Joachim Rumohr. Verwundete fle- Literaturtipps Dieter Hoffmann: Die Magdeburger Division – Zur Geschichte der 13. Infanterie- und 13. Panzer-Division 1935–1945, Hamburg 2001. Krisztián Ungváry: Die Schlacht um Budapest – Stalingrad an der Donau 1944/45, München 1999. hen vorbeiflutende Soldaten um den Gnadenschuss an. Ausbruch und Kapitulation Bereits am 12. Februar 1945 sieht Pfeffer-Wildenbruch keine Aussicht auf Erfolg. Er bricht den Ausbruchversuch ab und begibt sich in sowjetische Gefangenschaft. Einen Tag später kapitulieren die letzten Verteidiger der Donaumetropole. Zwar gelingt es Tausenden von Soldaten und Zivilisten, aus dem Inneren der Stadt zu fliehen. Doch auch außerhalb von Buda geraten sie unter heftigen Beschuss der Roten Armee. Dadurch finden insgesamt mehr als 17.000 deutsche und ungarische Soldaten allein bei dem dramatischen Ausbruch Mitte Februar 1945 den Tod. Bis zum 20. Februar erreichen nur etwa 750 Mann die 25 Kilometer entfernt liegenden deutschen Linien nordwestlich von Budapest. Die unter dem grausamen Kriegsgeschehen im Herbst/Winter 1945 und nach dem Ende der Kämpfe unter Hunger, Krankheit und Gewaltexzessen der Roten Armee leidende Zivilbevölkerung im zerstörten Budapest hat zirka 38.000 Tote zu beklagen. Auch die Rote Armee zahlt einen extrem hohen Blutzoll, doch das Tor nach Wien steht für Stalins Truppen nach dem Sieg von Budapest weit offen. Dr. Tammo Luther, Verantwortlicher Redakteur von Clausewitz und Freier Autor & Lektor in Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“. Neu am Kiosk | Militär & Geschichte Extra Jetzt bei Ihrem Zeitschriftenhändler Sonderheft Nr. 15 € 9,95 NEU am Kiosk Österreich € 11,00 . Schweiz sFr 16,80 . Italien € 13,40 . BeNeLux Der „Wüstenfuchs“ € 11,40 ü tung Ausrüs en und Uniform Militär & Geschichte Extra 15 EN Erwin Rommel war zur Zeit des „Dritten Reiches“ unzweifelhaft der populärste General der Wehrmacht – und er ist es noch heute, selbst aus Sicht der ehemaligen (west)alliierten Kriegsgegner. Er steht im Ruf eines Heerführers, dem angeblich alles gelang: von den Einsätzen als hochdekorierter Offizier des Ersten Weltkriegs über das ungestüme Vorpreschen seiner 7. Panzer-Division im Westfeldzug 1940 bis zu den spektakulären Erfolgen des Deutschen Afrikakorps ab 1941. Dabei habe er stets ritterlich gekämpft und sich mit den Untaten des NS-Regimes nicht gemein gemacht. Ob dies wirklich alles der Wahrheit entspricht, ist eine Frage, der die aktuelle Ausgabe von Militär & Geschichte Extra gründlich nachgeht. Nach bewährtem Muster verbindet das mit Fotos und Karten rreich illustrierte Magazin Rommels Biografie mit einer Darstellung sseines zentralen Tätigkeitsfeldes – dem Einsatz des Afrikakorps in Nordafrika. N 4 190809 709955 15 MÄNNER , DIE GESCHIC HTE SCHRIEB el Romm und der Afrikafeldzug SCHAUPLATZ AF AFRIKA Genie oder Hasardeur? der „Wüstenfuchs“ Das Deutsche Afrika- So taumelte und Niederlage korps unter der Lupe zwischen Sieg Mythos und Wahrheit Wie stand Rommel tatsächlich zu Hitler und dem NS-Regime? Militär & Geschichte Extra 96 Seiten, ca. 200 Abbildungen Preis: 9,95 Euro ISBN: 978-3-86245-977-3 GeraMond Media GmbH Bezug: www.verlagshaus24.de TUNESIEN Die letzten Schlachten des Afrikak Afrikakorps korps und ndeten n fanden von seines italienischen Verbündeten November 1942 bis Mai 1943 Tunesien 43 in Tu unesien statt att EL AGHEILA GHEIILA Im März 194 1941 41 eroberte ob das DAK K die li lib libysche ysche sc e enstad s dt u und warf die britische ritischen itis Küstenstadt britischen Truppen pen en biss Tobruk und an die ie e ägypti ägyptische ä ch Grenze wurde nze zurück. El Agheila gh urd rde d Rommels Romme mels l Ausgangsbasis gangs asis für die gangsb di Belagerung Belagerung eru ung Tobruks To ru uks ks TOBRUK T OB B RU Der De er d deutsche eutsch Vormarrsch V h kam m im Vormarsch April 1941 östlich von vo Tobruk zum T zum m Stehen. Steh hen Nach der Belagerung Bellageru un setzte R Rommel ommel im Frühsommer Frühsomm mer 1942 19 94 zum Angriff Angriff An iff ff auf auf u Tobruk Tob bru uk an und und eroberte die Festung schließlich TRIPOLIS Die ersten deutschen Truppen erreichten am 11. Februar 1941 mit motorisierten und gepanzerten Verbänden von Sizilien aus Tripolis (siehe blauer Pfeil). Formal unterstanden sie noch italienischem Befehl 24 DIE BELAGE RUNG VON MATERIAL UND PERSONAL B 1 5 Spezielles Wissen gefragt Abb.: Pixpast, Interfoto/Hermann Historica (17) 2 6 7 4 3 Schirmmütze zur Tropenuniform der Luftwaffe, sogenannte „Hermann-MaierMütze“ mit Nackenschutz aus Grundtuch 4 Gasmaske und dazugehörige Eisenbüchse M 30/38, die sich – leer – besonderer Beliebtheit erfreute: Dort passten nämlich mehrere runde Scho-Ka-Kola-Büchsen hinein n elit--Augenmuscheln Bake pelglas mit Bakelit-Augenmuscheln t-Dopp 5 Dialyt-Doppelglas nstglas“ genannt. „Dien platte, auch „Dienstglas“ Strichp und Strichplatte, elffer He unersetzlicher Helfer ar ein unersetzlicher Es war f en und nnschaft Man mütze M 41 für Mannschaften f ldm enfe 6 Tropenfeldmütze f igen luft r Die luftigen ufkläärer. Panzerau ere der Panzeraufklärer. ffizie roff Unteroffiziere egenden Gründen elie nahe n waren aus naheliegenden mützen Feldmützen K pfbedeckkungen des DAK Ko ugten Kopfbedeckungen evorzu die bevorzugten mit Resten des Inhalts, nach einer Zusammenstellung erb Ve V 7 Verbandkasten on 1939 (ausweislich des Inhaltsverzeichnisses im Deckel) von vo Als die Wehrmacht das Afrikakorps aufstellte, herrschten nur vage Vorstellungen von den Besonderheiten des Kriegsschauplatzes; das galt auch für die für Ausrüstung und Personalersatz zuständigen Dienststellen. Für den – zunächst noch relativ geringen – Personalbedarf gab es nicht genügend Soldaten mit Tropen- oder Afrikaerfahrung, die Briten hatten zumindest dieses Problem nicht. So griff man auf ein Personalreservoir zurück, das vorher als „wehrunwürdig“ galt: ehemalige Fremdenlegionäre. Mit ihnen wurde das „Verstärkte Afrika-Regiment 361“ am 15. Juni 1941 im Reich aufgestellt. Es verlegte als Teil der 90. leichten Division nach Afrika. Die Ex-Legionäre erwiesen sich als gute und versierte Kämpfer, bisweilen aber auch als schwierige Untergebene. Andere Soldaten (Freiwillige bevölkerten das Afrikakorps zuhauf) brachten keine spezifischen Qualifikationen mit, sie mussten aber eine obligatorische, allerdings nicht normierte Tropentauglichkeitsuntersuchung durchlaufen. Grundsätzlich wurde auf intaktes Gebiss und belastbaren Kreislauf geachtet, allerdings führte das Sanitätspersonal die Tests oft nach eigenem Gutdünken durch. Das medizinische Personal der Panzer-Aufklärungsabtei- ließ Rommel seine Truppen am 31. März 1941 aus ihren Ausgangsste llungen ausbrechen. Der General wollte die vermeintlich günstige Lage ausnutzen, die sich aus den massiven Truppenabzü gen der ergab: Das britische Oberkomma Briten ndo entsandte zahlreiche Einheiten aus Nordafrika nach Griechenlan d, um hier dem Ansturm der Achsenmäch te Paroli bieten zu können. Zudem hielt der britische Oberbefehlshaber im Nahen Osten, Archibald Wavell, eine weit gesteckte Offensive Durch Gewin Gewinn nn dess Hafens H von Tobruk sollten die Versorgungsw verkürzt werden ege werd Die Hafenstadt Tobruk blieb den (im Bild eine italienische in britisch-australischer Hand; CRDA Cant Z.506 in Tripolis) im Vordergrund erbeutete italienische Panzer vom Typ Carro Armato M13/40 Rommel Rom R mmell ging gin ing sofort sofort zur zur Offensive Offffensive gegen Tobruk gegen Tobruk über üb ber u und nd ssetzte etzte mit m itt sseinem ein nem u ungestümen ngestüm men Vo V Vorpreschen rprreschen aalles lles aauf uf e eine ine K Karte arte „DDieiee ers ersten ste Angriffe auf Tobruk hat hier niemand verstanden. Obwohl die diie Stärke Stärk und Besatzung bekannt war, wurde jedes neu eintreffen Bataillon Bataillon zum Angriff angesetz de t und kam natürlich nicht jeder jeder Verband durch. So ist Ve vor Tobruk stark angeschl agen. Manche sprungha Führung Fü ührung des DAK will uns fte inferioren Führern nicht recht in den Kopf. die Angriffe Urteil von Urteil von O Oberst von Herff über auf Tobruk “ Panzerkampfwagen IV mahlen sich durch den Wüstensand, vorn ein abgeschossener britischer Panzer Rommel hielt ein offensiv es Vorgehen gegen die britischen Truppen für zwingend erforderlich. Kräfte in Nordafrika ab, benötigte man doch Rommels für unwahrscheinlich, alle verfügbaren Verbände wusste er für den geplan- doch um die geringen deutsch-ital ten Feldzug gegen die Sowjetunion. Rom- schen ieniKräfte in Libyen. mel erhielt folglich nur die Erlaubnis für beDa die ersten Vorstöße grenzte Vorstöße, sollte erfolgreich versich ansonsten je- liefen, fasste Rommel Anfang doch defensiv verhalten. April den Entschluss, weiter vorzurücken . Innerhalb Viele Fragezeichen von nur einer Woche gelang es seinen Verbänden, die gesamte Die Bedenken der deutschen Cyrenaika zurückMilitärfüh- zuerobern und bis zur ägyptischen rung waren keineswegs Grenze unbegründet: So vorzustoßen erwies sich die Sicherstellun . Lediglich die wichtige Hafeng des Nach- und Festungsstad schubs für die Truppen t Tobruk blieb – eingein Nordafrika als schlossen von den Achsenmäch außerordentlich schwierig, ten – in waren die britisch-aust Transporte über das Mittelmeer ralischer Hand. doch den aus der britischen Seeund Luftüberlegen- Die Gunst der Stunde nutzen heit resultierenden Gefahren ausgesetzt. Obwohl das OKH nach wie vor Zudem war die deutsche skeptisch Ausrüstung nicht war, entschloss sich der Generalleutn für einen Krieg in der Wüste gedacht. Vor ant am 9. April, möglichst allem die Luftfilter der bald einen Angriff Panzermotoren auf Tobruk durchzuführen. hielten dem staubigen Schließlich Wüstenklima nicht band eine Belagerung des Ortes stand. Ein möglicher Vormarsch wichtige Rommels Kräfte, die er für einen Marsch auf musste diese Probleme Suez benoch vergrößern. nötigte. Zudem hielt Rommel eine Wie schon während des EvakuieFrankreichfeld- rung der Briten aus Tobruk über zuges bewies Rommel den Seeweg auch in Afrika ein- für möglich, da das britische mal mehr, dass ihn solche OberkommanFragen des Nach- do bereits etliche Schiffe im Hafen schubs kaum interessierte zusamn. Trotz Verbots mengezogen hatte. (3) f ika Norrdafr aten in Nordafrika oldat die Soldaten Die Wehrmachtführung wusste vorab kaum, was enen vorgesehe f r vorgesehenen afü die dafür erwarten würde. Daher war es kein Wunder, dass fwiesen aufw Mängel aufwiesen Fahrzeuge und Uniformen anfangs erhebliche 1 Stahlhelm für Fallschirmjäger mit sandfarbenem Tarnanstrich; die Stahlglocke zeigt noch die ursprüngliche apfelfarbene Lackierung 2 Tropenfeldbluse eines Oberleutnants im Maschinengewehr-Bataillon 17 mit Ärmelband „Afrikakorps“ hne auf die Ankunft der ihm zugesagten Panzerdivision zu warten, ging Rommel im Frühjahr 1941 seine Aufgaben offensiv an. Schon für Anfang Mai plante er einen Angriff auf die Stadt Tobruk, die ein wichtiges Hindernis auf dem Weg nach Ägypten darstellte. Mithilfe des dortigen Hafens wollte Rommel den Nachschubweg des deutschen Afrikakorps verkürzen. Hitler und das Oberkommando des Heeres (OKH) lehnten aber eine weitere Verstärkung der deutschen Abb.: Interfoto/Alba, Pixpast AUSRÜSTUNG a frika Afr Marschrichtung Afrik eck und ich fahren zur Heeresbekleidungskammer, um unsere Tropenausrüstung in Empfang zu nehmen. Was uns hier ,verpasst‘ wird, spottet jeder Beschreibung. Man merkt, daß Deutschland seit 1918 keine Kolonien mehr besitzt und somit keine Ahnung hat, was für die Tropen zweckmäßig ist. Wir hätten nur bei den mit uns verbündeten Italienern anzufragen brauchen, aber nein, die Intendantur hat strikt nach preußischer Art die Tropenausrüstung entworfen: Aus festem Stoff eine khakifarbene, eng anliegende Uniform mit Leinenkoppel und hohen Schnürstiefeln. Dazu ein Tropenhelm, der nach landläufiger Meinung unbedingt in den Tropen getragen werden muss. […] Verwundete aus Nordafrika erzählten uns, daß sie, wie auch viele andere, mit den Italienern einen schwunghaften Handel betrieben haben, um wenigstens einen Teil der Ausrüstung gegen die zweckmäßigeren Uniformen der Italiener zu tauschen.“ So berichtet Oberst Hans von Luck – Kommandeur der 3. Panzer-Aufklärungsabteilung und einer von Rommels kampferfahrensten Offizieren – in seinen Erinnerungen Mit Rommel an der Front. 25 TOBRUK April 1941: Kurz nach seiner Ankunft in Afrika plante Rommel bereits einen Sturm auf die Hafenstadt Tobruk, um den Weg zum Suezkanal zu öffnen. Doch entgege n seinem Wahlspruch „Schweiß statt Blut“ endete der schlecht geplante Angriff in einer verlustr eichen Belagerung O „Wehrmachts-Einheitskanister“ waren für Wasser und Treibstoff vorgesehen und so praktisch, dass die Briten sie einfach nachbauten EL ALAMEIN Nach der ersten Schlacht von El Alamein im Juli 1942, die Rommels Vormarsch stoppte, folgte die zweite, entscheidende, vom 23. Oktober bis zum 4. November. Sie beendete das Expansionsstreben der Achsenmächte Achsenm mächte in Nordafrika Blut statt Schweiß? ERSTE OFFENSI VE AUSRÜSTUNG: Das Magazin verdeutlicht, dass die Soldaten des Afrikakorps auch mit dem besonderen Klima zu kämpfen hatten 3 ÜBERSICHT: Ü Der KriegsD sschauplatz Nordafrika N und u die wichtigsten w Schlachten S werden w mit Karten veranK schaulicht s CASABLANCA C ASAB B LA Am A m 8. 8 November N Nov 1942 begann b egann n die di alliierte L Land Landung g in FranzösischNordafrika N or rrika ordafr ika ik (Operation „Torch“) mit dem Ziel, die Schlüsselhäfen von Casablanca, Oran und Algier in Besitz zu nehmen. 106.000 Soldaten waren beteiligt Abb.: Royal Navy, Scherl/SZ Photo, p-a/ZB/Berliner Verlag/Archiv (2), p-a/dpa, dpa/SZ Photo, Grafik: Anneli Nau Im Wüstensand SIZILIEN Der Nachschub erreichte die Achsenmächte über Häfen in Italien/Sizilien. Von dort begann der beschwerliche und verlustreiche Transport über das Mittelmeer 26 Militär & Gesch Geschichte hichte 27 IM WÜ WÜSTENSAND: ÜSTTENSAND: Seltene Farbfotos tragen zu einer opulenten Illustrierung der Artikel bei 33 hichte Gesch ilitär & Geschichte Militär M 32 Clausewitz 3/2021 63 MILITÄR UND TECHNIK ATOMKEULE: Diese MiG-23 BN des Jagdbombenfliegergeschwaders 37 „Klement Gottwald“ wären im Ernstfall als Atomwaffenträger zum Foto: Hans-Joachim Mau Einsatz gelangt 64 | MIG-23 MEHRZWECK-KAMPFFLUGZEUG MIG-23 IN DIENSTEN DER NVA 1978: Mit der MiG-23 erhalten die DDR-Luftstreitkräfte ihr erstes Kampfflugzeug mit Schwenkflügel-Technologie. Das Muster eröffnet ganz neue Möglichkeiten zur Bekämpfung gegnerischer Ziele – im Ernstfall auch mit Nuklearwaffen Von Hans-Heiri Stapfer m Sommer 1978 erleben die Luftstreitkräfte der DDR einen echten Quantensprung in der Militärtechnologie: Erstmals berühren die Räder eines MiG-23-Kampfflugzeuges den Boden des Arbeiter- und Bauernstaates. Die MiG-23 MF glänzt mit einer gegenüber der MiG-21 MF um zwei Drittel größeren Überführungsreichweite. I Neuer Wundervogel So liegt es in der Natur der Dinge, den neuen Wundervogel nahe der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland zu stationieren: Die Wahl fällt auf das auf der Flugplatzbasis 43 Clausewitz 3/2021 in Peenemünde an der Ostsee stationierte Jagdfliegergeschwader 9 (JG-9) „Heinrich Rau“. Zwischen dem 13. Juli und dem 15. August 1978 führt man der 2. Staffel dieses zur 3. Luftverteidigungsdivision gehörenden Verbandes zwölf MiG-23 MF zu. Die Bedenken der Flugzeugführer wegen des völlig ungewohnten SchwenkflügelMechanismus sind schnell verflogen: Das von der NATO als Flogger B bezeichnete Muster erweist sich als durchaus robustes und zuverlässiges Waffensystem. Über die Flugeigenschaften bewahren die Piloten des Warschauer Vertrages vornehmes Schwei- gen. Hinter vorgehaltener Hand macht allerdings das im Westen nicht unbekannte Wort „Witwenmacher“ die Runde. Dank der MiG-23 MF sind die Luftstreitkräfte nun in der Lage, die R-23-Luft-LuftLenkwaffen (NATO-Bezeichnung AA-7 Apex) für die Bekämpfung von Zielen auf einer Distanz von bis zu 45 Kilometern einzusetzen. Das mit einer Erfassungsreichweite von 55 Kilometern ausgestattete Radar Saphir-23D-III (NATO-Bezeichnung High Lark), gepaart mit dem Feuerleitsystem ASP-23D-III, verleiht den Flugzeugführern erstmals die Möglichkeit, gegnerische Flugzeuge auf Gegenkurs 65 MIG-23 BEI DER LANDUNG: Diese einschwebende MiG-23 ML (Werknummer 03903 2433) „Rote 367“ trägt an den Rumpf-Waffenstationen vier der ab 1982 eingeführten R-60 MK (NATO-Bezeichnung AA-8 Aphid) Alle Fotos: Hans-Joachim Mau abzufangen. Während ihres Bestehens müssen die Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee (NVA) drei Flogger B abschreiben. Satte Bruchlandung Am 7. Juli 1978 überschießt die MiG-23 MF (Werknummer 03902 13294) „Rote 574“ während starker Regenschauer die Landebahn und besitzt nur noch Schrottwert. Nach einer satten Bruchlandung am 21. Februar 1983 ist die MiG-23 MF (Werknummer 03902 13089) „Rote 564“ nicht mehr instandzusetzen. Beide Maschinen gehen als Lehrmittel zur Offiziershochschule „Franz Mehring“ in Kamenz. Ein Triebwerkschaden zieht die MiG-23 MF (Werknummer 03902 13354) „Rote 596“ so schwer in Mitleidenschaft, dass man sie im Juli 1987 in der Flugzeugwerft Dresden verschrotten muss. Dieser an der Elbe ansässige Betrieb ist dafür verantwortlich, alle Flogger-Varianten industriemäßig zu überholen. Hand in Hand mit der Beschaffung der Flogger B geht die Lieferung des MiG-23-UBTrainers einher. Die NVA ordert insgesamt 66 BEREIT ZUM ABHEBEN: Eine MiG23 MF der 2. Staffel des Jagdfliegergeschwaders 9 „Heinrich Rau“ rollt in Peenemünde zum Start elf Einheiten. Wie alle Trainingsflugzeuge im Bestand der Luftstreitkräfte, erhalten die MiG-23 UB schwarze taktische Nummern. Der Flogger-Pionier in der DDR ist dann auch die zweisitzige Trainervariante. Die erste MiG-23 UB (Werknummer A 103 7825) „Schwarze 101“ gelangt am 13. April 1978 in den Bestand der Luftstreitkräfte. Mit der MiG-23 UB (Werknummer A 103 8506) „Schwarze 103“ stellen die Luftstreitkräfte im September 1985 ihren letzten Trainer in Dienst. Rettung mit dem Schleudersitz Die Flogger C kommt ausschliesslich beim JG-9 sowie dem Jagdbombenfliegergeschwader 37 (JBG-37) zum Einsatz. Drei Exemplare gehen durch Unfälle verloren. So stürzt am 3. Oktober 1983 die zum JG-9 gehörende MiG-23 UB (Werknummer A 103 8222) „Schwarze 108“ beim Landeanflug in der Nähe von Peenemünde ab. Die Besatzung findet den Tod. Während einer Luftkampfübung in geringer Höhe schrammt am 21. Mai 1986 die MiG-23 UB (Werknummer A TRAGISCH: Die MiG-23 BN (Werknummer 03932 14219) „Rote 705“ stürzt am 5. Juni 1980 bei Beeskow ab 103 82 85) „Schwarze 110“ des JG-9 bei Hanshagen in bewaldetes Gelände. Die Besatzung kann sich mit dem Schleudersitz retten. Das JGB-37 muss am 17. Juni 1987 die erste an die DDR gelieferte Flogger C „Schwarze 101“ von ihrer Inventarliste streichen, nachdem die Maschine kurz nach dem Start in Drewitz abstürzte. Die Crew hat sich in Sicherheit katapultiert. Leichtgewicht – MiG-23 ML Zahlenmäßig gesehen bildet die ab 1982 eingeführte MiG-23 ML (Flogger G) das Rückgrat des JG-9. Gegenüber der Flogger B besitzt die MiG-23 ML eine markant verbesserte Manövrierfähigkeit im Nahluftkampf. Optisch unterscheidet sich die MiG-23 ML vom Vorgängermuster durch den Wegfall des Knicks im Seitenleitwerk. Die wahren Verbesserungen schlummern allerdings unter der Hülle. Dank konsequenter Leichtbauweise bringt diese Version rund eine Tonne weniger auf die Waage. Das verbrauchsarme Khachaturov-R-35300-Triebwerk verfügt zudem über 127,5 Ki- Tragische Todesfälle TECHNISCHE DATEN MiG-23 ML NATO-CODE FLOGGER G: Diese MiG-23 ML (Werknummer 03093 24619) „Rote 330“ ist mit einer R-13-U-SchreiberRakete ausgerüstet lonewton-Nachbrenner-Schub. Das sind sieben Prozent mehr als beim überaus durstigen R-29-300 der MiG-23 MF. Die Flogger G ist mit einem RP-23ML-Saphir-III-Radar ausgerüstet, das zusammen mit dem Feuerleitkomplex S-23D-III und dem Autopiloten SAU-23AM perfekt auf den Luftkampf in mittleren Höhen zugeschnitten ist. Die insgesamt 32 an die DDR gelieferten MiG-23 ML rollen im Staatlichen Flugzeugwerk 30 „Znamya Truda“ („Banner der Arbeit“) in Moskau-Chodinka vom Band. Diese Flogger G kommen ausnahmslos im JG-9 zum Einsatz. Dort ersetzen sie in der 1. und 3. Staffel die bis dahin verwendeten MiG21 MF. Tragischer Tod Das JG-9 muss vier Verluste hinnehmen. Die Ostsee gibt nur wenige Trümmerteile der am 9. März 1983 während eines nächtlichen Abfangeinsatzes bei Heringsdorf vermissten MiG-23 ML (Werknummer 03903 24044) „Rote 598“ preis. Bei diesem Unfall findet der Flugzeugführer den Tod. Am 12. März Clausewitz 3/2021 SELTENER ANBLICK: Nur zwei MiG-23 UB der Luftstreitkräfte der NVA sind ganz in Grau gehalten. Die „Schwarze 110“ teilt sich in Peenemünde den Hangar mit einer MiG-23 ML Besatzung Triebwerk Schub Geschwindigkeit Gipfelhöhe Aktionsradius Leergewicht Startgewicht Spannweite Länge Höhe Hersteller 1984 stürzt die MiG-23 ML (Werknummer 03903 24047) „Rote 599“ nach einem Triebwerksbrand ebenfalls in die Ostsee. Der Flugzeugführer kann sich zwar katapultieren, ertrinkt aber in den eisigen Fluten. Die MiG-23 ML (Werknummer 03093 24625) „Rote 332“ erleidet am 4. Januar 1988 einen kapitalen Triebwerksbrand und ist nicht mehr zu reparieren. Delikater Kernauftrag Die Luftstreitkräfte der DDR verlieren ihre letzte Flogger G nach dem Mauerfall: Während einer Kunstflugvorführung vor Mitgliedern des westdeutschen Verteidigungsausschusses am 13. September 1990 stürzt die MiG-23 ML (Werknummer 03903 24014) „Rote 519“ über dem Greifswalder Bodden ab. Der Pilot kommt dabei ums Leben. Die Existenz der MiG-23 BN Flogger H hätten wohl Partei- und die Luftstreitkräfteführung am liebsten unter den Tisch fallen lassen. Denn der Jagdbomber birgt in mehrfacher Hinsicht einigen politischen Zündstoff. Gerne vermittelt die DDR in ihrer nach 1 1 x Strahltriebwerk Khachaturov R35-300 84 kN, mit Nachbrenner 127,5 kN 2.500 km/h in 12.500 m Höhe 17.700 m 700 km 10.230 kg 17.800 kg 7,78 m bis 13,97 m 15.58 m (ohne Staurohr) 4,82 m MiG Versuchskonstruktionsbüro Westen gerichteten Propaganda das Bild einer reinen Verteidigungsarmee. Da passen die für Offensivschläge beschafften Jagdbomber aus dem Hause MiG (Mikojan-Gurewitsch) schlecht ins Konzept. Besonders wegen ihres durchaus delikaten Kernauftrages: Die MiG-23 BN ist als lupenreiner Atomwaffenträger gedacht. Die Luftstreitkräfte der DDR erhalten zwischen Juli 1979 und Juni 1981 insgesamt 22 MiG-23 BN, die ausnahmslos dem JBG-37 „Klement Gottwald“ zugeteilt sind. Dieser am 1. Oktober 1971 aus der Taufe gehobene Verband ist auf der Flugplatzbasis 57 in Drewitz im Bezirk Cottbus stationiert und bis zum Wechsel auf die MiG-23 BN mit den auf Jagdbomber getrimmten MiG-17 F Fresco C ausgerüstet. Ein Grund für die Wahl der MiG-23 BN als neuer Standard-Jagdbomber ist die weitgehende Übereinstimmung des Grundaufbaus mit der gut eingeführten Jägervariante der MiG-23. Im Gegensatz zu den MiG-23 MF/ML besitzt die Jagdbombervariante kein Radar-, dafür aber ein Sokol-23N-Navigations- und 67 MIG-23 MATERIELLER VERLUST: Die MiG-23 UB (Werknummer A 103 8285) „Schwarze 110“ geht am 21. Mai 1986 während einer Luftkampfübung verloren. Die Besatzung überlebt Foto: Hans-Joachim Mau Angriffssystem. Das Sokol-23N glänzt mit der Möglichkeit, mehrere zuvor programmierte Ziele automatisiert zu bekämpfen. Die sowjetische Technik stemmt einen au- AUS GEHEIMHALTUNGSGRÜNDEN: Bei dieser im August 1985 in Holzdorf vor SED-Funktionären vorgeführten MiG-23 BN „Rote 731” wurde die erste Ziffer der taktischen Nummer übermalt Foto: Hans-Joachim Mau tomatisch ablaufenden Einsatz – inklusive des Abwurfs der Kampfmittel ohne Bodensicht. Das stellt gegenüber der MiG-17 einen Quantensprung in der Waffentechnik dar. HINTERGRUND Zur Typengeschichte Die MiG-23 ist der einzige vom Versuchskonstruktionsbüro MiG (Mikojan Gurewitsch) entwickelte Schwenkflügler. Der Prototyp absolviert am 10. Juni 1967 den Erstflug. Im Mai 1969 geht das erste Serienmuster MiG-23 S Flogger A in Produktion. Es folgt zwei Jahre später die MiG-23 M, auf deren Grundlage die an sämtliche Staaten des Warschauer Vertrages gelieferte Exportvariante MiG-23 MF entstand. Die nächste Entwicklungsstufe stellt die MiG-23 ML dar, deren Prototyp am 21. Januar 1975 erstmals fliegt. Die Produktion dieses Musters startet bereits ein Jahr später und dauert bis 1983 an. Innerhalb des Warschauer Vertrages operieren nur die DDR sowie die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) mit der Flogger G. 1992 erhält Bulgarien neun MiG- 68 23 MLD Flogger K. Der Prototyp der MiG-23UB-Trainervariante erhebt sich im Mai 1969 zum Erstflug, die Produktion startet 1971. Bis 1978 laufen in Irkutsk 769 MiG-23 UB vom Band. Die nach diesem Zeitpunkt in den östlichen militärischen Beistandspakt exportierten Flogger C sind größtenteils grundüberholte Exemplare, die zuvor bei den sowjetischen Luftstreitkräften Dienst leisteten. Der Produktionszyklus der MiG-23 BN im Staatlichen Flugzeugwerk 30 „Znamya Truda“ spannt sich von 1974 bis 1985. In diesem Zeitraum verlassen 624 Einheiten die Taktstraße von Moskau-Chodinka. Der Löwenanteil dieses Musters ist für den Export bestimmt. Innerhalb des Warschauer Vertrages übernehmen nur Bulgarien, die DDR sowie die ČSSR die Flogger H. IM KALTEN KRIEG: Die im Juni 1982 vom Jagdfliegergeschwader 9 übernommene MiG-23 ML macht sich für einen Trainingsflug bereit. Aus Geheimhaltungsgründen hat man der taktischen Nummer eine „1“ hinzugefügt Foto: Hans-Joachim Mau Wohl ist die mit dem nachbrennerlosen R-29B-300 ausgerüstete MiG-23 BN als konventioneller Erdkämpfer geeignet. Sie kann in dieser Rolle ein ziemlich beeindruckendes Arsenal an Abwurfwaffen im Gewicht von bis zu 3.000 Kilogramm mitführen, darunter die funkkommandogelenkte Ch-23 M (NATO-Bezeichnung Kerry) oder Bomben bis zu einem Kaliber von 500 Kilogramm. Ihr Kernauftrag ist allerdings der Transport einer einzelnen 500-kg-Atombombe mit einer Sprengkraft von knapp 30 Kilotonnen. Das entspricht immerhin dem zweieinhalbfachen Kaliber der am 6. August 1945 mit der B-29 Superfortress „Enola Gay“ über Hiroshima abgeworfenen Atombombe „Little Boy“. Diva der Lüfte Als Nuklearwaffenträger wäre die MiG-23 BN mit einem entsprechenden Bombenreck versehen worden. Dazu hätten die Warte einige Schalter im Cockpit sowie dem Heckbereich umgelegt. Die Nuklearwaffen hätte die Sowjetunion zur Verfügung gestellt. Technischer Quantensprung BEIM „GROSSEN BRUDER“: Eine MiG-23 MF des Jagdfliegergeschwaders 9 schwebt auf einem Flugplatz der 16. Luftarmee zur Landung ein Foto: Hans-Joachim Mau SPÄTERES SCHAUSTÜCK: Diese MiG-23 BN gelangt nach 1990 als 20-52 zur Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching und ist heute Teil der Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz Foto: Marcus Fülber Die für diese möglichen Kernwaffen-Missionen ausgewählten Offiziere und Flugzeugführer sind damals zu größter Geheimhaltung verpflichtet und absolvieren über Peenemünde spezielle Bombenwurf-Lehrgänge. Die MiG-23 BN gilt als eine Diva der Lüfte. Das Muster ist für die Piloten äußerst anspruchsvoll zu fliegen und verzeiht keinen Steuerungsfehler. Das liegt unter anderem auch am für niedrige Höhen konzipierten Autopiloten SAU-23B1 und der Tatsache, dass die für die Steuerung verantwortlichen Stellmotoren sich als entwicklungstechnisch unausgereift präsentieren. Es ist kein Wunder, dass das JBG-37 vier seiner Flugzeuge einbüßt. Den ersten Verlust erleidet das JBG37 am 5. Juni 1980, als der Pilot vergeblich versucht, die MiG-23 BN (Werknummer 03932 14219) „Rote 705“ über Beeskow in Brandenburg aus dem Flachtrudeln zu befreien und bei diesem Manöver den Tod findet. Am 29. Juli 1982 gerät die MiG-23 BN (Werknummer 03932 14216) „Rote 699“ ebenfalls in ein Flachtrudeln und stürzt bei Eisenhüttenstadt ab. Der Pilot kann sich mit Clausewitz 3/2021 NEUES HOHEITSZEICHEN: Für die Fotografen hat man diese MiG-23 MF (Werknummer 03902 13100) 20-05 (ehemals „Rote 585“) „umgewidmet“ Foto: Marcus Fülber dem Fallschirm retten. Nach dem Verlust der Raumorientierung in dichten Wolken findet der Flugzeugführer am 4. Dezember 1985 in der Nähe von Drewitz in seiner MiG23 BN (Werknummer 296322 2831) „Rote 731“ den Tod. Ein Ausfall der Längstrimmung führt am 12. Juni 1986 zum Absturz der MiG-23 BN (Werknummer 03932 15730) „Rote 719“ bei Forst – der Schleudersitz KM1M leistet tadellose Arbeit. Begierde des Westens Mit der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten am 3. Oktober 1990 rückt die MiG-23 ins Rampenlicht der Begierde des Westens. Die in Manching bei Ingolstadt ansässige Wehrtechnische Dienststelle 61 (WTD-61) testet zwei MiG-23 ML sowie drei MiG-23 BN auf Herz und Nieren. Lediglich für die Flugerprobung herangezogene Flogger erhalten das Hoheitszeichen Eisernes Kreuz. Die Bundesluftwaffe entspricht zudem einem Begehren des amerikanischen Verteidigungsministeriums, ihr sechs MiG-23 ML zu überlassen. Diese über Monate in Laage- NEUE VERWENDUNG: Die MiG-23 BN (Werknummer 03932 14213) 20-45 (ehemals „Rote 697“) wird 1992 zum Royal Aeronautical Establishment in Farnborough überführt Foto: Marcus Fülber Kronskamp am Boden gefesselten Flogger G werden aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Da kein fliegendes Personal des JG-9 mehr zur Verfügung steht, verlegen nach einigen Eingewöhnungsflügen Piloten des ehemaligen JGB-37 am 27. und 28. März 1991 die MiG-Maschinen zur Ramstein Air Base. Im Bauch einer Lockheed C-5 Galaxy gelangt das begehrte Gut in die Vereinigten Staaten, wo die ostdeutschen MiG-23 ML in den Bestand der Defense Test and Evaluation Support Agency (DTESA) übergehen. Im Jahr 1993 erhält die USA weitere sechs MiG-23 MF sowie zwei MiG-23 BN aus NVA-Beständen. Es ist ironischerweise der ehemalige „Klassenfeind“ USA, der noch Jahre nach dem Kollaps der DDR die ehemaligen Luftstreitkräfte-Flogger munter in der Luft hält. Hans-Heiri Stapfer, Jg. 1962, wohnt am Zürichsee und interessiert sich seit frühester Jugend für sowjetische Flugzeuge. Der Schweizer Aviatikjournalist hat zu diesem Thema verschiedene Fachpublikationen in den Vereinigten Staaten, England sowie der DDR verfasst. 69 KURIOSITÄTEN & MYSTERIEN | GENERALSTABSCHEF LUIGI CADORNA Der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna GÖTTER, HELDEN UND LUIGI Von Stefan Krüger Auch Italien erlebt im Ersten Weltkrieg sein „Tannenberg“, als es 1917 eine katastrophale Niederlage einstecken muss. Die Gründe mögen vielfältig sein, doch sind sie vor allem mit einem Namen verknüpft: Luigi Cadorna KRIEG IN DER EISHÖLLE: Der italienische Oberbefehlshaber Cadorna hätte sich für seine Offensiven kaum ein schlechteres Terrain aussuchen können. Im Bild ein österreichischer MG-Trupp im Jahr 1917, als die Mittelmächte in den Alpen ihren größten Sieg erringen sollten Foto: Windmill/Robert Hunt Library/UIG/ Bridgeman Images. 70 B egeht man einen Fehler, ist das nur menschlich. Machen wir den gleichen Fehler dreimal, ist es zumindest dämlich. Wiederholt man jedoch den gleichen Fehler zum elften Male, ist es Wahnsinn – willkommen an der Isonzofront! Der hübsche Ausdruck „Treulose Tomate“ stammt vermutlich aus dem Ersten Weltkrieg, als Italien aufseiten der Entente in den Krieg eintritt, obwohl es über den Dreibund (1882) eigentlich mit den Mittelmächten im Bündnis steht. Nüchtern betrachtet, hat Italien seine Karten gut gespielt: Erst als feststeht, dass die Entente-Mächte langfristig im Vorteil sind, erklärt Italien am 23. Mai 1915 Österreich-Ungarn den Krieg. Rom hat sich das ehrgeizige Ziel gesteckt, angrenzende Regionen der Donaumonarchie zu erobern, in denen italienische Minderheiten leben, darunter Südtirol und das Küstenland rund um Triest. Italien muss dafür allerdings einen hohen Preis zahlen. Paris und London erwarten, dass Rom eine neue, eigenständige Front im Alpenraum eröffnet – schließlich ist der Erste Weltkrieg ein „Geschäft“, in dem nur eine einzige Währung zählt: Blut. Die Verantwortlichen in Rom finden auch rasch einen scheinbar passenden Kandidaten für das Amt des Generalstabschefs – Cadorna. Luigi Cadorna kommt am 4. September 1850 zur Welt. Die Fußstapfen, in die er treten muss, sind denkbar groß. Ist sein Vater doch kein Geringerer als Raffaele Cadorna der Ältere, der Held der italienischen Einigungskriege. Ehrensache, dass Luigi bereits im zarten Alter von zehn Jahren eine Militärschule besucht, ehe er mit 15 zur Militärakademie wechselt. Diese wird er drei Jahre später als Bester seines Jahrgangs verlassen. Im Windschatten seines berühmten Vaters steigt er rasch auf und erhält erste wichtige Posten. Krieg führen, das heißt für ihn angreifen. Entsprechend bildet er seine Männer aus, als er das Kommando über das 10. Bersaglieri-Regiment erhält. Schwächen und Fehler toleriert er nicht. Dafür prügelt er den Soldaten eine eisenharte Disziplin ein, sodass sogar ein altpreußischer Unteroffizier voller Ehrfurcht die Hacken zusammengeschlagen hätte. Im Jahr 1908 bietet ihm Rom den Posten des Generalstabschefs an. Doch Cadorna lehnt ab, da er den Eindruck hat, dass die Politik ihn an eine zu kurze Leine nehmen würde. Als der Erste Weltkrieg 1914 ausbricht, akzeptiert er jedoch die Offerte. Die Armee, mit der er AUF DIE SPITZE GETRIEBEN: Diese italienischen Soldaten bahnen sich 1916 einen Weg durchs Hochgebirge. Ein Durchbruch sollte ihnen aber wie schon 1915 verwehrt bleiben Foto: Granger/Bridgeman Images Clausewitz 3/2021 SCHWINDELERREGEND: Österreichische Soldaten versuchen, einen Gebirgskamm zu überwinden. Insgesamt war Österreich auf den Alpenkrieg besser vorbereitet Foto: Granger/Bridgeman Images ein Jahr später gegen Österreich-Ungarn ins Feld ziehen soll, kann sich sehen lassen – zumindest auf dem Papier. So umfasst sie zwar 875.000 Mann, zählt aber nur 120 Geschütze. In einem Konflikt, in dem die Artillerie die wichtigste Waffe darstellt, ist dies bemerkenswert. Cadorna jedenfalls bleibt seinen vor nunmehr 20 Jahren verfassten Grundsätzen treu und geht in die Offensive. Bis Dezember 1915 startet er gleich vier Großangriffe, die allesamt krachend scheitern. 175.000 Mann verliert Italien bei den Versuchen, nach Triest durchzubrechen, während die k. u. k. Armee rund 123.000 Tote, Verwundete und Gefangene zu beklagen hat. Der Erste Weltkrieg mit seinen beschränkten technischen Möglichkeiten begünstigt den Verteidiger massiv. Und umso mehr zählen diese Vorteile im Gebirgskrieg. Nur eine hervorragende Ausrüstung, gepaart mit taktischer Raffinesse, hätte an der Isonzofront zum Erfolg führen können, doch Cadorna besitzt weder das eine noch das andere. Stattdessen peitscht er seine Männer auch 1916 wieder nach vorne, insgesamt fünf Offensiven und allesamt mit dem gleichen Ziel und Ergebnis, wenn man von kosmetischen Geländegewinnen absieht. Cadorna kommt es nie in den Sinn, seine Methode oder, noch besser, die italienische Strategie als Ganzes zu hinterfragen. Drakonische Strafen Schuld sind in seinen Augen die „apathische Heimatfront“, seine Offiziere und natürlich der gemeine Soldat. Letzterer zeigt, wie er glaubt, nicht genug Willen und Disziplin. Um diese zu fördern, erlässt Cadorna drakonische Sanktionen und führt sogar die Todesstrafe ein. 750 Männer lässt er bis Ende 1917 vor das Erschießungskommando schleifen (mehr als Petain!). Außerdem entlässt er 217 Offiziere wegen Inkompetenz – nur nicht sich selbst. Trotz seiner überaus mageren Bilanz muss Cadorna keine schlechte Presse fürchten, im Gegenteil. Im Mai GENERALSTABSCHEF LUIGI CADORNA ... mussten seine Männer bezahlen. Hundertausende erlebten das Kriegsende nicht mehr. Die Aufnahme zeigt gefangene Italiener, die einen verwundeten Österreicher nach hinten bringen müssen Foto: SZ Photo/Scherl/ Bridgeman Images FÜR DEN GENERAL: Cadornas Grausamkeit gegenüber den eigenen Soldaten wurde nur noch von dessen Einfaltslosigkeitt übertroffen. Die Zeche ... Foto: Mondadori Portfolio/ Bridgeman Images SPITZENTREFFEN: Cadorna trifft sich im März 1916 mit den Oberbefehlshabern von Großbritannien und Frankreich. Insbesondere Joseph Joffre (hinten) führte seine Truppen deutlich besser Foto: Bridgeman Images 1916 veröffentlicht die britische The Times gen. Sie scheitern kläglich. Italien kostet dies rund 310.000 einen Jubel-Artikel, der frei von Ironie ei- Soldaten, darunter 66.000 Tote. Diese katastrophale Bilanz ist jedoch nicht nur dem ne Verbindung von Napoleon zu Cadorna zieht. Der bemerkenswerte Beitrag schließt mit den Worten: „Es gibt schwierigen Gelände und den Mängeln der italienischen keinen italienischen Soldaten, der nicht daran glaubt, Armee geschuldet. Es liegt auch sehr an Cadornas Fühdass Cadorna die Armee zum Sieg führen wird.“ Der rungsstil. Kritik, und sei sie auch noch so konstruktiv und sachlich vorgetragen, Autor hätte vielleicht noch wertet er als Angriff auf seihinzufügen sollen, welche „Mit dem sadistischen Vergnügen eines ne Autorität und schmettert Armee er eigentlich meint – die italienische oder die Feldwebels des Ancien Régimes warf Cadorna sie ab. Einen engen Kontakt zur Front, um sich wenigsösterreichische? seine Soldaten immer wieder gegen tens ein eigenes Bild von Im Jahr 1917 verschlechden österreichischen Stacheldraht.“ der Lage zu machen, hält er tert sich die Lage für die Entente dramatisch. Franknicht. Im Gegenteil: GegenKnox MacGregor, US-Historiker reich muss im Frühjahr 1917 über den Sorgen und Nöten eine einjährige Zwangspauseiner Männer zeigt er sich se einlegen, Serbien und Rumänien sind schon längst be- völlig gleichgültig. Das Comando Supremo mutiert auf siegt und Russland scheidet im Laufe des Jahres de facto diese Weise zu einer Parallelwelt, die sich mehr und mehr vom Frontalltag loslöst. aus dem Krieg aus. Die Mittelmächte haben indes das nahe Kriegsende im Klägliches Scheitern Osten genutzt, um starke Kräfte an die Italienfront zu verUnd ausgerechnet in dieser Lage, als die Mittelmächte legen. Der 67-Jährige jedoch kann oder will nicht erkenneue Kraft schöpfen, initiiert Cadorna seine bis dato größ- nen, was sich bei den „Teutonen“ zusammenbraut und ten Offensiven. Zweimal treten die Italiener zwischen Mai befiehlt seinen Verbänden, die offensive Aufstellung zu und September 1917 an, um den Durchbruch zu erzwin- wahren. Erst wenige Tage vor dem Großangriff beginnt Cadorna doch zu zweifeln und befiehlt, Defensiv-Positionen einzunehmen. Doch anstatt persönlich und energisch dafür zu sorgen, dass die Order prompt ausgeführt wird, verharrt er in seinem Hauptquartier und lässt zu, dass seine Untergebenen viel Zeit vertrödeln. Für die Mittelmächte ist dies wie eine Einladung: Am 24. Oktober 1917 eröffnen sie die 12. Isonzoschlacht, in der sie die Italiener geradezu vernichtend schlagen. Innerhalb weniger Tage töten oder verwunden die Truppen der Mittelmächte 40.000 Mann und machen knapp 300.000 Gefangene. Darüber hinaus erbeuten sie über 5.000 Geschütze und Minenwerfer, knapp 3.000 MG und unzähliges weiteres Kriegsmaterial. Die Verantwortlichen in Rom haben nun jedenfalls genug und entlassen den glücklosen General am 9. November 1917. Dessen ungeachtet wird Cadorna später noch eine zweifelhafte Ehre zuteil: 1924 ernennt ihn Mussolini, der von Cadornas Führungsstil beeindruckt war, zum Marschall. Vollständig „rehabilitiert“, stirbt Cadorna vier Jahre später im Alter von 78 Jahren. Stefan Krüger, Jg. 1982, Historiker aus Dasing. 72 ISBN 978-3-86646-144-4 | Preis: 19,90 € ISBN 978-3-86646-126-0 | Preis: 19,90 € ISBN 978-3-86646-112-3 | Preis: 19,90 € ISBN 978-3-86646-060-7 | Preis: 34,50 € ISBN 978-3-86646-093-5 | Preis: 34,90 € ISBN 978-3-86646-051-5 | Preis: 19,90 € ISBN 978-3-86646-031-7 | Preis: 14,90 € ISBN 978-3-86646-154-3 | Preis: 24,90 € ISBN 978-3-86646-201-4 | Preis: 39,90 € Standard- und Zitierwerke für Fordern Sie kostenlos un ser Verlagsprogram m an! Postfach 166 | 93122 Regenstauf Tel. 0 94 02/93 37-0 | Fax 0 94 02/93 37-24 E-Mail: info@battenberg-gietl.de www.battenberg-gietl.de Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag. MILITÄR UND TECHNIK | PANZER 38 (D) Geheimprojekte auf Basis des Panzerkampfwagens 38 (t) Unvollendete Hoffnungsträger 1939–1945 Ausgehend vom Panzerkampfwagen 38 (t), entwickeln deutsche Konstrukteure eine Vielzahl an Ideen für neue Fahrzeuge. Besonders der Panzer 38 (d) scheint Erfolg versprechend. Gelingt ein großer Wurf? Von Thomas Anderson VIELSEITIG: Der Panzerkampfwagen 38 (t) besitzt 1939/40 etwa denselben Kampfwert wie der Panzerkampfwagen III. 1942 führt man den leichten Panzer weiteren Aufgaben zu, er ist zudem Ausgangspunkt für zahlreiche geheime Projekte Foto: Sammlung Anderson M it der Zerschlagung der „Rest-Tschechei“ im Frühjahr 1939 finden zwei „neue“ Panzertypen aus ausländischer Produktion den Weg in die deutschen Arsenale. Beide wird die Wehrmacht im Polen- und Frankreichfeldzug einsetzen. Bereits 1940 stellt das Heer zwei Divisionen (7. und 8. Panzerdivision) mit dem Panzerkampfwagen (PzKpfw) 38 (t) auf. Dieser leichte „Tschechen-Panzer“ ersetzt die Planstelle des PzKpfw III. 74 Im Jahr 1941, beim Angriff auf die Sowjetunion, sind fünf der 17 beteiligten Panzerdivisionen der Wehrmacht (7., 8., 12., 19. und 20.) mit dem PzKpfw 38 (t) ausgestattet. Rechnet man die 6. Panzerdivision mit ihren PzKpfw 35 (t) zu, ist im Sommer 1941 mehr als ein Drittel der deutschen Panzerstreitmacht mit Kampfwagen aus tschechischer Produktion ausgerüstet. Die schnellen Panzer passen gut zur deutschen Kampfdoktrin des Bewegungskriegs und können sich während der Zeit der „Blitzsiege“ oft bewähren. Doch das ausgehende Jahr 1941 erweist sich als dramatischer Wendepunkt, denn vor den Toren Moskaus stößt der „Blitzkrieg“ an seine Grenzen. Weiterentwicklungen schreiten rasant voran, die tschechischen Fahrzeuge sind als Panzer technisch bereits überholt. Für die deutsche Militär- und Heeresführung stellen sich angesichts dieser Tatsache WEITERENTWICKLUNGEN: Der Hetzer (im Bild) basiert auf dem Panzerkampfwagen 38 (t). 1945 soll der neue Panzerjäger 38 (d) wiederum aus dem Hetzer hervorgehen, doch der Kriegsverlauf verhindert die Produktionsreife Foto: Sammlung Anderson GESCHICKTE FORMGEBUNG: Leichter Jagdpanzer 38, von der Truppe Hetzer genannt. Durch Umkonstruktion soll 1945 ein verbesserter Panzerjäger mit leistungsstärkerer Kanone folgen, doch dazu kommt es nicht mehr Foto: Sammlung Anderson drängende Fragen: Was soll nun mit den in großen Stückzahlen vorhandenen PzKpfw 38 (t) geschehen? Wie passt der Hersteller Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik (BMM, vormals CKD) noch in die Plänen für die deutsche Rüstungsindustrie? Neue Weiterentwicklungen Zunächst ersetzt man im Heer sukzessive den PzKpfw 38 (t) durch den PzKpfw III mit 5-cm-Kampfwagenkanone. Zu Beginn der Sommeroffensive 1942 an der Ostfront ist lediglich die 22. Panzerdivision fast vollständig mit 118 PzKpfw 38 (t) ausgestattet. Weitere vier Panzerdivisionen führen noch geringe Stückzahlen im Bestand. Bereits seit April 1942 läuft die Produktion von Panzerjäger-Selbstfahrlafetten auf Basis des PzKpfw 38 (t). Unter Nutzung der russischen 7,62-cm-Beute-Pak und später auch der 7,5-cm-Pak 40 liefert die Rüstungsindustrie bis Mai 1944 über 1.200 Selbstfahrlafetten (Sfl) aus. Außer mit den Panzerabwehrgeschützen der 7,5-cm-Klasse rüstet man den PzKpfw 38 (t) bald mit dem schweren Infanteriegeschütz (15-cm-sIG 33) aus. Bis Mitte 1943 verwendet man die kaum veränderte Wanne des PzKpfw 38 (t), dann folgt der Geschützwagen 38 (GW 38). Indem die Ingenieure den GW 38 heranziehen, entClausewitz 3/2021 wickeln sich Projekte, die sogar den Einbau der Panther-Kanone 7,5-cm-L/70 „überlang“ vorsehen. Die weitreichende Waffe hätte den Panzerjäger-Abteilungen eine sehr wirkungsvolle Waffe gegeben. Man lässt das Projekt letztlich jedoch fallen. Auf Basis des GW 38 wird aber der Flakpanzer 38 (t) gebaut. 141 Fahrzeuge laufen der Truppe zu. Aufklärungsvariante Um einerseits die vorhandenen Kapazitäten bestmöglich zu nutzen und anderseits tatsächlich vorhandene Lücken zu füllen, entwickeln die Konstrukteure und Ingenieure einen Aufklärungspanzer auf Basis des nur wenig veränderten PzKpfw 38 (t). Auf einen genieteten winkligen Aufbau setzt man den Drehturm des Sonderkraftfahrzeugs 250/9 (Ausf B) mit der 2-cm-Hängelafette auf. 70 Fahrzeuge entstehen, doch der Entwurf stellt eher eine Notlösung als den großen Wurf dar. In ähnlicher Weise schlagen Experten vor, die 1942/43 in großen Mengen verfügbare 7,5-cm-Kampfwagenkanone L/24 des PzKpfw IV auf einen ähnlichen, größeren Aufbau zu montieren. Auf Basis des GW 38 entstehen weitere Vorschläge zur Schaffung von Aufklärungsfahrzeugen, etwa mit einem 8-cm-Granatwerfer 34 in einem offenen Aufbau. Bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs forderte das Heereswaffenamt einen schnellen Aufklärungspanzer auf Vollketten-Fahrgestell. Indem die Ingenieure Bauteile des PzKpfw 38 (t) verwenden, entwickelt BMM den PzKpfw 38 (t) „neuer Art“. Dieser entspricht im Großen und Ganzen seinem Vorgänger. Er erreicht aber eine deutlich höhere Geschwindigkeit und ist mit verbesserten Beobachtungsmitteln versehen. Auch hier kommt es nicht zu einer Serienfertigung. Zwei Jahre nach dem Panzerschock des Jahres 1941, bei dem die Wehrmacht böse Überraschungen an der Ostfront erlebte, fährt die deutsche Panzerwaffe zweigleisig. Die modernisierten Varianten des PzKpfw IV sind in der Lage, auch die moderneren sowjetischen Panzer wie T-34 und KW (Kliment Woroschilow) sowie den amerikanischen M4 Sherman mit Aussicht auf Erfolg zu bekämpfen. Mit Entwicklung des schweren Kampfpanzers Tiger und des mittleren Panzers Panther stehen ab Ende 1942 schließlich sogar überlegene Waffensysteme zur Verfügung. Die begrenzten Kapazitäten der deutschen Industrie machen es jedoch unmöglich, die Panzerdivisionen schnell und vollständig auf den Panther umzurüsten. Vom StuG zum Hetzer In dieser Situation werden effektive Geschütze zur Bekämpfung der zahlenmäßig überlegenen Feindpanzer immer wichtiger. Es schlägt die Stunde des Sturmgeschützes (StuG). Das Fahrgestell des PzKpfw III, das man ursprünglich für einen Drehturm mit einer 3,7-cm-Waffe entworfen hatte, kann bei 75 PANZER 38 (D) OHNE ERFOLG: Auf Basis des Hetzer wird auch das 15 cm schwere Infanteriegeschütz 33 eingebaut. Es dient der direkten Feuerunterstützung der Panzergrenadiere. Zu einer Serienfertigung kommt es nicht Foto: Sammlung Anderson Wegfall des Turmes eine 7,5-cm-Waffe in einem Kasematt-Aufbau tragen. Schwere Bombenangriffe auf den Hersteller Alkett (Altmärkische Kettenwerke) im November 1943 werfen die Produktion dieser Fahrzeuge jedoch weit zurück. Nun soll BMM in Prag aushelfen. Kann die Firma die Produktion der StuG übernehmen? Die Antwort heißt: nein. Das zirka 24 Tonnen schwere StuG ist schlichtweg zu groß für die tschechischen Produktionsanlagen. Daher erhält BMM nun den Auftrag, unter Einsatz vorhandener Teile einen leichten Jagdpanzer zu entwickeln. Die 7,5-cmSturmkanone des StuG übernimmt man. Die Panzerung wird aufgrund von Gewichtsbegrenzungen eher schwach ausfallen. Zum Ausgleich stellt man die Panzerplatten schräg. Im Frühjahr 1944 steht ein Prototyp zur Verfügung. Obwohl wesentliche Teile vom PzKpfw 38 (t) stammen, ist dieser Jagdpanzer eine weitgehende Neukonstruktion. Die Wanne ist deutlich breiter und hat schräge Seitenteile. Auch Laufrollen und Kette sind größer dimensioniert. Der Hetzer kommt Zudem überarbeiten die Ingenieure die Waffe des StuG. Um Platz und Gewicht einzusparen, wird diese statt auf einem Wan- KEIN ZULAUF ZUR TRUPPE: Dem Ein- und Ausstieg dient eine zweiteilige Tür im Heck. Grundsätzlich wäre mit dem „Kätzchen“ der erste Foto: Sammlung Anderson echte Schützenpanzerwagen realisiert worden 76 nensockel direkt an der schrägen Frontplatte montiert. Ab Mitte 1944 läuft der neue leichte Panzerjäger 38 den Panzerjäger-Kompanien der Infanteriedivisionen zu. Von der Truppe wird das Fahrzeug kurz und treffend Hetzer genannt. Noch während dieser Panzerjäger der Kampftruppe zuläuft, entwickelt die Rüstungsindustrie das Konzept weiter. Eine rücklauflose Bewaffnung, die weiteren Platz einsparen kann, wird bis Kriegsende umgesetzt. Auch steht 1945 ein Dieselmotor zur Verfügung, der zugleich stärker und wirtschaftlicher ist. ENTWURF: Dieses Modell zeigt eine Panzerjäger-Selbstfahrlafette auf Basis des Geschützwagens 38. Die überlange 7,5-cm-L/70 ist in einem drehbaren Aufbau lafettiert Foto: Sammlung Anderson Vielfältige Ideen VOM „FÜHRER“ BEGUTACHTET: Der Panzerkampfwagen 38 (t) „neuer Art“ ist als leichter Aufklärungspanzer ausgelegt. Hier besichtigt Hitler das Fahrzeug, rechts mit Hut ist Ferdinand Porsche erkennbar Foto: Sammlung Anderson Als wichtige Variante produziert die Industrie auf Basis des leichten Jagdpanzers Hetzer einen Bergepanzer. In geringen Stückzahlen erhält die Truppe auch einen Flammpanzer. Sonderfall „Kätzchen“ Eine vielversprechende Nutzung von Hetzer-Bauteilen ergibt sich fast beiläufig im Jahr 1944. Als die Auto Union einen Vollketten-Nachfolger für den mittleren Schützenpanzer entwickelt, testet man für dieses Projekt verschiedene Laufwerke. Zunächst entwickelt die Firma ein sehr leistungsfähiges geschachteltes Laufwerk mit effektiver Drehstabfederung entsprechend dem Stand der deutschen Technik. Parallel dazu testet man ein deutlich kostengünstigeres Laufwerk mit den Doppel-Rollenwagen des Hetzers samt Ketten. Vergleichsfahrten auf Straße und im Gelände ergeben die Überlegenheit des deutschen Schachtellaufwerks, das Vergleichs- NOTLÖSUNG: Der Aufklärungspanzer basiert auf dem Panzerkampfwagen 38 (t). Das Fahrzeug ist mit weitreichenden Funkgeräten ausgestattet Foto: Sammlung Anderson VIELSEITIGE BASIS: Der Panzerkampfwagen 38 (t) wurde auch mit Schwimmpontons versehen und ausgiebig erprobt Foto: Sammlung Anderson modell kann wegen seiner Tendenz zum Aufschaukeln nicht mit hoher Geschwindigkeit fahren. Besonders im Gelände macht sich das Fehlen von Stoßdämpfern bemerkbar. Auch dieses Modell (Kätzchen) gelangt nicht mehr in Serienreife zur Truppe. Die Auslegung des Panzerjägers 38 (Hetzer) fordert die Entwickler weiter heraus. Über das Jahr 1944 entstehen neue Ideen. Im September ergeht der Befehl, das Monatssoll auf 1.000 Fahrzeuge zu erhöhen. Obwohl die Industrie in diesem Kriegsjahr Höchstleistungen erreicht, können BMM (und Skoda) diese Vorgaben nicht annähernd erreichen. Unter dem Eindruck der desolaten Fertigungssituation im Deutschen Reich ist das BMM-Grundkonzept jedoch überzeugend. Die grundsätzlich einfache Technik eignet sich deutlich besser für eine Massenferti- gung als die modernen deutschen Entwicklungen. So sind zum Beispiel die blattgefederten Rollenwagen leicht herzustellen. Als kompakte Einheit können sie an jede Wannenform montiert werden, im Innenraum wird kein Platz benötigt. Revolutionärer Entwurf Nun mehren sich Stimmen, den leichten Panzerjäger 38 (t) umzukonstruieren, damit ein Bau bei deutschen Herstellern möglich ist. Diese Ausführung, zunächst als leichter Panzerjäger „Reich” bezeichnet, zeigt eine sechs Zentimeter breitere Wanne mit nun senkrecht ausgeführten Seitenwänden. Ein V12-Tatra-Diesel mit 200 bis 220 PS soll das Fahrzeug über eine Schalt- und Lenkgetriebe deutscher Produktion antreiben. Auch die Gleisketten sollen von 35 auf 46 Zentimeter TECHNISCH-TAKTISCHE LEISTUNGDATEN (*ZUM TEIL ANGENOMMEN): PzKpfw 38 (t), Hetzer und Geheimprojekte Typ Einsatzzweck Gewicht Motor Motorleistung Höchstgeschwindigkeit Bewaffnung Panzerkampfwagen/ PzKpfw 38 (t) leichter Panzer 9,85 t Praga TNHPS/II 125 PS 42 km/h 3,7-cm-Kampfwagenkanone / Kwk 38 (t) Frontpanzerung 50 mm (ausf G) Produktion 1.414 Clausewitz 3/2021 PzKpfw 38 (t) „neuer Art“38 le Jagdpanzer 38 Hetzer Aufklärungspanzer leichter Jagdpanzer 10,6 t Tatra V12 Benzin 220 PS 52,5 km/h 16 t Praga EPA-AC 150/160 PS 40 km/h* 3,7-cm-Kwk 38 (t) 30 mm 5 Prototypen 7,5-cm-Pak 39 7,5-cm-Pak 39 60 mm 2.612 Projekt Japdpanzer 38 (d) L/48 leichter Jagdpanzer Projekt Panzeraufklärer 38 (d), L/28,5 Sturmgeschütz, Unterstützungsfahrzeug 18 t* 18 t* 18 t* Tatra V12 Diesel Tatra V12 Diesel Tatra V12 Diesel 220 PS* 220 PS* 220 PS* 40 km/h* 40 km/h* 40 km/h* 60 mm keine Fertigung Projekt Japdpanzer 38 (d) L/70 schwerer Jagdpanzer 7,5-cm-Sturmkanone 42 60 mm keine Fertigung 10,5 cm Sturmhaubitze 42/2 60 mm keine Fertigung Projekt Panzeraufklärer 38 (d), 2 cm Aufklärungspanzer Projekt Panzeraufklärer 38 (d), 7,5 cm AufklärungsUnterstützungsfahrzeug 14 t* 14 t* Tatra V12 Diesel Tatra V12 Diesel 207 PS* 207 PS* 52 km/h* 52 km/h* 2-cm-Flak 38 30 mm keine Fertigung 7,5-cm-AufklKan 7 B 30 mm keine Fertigung 77 PANZER 38 (D) VIELFÄLTIGES KONZEPT: Der Panzerkampfwagen 38 (d) soll eine Anpassung an unterschiedliche Verwendungszwecke erlauben. Der Panzeraufklärer trägt Drehturm und Hängelafette des Sonderkraftfahrzeug 250/9 auf einer verlängerten Wanne Zeichnung: H. Doyle AUSGESCHALTET: Ein von US-Truppen vernichteter Hetzer. Die seit Mitte 1944 an die Fronten rollenden leichten Panzerjäger sind eine wirksame Verstärkung. Anders als viele Konzepte im Projektstadium, laufen diese Fahrzeuge der Truppe zu Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage|©Usis-Dite/Leemage anwachsen. Damit die Konstruktion auch ein Gewicht von bis zu 20 Tonnen abfedern kann, ersetzt man die Blattfedern der Doppelrollenwagen durch vertikal aufgehängte Kegelfedern. Mit einem Kraftstoffvorrat von 380 Litern will man Reichweiten von 500 Kilometern auf der Straße und 300 Kilometern im Gelände erreichen – dies wären hervorragende Werte. Die Panzerung soll plangemäß frontal 60 Millimeter bei geschossabweisender Neigung betragen. Anfang 1945 erhält der „SturmgeschützSpezialist“ Alkett erste Aufträge, die Bezeichnung ändert sich in Jagdpanzer 38 (d). Zunächst soll die 7,5-cm-Pak 39 L/48 des Hetzers unverändert eingebaut werden. Um überlegene Durchschlagskraft zu erreichen, steht darüber hinaus die vom Panther bekannte 7,5-cm-Pak 42 L/70 zur Verfügung. Zur Feuerunterstützung erwägt man zudem der Einbau der 10,5-cm-Sturmhaubitze 42/2. Den ersten Prototyp will man dem „Führer“ am 20. April 1945, dem 56. Geburtstag des Diktators, vorstellen. Hitler bezeichnete bereits zuvor den Hetzer als eine der besten Panzerkonstruktionen des Krieges. Angesichts des Kriegsverlaufs ist es jedoch utopisch, die entsprechenden Pläne umzusetzen. Nicht ansatzweise verläuft die Entwicklung wie gewünscht. Lässt sich das Konzept des Panzerjägers 38 (d) bewerten, obwohl es seine Stärken (und Schwächen) nie in der Realität beweisen musste? Es folgt ein Versuch: Jagdpanzer (im deutschen Sprachgebrauch war diese Bezeichnung synonym mit dem StuG) verfügen über gewisse Vorteile. Der Wegfall des Turmes spart Gewicht. Die Konstrukteure nutzen dies, um die Panzerung zu erhöhen oder wahlweise die Beweglichkeit zu verbessern. Letzteres würde die Antriebskomponenten schonen und sich darüber hinaus positiv auf den taktische Einsatzdauer auswirken. TECHNIK IM DETAIL Jagdpanzer 38 D 60-mm-Frontpanzer bei guter Formgebung Zielfernrohr des Richtschützen von innen bedienbares MG 34 Beobachtungsfernrohr des Panzerführers, ungenügende Beobachtungsmittel 7,5-cm-Pak 42 L/70 verbreiterte Wanne und Spur Rollenwagen des „Hetzer“ mit neuen Kegelfedern Wannenseiten nun senkrecht ausgeführt Ketten auf 46 cm verbreitert 200-PS-TatraV12-Diesel GEPLANTER PANZERJÄGER: Der Jagdpanzer 38 (d) entspricht grundsätzlich dem Hetzer, ist jedoch an die deutsche Produktionstechnik im Reich angepasst Zeichnung: H. Doyle 78 Wie bereits beim StuG macht das Heer im Einsatz die Erfahrung, dass es nötig ist, den Panzerschutz ständig zu erhöhen. Als Folge des fehlenden Drehturmes kann das Heer Jagdpanzer/StuG – anders als Panzer – nur unter gewissen Voraussetzungen als offensives Kampfmittel einsetzen. In der Defensive haben Jagdpanzer Vorteile. So kann die Besatzung aufgrund des flachen Gesamtaufzugs ein Anschleichen und den Kampf aus gedeckter Feuerstellung überraschend durchführen. Als Defensivwaffe wäre der Jagdpanzer 38 d L/70 zweifellos eine potenziell effektive und gefährliche Waffe. Unvollendete Visionen Die deutschen Planer machen sich lange Zeit viele Gedanken, wie sie das neue Konzept verwenden können. Wie schon zuvor entstehen auf dem Reißbrett eine Menge unterschiedlichster Varianten, darunter: • Panzeraufklärer mit 2-cm-Hängelafette, • Panzeraufklärer mit 7,5-cm-Aufklärerkanone 7 B (vermutlich L/48), • Flakpanzer Kugelblitz auf 38 (d), • 28-cm-Sturmmörser auf 38 (d), • Geschützwagen/Waffenträger für 8,8-cm-Pak 43, • Geschützwagen/Waffenträger für 10,5-cm-leichte Feldhaubitze 18, • Geschützwagen/Waffenträger für 12,8-cm-Kanone K 81. Der Weg zum Jagdpanzer 38 (d) zeigt die visionäre Weitsicht der Konstrukteure bei Alkett. Sie wollen unter Einsatz vorhandener Technik und unter wirtschaftlichen Mangelerscheinungen zum Teil revolutionäre Technikprojekte umsetzen. Doch zur Serienreife dieser Fahrzeuge kommt es nicht mehr. Zu seinem letzten Geburtstag am 20. April 1945 geht der „Führer“ somit leer aus. Amerikas Urkatastrophe Jetzt am Kiosk! Clausewitz schildert den epochalen Bruderkrieg der Vereinigten Staaten von der Vorgeschichte bis zum bitteren Ende 1865. 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H Hermann Moritz von Sachsen ist das erste einer Reihe illegitimer Kinder des für seine Mätressenwirtschaft berühmt-berüchtigten sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken. Er kommt am 28. Oktober 1696 in Goslar zur Welt, nur elf Tage später als der einzig legitime Sohn und spätere Kurfürst Friedrich August III. Seine Mutter ist die schwedische Adlige Aurora von Königsmarck. Kriegsdienste als Knabe Wie auch allen seinen späteren Mätressensöhnen lässt August der Starke Moritz eine solide Ausbildung zukommen und sieht ihn für eine militärische Laufbahn vor. August selbst hatte erst 1695/96 die österreichische B I O G R A P H I S C H E D AT E N Moritz von Sachsen IN VOLLER RÜSTUNG: Als glänzenden Feldherren zeigt dieses Ölgemälde Moritz von Sachsen. Durch Können und Talent bringt es der Deutsche bis an die Spitze Abb.: pa/akg-images des französischen Heeres 80 28. Oktober 1696: Geburt in Goslar 11. September 1709: Teilnahme in der Schlacht bei Malplaquet 1711–1717: Teilnahme am Großen Nordischen Krieg, zuletzt als Oberst eines Kürassierregiments 1718: Teilnahme am Türkenkrieg, Schlacht bei Belgrad 1720: Eintritt in die französische Armee als „maréchal de camps“ 1722: Übernahme des Regiments Greder (nun „de Saxe“) 1726: Wahl zum Herzog von Kurland 1727: Vertreibung aus Kurland 1733–1735: Teilnahme am Polnischen Thronfolgekrieg 1. September 1734: Ernennung zum Generalleutnant 1740–1748: Teilnahme am Österreichischen Erbfolgekrieg 26. November 1741: Eroberung von Prag 26. März 1743: Ernennung zum Marschall von Frankreich 1744: Befehlshaber der Englandarmee 1745: Befehlshaber der Flandernarmee, Sieg bei Fontenoy (11. Mai) 11. Oktober 1746: Sieg bei Roucoux 2. Juli 1747 : Sieg bei Lauffeldt 7. Mai 1748: Einnahme von Maastricht 30. November 1750: Tod in Chambord 1743: Moritz von Sachsen wird zum Marschall von Frankreich ernannt – der höchste Rang, den die französische Armee zu vergeben hat. Sogar der Preußenkönig liest seine kriegstheoretischen Schriften und lobt diese. Der illegitime Adelssohn steht im Zenit einer vielseitigen und glänzenden Karriere: Er gilt als fähigster Feldherr Frankreichs und blitzgescheiter Geistesarbeiter Von Alexander Querengässer Armee im Krieg gegen die Türken befehligt. Ein Großteil seiner Regierungszeit wird vom Kampf gegen Schweden bestimmt werden. August selbst erweist sich dabei als mäßig talentierter Heerführer, aber energischer Reformer. Bereits mit zehn Jahren wird Moritz zum Studium nach Halle an der Saale geschickt. Mit zwölf dient er im sächsischen Kontingent der Reichstruppen unter dem Prinzen Eugen von Savoyen im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–14) und nimmt an der blutigen Schlacht bei Malplaquet teil, wo man ihn allerdings zu seinem Ärger zum Schutz der sächsischen Bagagewagen abstellt. Er gerät ins Blickfeld der großen Soldaten seiner Zeit, allerdings mahnt ihn Eugen 1710, er solle nicht Unbesonnenheit mit Mut verwechseln. Auch sein Vater ist nicht gewillt, dass Moritz seine hohe Geburt ausnutzt, um sich im Feld ein leichtes Leben zu machen. Den Befehlshaber des sächsischen Korps, den Grafen von der Schulenburg, weist er an, Moritz solle in Flandern zu Fuß marschieren und sich nicht von seinen Wachdiensten freikaufen. Schulenburg ist selbst ein erfahrener Soldat, und auch wenn er nicht großartig als Militärtheoretiker in Erscheinung tritt, besitzt er doch eine große Sammlung kriegsgeschichtlicher Werke und ist sicherlich ein wichtiger Mentor des jungen Moritz. Wie der Vater, so der Sohn FELDHERR UND PHILOSOPH: Moritz von Sachsen (französisiert: Maurice de Saxe) brilliert auf mehr als einem Gebiet – er ist sowohl ein hervorragender Heerführer als auch ein tiefsinniger Denker Abb.: pa/akg-images/Erich Lessing Clausewitz 3/2021 Als Kaiser Joseph I. im Folgejahr stirbt und August der Starke das Reichsvikariat übernimmt, ernennt er Moritz zum Grafen von Sachsen. Er kämpft nun im Großen Nordischen Krieg (1700–1721), zunächst in Pommern, wo er sich 1712 in der Schlacht bei Gadebusch so sehr auszeichnen kann, dass August ihn mit gerade einmal 16 Jahren zum 81 Abb.: picture-alliance/akg-images; picture allianc/United Archives/WHA; picture allianc /Design Pics /Ken Welsh MORITZ VON SACHSEN BERÜHMTE BEWUNDERER Friedrich der Große, General Nathanael Greene und Napoleon gehören zu den Menschen, die das militärische Können von Moritz von Sachsen besonders schätzen – ein beeindruckender „Fanclub“ Kommandeur eines Kürassierregiments ernennt, und dann in Polen, wo sich sein Vater 1716/17 mit einem Adelsaufstand konfrontiert sieht. Als die sächsische Armee nach Kriegsende 1717 drastisch reduziert werden muss, fällt auch das Kürassierregiment Graf Moritz von Sachsens den Reformen zum Opfer, worüber es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn kommt. Moritz behauptet, dass das Regiment aufgrund seiner eigenen Abstammung und seiner Verdienste im Krieg ein höheres Recht habe, bestehen zu bleiben. Der Kurfürst warnt den Sohn, dass diese unnachgiebige Art seine Mutter (die Gräfin von Königsmarck) ins Kloster nach Quedlinburg geführt habe. Moritz erwidert, dass es keine Abtei gebe, in die ein Oberst abgeschoben werden könne, worauf sein Vater mit kühler Strenge antwortet, für diese sei der Königsstein (eine als Gefängnis dienende sächsische Festung) reserviert. Zahlen, Karten und Röcke Verärgert gibt Moritz nach, kann aber im selben Jahr neue Meriten erwerben, da er sich mit einem sächsischen Hilfskorps der kaiserlichen Armee im Kampf gegen die Türken anschließt, wo er an der Schlacht bei Belgrad teilnimmt. Anschließend geht er nach Paris, um Mathematik zu studieren. In seinem 82 Temperament und seiner Leidenschaftlichkeit, seiner Liebe für Kunst und für Frauen gleicht Moritz in vieler Hinsicht seinem Vater, allerdings verfügt er auch über genügend Disziplin, um seine Studien, allen voran in der Kriegswissenschaft, gewissenhaft voranzutreiben. Herzogstitel ja, Heirat nein 1720 wechselt Moritz im Rang eines Maréchal de camp (Brigadegeneral) in französische Dienste und wird 1722 Chef eines deutschen Regiments. Drei Jahre später treiben zaristische Truppen Moritz bereits ein Jahr später mit Waffengewalt aus Kurland. Der junge Graf tritt wieder in den Dienst des französischen Königs. Dennoch steht er weiterhin in Kontakt zu seinem Vater und fasst 1732 seine Gedanken über eine Reform der sächsischen Armee in einem Schriftstück zusammen, das nach seinem Tod als Mes Rêveries und kurz darauf in deutscher Übersetzung als Einfälle über die Kriegskunst veröffentlicht wird. Moritz zeigt sich darin skeptisch gegenüber der Feuerkraft von Infanterie und verweist auf „Im Ganzen betrachtet sind Kavalleriemanöver außerordentlich schwierig. Kenntnis des Geländes ist absolut notwendig (...) und obendrein ein kühner Geist!“ Moritz von Sachsen bringt er sich für die Wahl eines Herzogs von Kurland – einer halbautonomen Provinz des Königreichs Polen – ins Spiel. Die Herzoginwitwe Anna Iwanowa unterstützt Moritz und bietet ihm sogar ihre Hand an. Tatsächlich wählt man ihn 1726 zum neuen Herzog, die Hochzeit lehnt er allerdings ab. Da Russland nicht daran interessiert ist, August den Starken in Polen zu stärken, ver- ein Beispiel aus der Schlacht von Belgrad, als eine österreichische Salve auf kurze Distanz verpuffte. Stattdessen befürwortet er den Blankwaffeneinsatz und empfiehlt, einen Teil der Infanterie wieder mit Piken auszustatten. Moritz bezieht sich dabei vor allem auf die Arbeiten des Marquis de Folard, der bereits in den 1720er-Jahren für den Einsatz von Ko- Moritz ist eine Schlüsselperson am Hofe von Versailles lonnen („ordre profond“) im Gegensatz zur Feuerlinien („ordre mince“) plädierte. Der Tod Augusts des Starken 1733 löst einen Thronfolgekrieg in Polen aus, der weite Kreise in Europa zieht. Frankreich und Österreich bekämpfen sich am Rhein und in Italien. Moritz dient zunächst unter dem erfahrenen Marschall Jacques Fitz-James Berwick – seinerseits ein illegitimer Spross des vertriebenen englischen Königs James II. und der Schwester des Herzogs von Marlborough – bei der Belagerung von Philippsburg, wo Berwick durch einen Kanonenschuss enthauptet wird. Moritz bewährt sich und steigt in den Rang eines Generalleutnants auf. 1739 verletzt er sich bei einem Sturz vom Pferd schwer – seine Gesundheit verschlechtert sich in der Folge dramatisch. Frankreichs fähigster Feldherr Im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740– 1748) erwirbt sich Moritz schließlich unsterblichen Ruhm als größter Feldherr Europas seit John Churchill (Duke of Marlborough) und Eugen. 1741 führt er erstmals ein größeres Kommando. Mit einer französisch-bayeDER KÖNIG UND SEIN BESTER OFFIZIER: Während der Schlacht bei Lawfeld (Juli 1747) zeigt Ludwig XV. auf das gleichnamige Dorf im Hintergrund. Moritz von Sachsen befindet sich links neben ihm. Die Ideen und Pläne des Marschalls sind nicht unfehlbar, doch insgesamt erfolgreich. Der König vertraut ihm deshalb und fährt sehr gut damit … Abb.: picture alliance/Luisa Ricciarini/Leemage HINTERGRUND Motivation statt Prügel Das 18. Jahrhundert gilt als eine Zeit unmenschlicher Disziplin, die man den Soldaten mit aller Gewalt einprügelt. „Der Soldat muss seine Offiziere mehr fürchten als den Feind“, behauptet Friedrich II. Moritz von Sachsen gilt hingegen als Vertreter eher fortschrittlicher Methoden. Zwar erkennt auch er die Notwendigkeit harter Disziplin, allerdings will er seine Soldaten motivieren und inspirieren. Seiner Auffassung nach spielt das Herz (cœur) eine besondere Rolle im Kampf. Er selbst gilt als fürsorglicher Heerführer. Damit steht er jedoch nicht allein. Vermutlich hat er seine Ansichten hierzu bereits in jungen Jahren während seiner Dienstzeit in Sachsen erworben. Sein damaliger Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall Jakob Heinrich von Flemming hält ebenfalls wenig von übertriebener Züchtigung und weißt die Offiziere seines Regiments an: „So wird doch hier die Maaße öffters gar sehr überschritten in dem die fast tägliche Erfahrung gezeiget, daß so wohl bey den Compagnien, als auf dem Parade-Plaz denen gemeinen Soldaten wegen eines zu weilen schlechten Ver- rischen Armee marschiert er nach Prag, vereint sich mit einem sächsischen Korps – in dem seine drei Halbbrüder dienen – und stürmt die Stadt am 26. November. Im Jahr darauf zieht er mit seinen Truppen nach Nordböhmen und erobert Eger. Als der neue russische Zar Iwan VI. gestürzt und durch die frankreichfreundliche sehens durch prügeln und schläge übel begegnet, hierrauß aber doch nichts nuzliches geschafft, und die Leuthe öffters dummer und confuser gemachet werden, dannenhero hat man hierunter mit den Leuthen bescheiden und vernünfftig zu verfahren, und das angewöhnete Schlagen auf dem Parade-Plaz einzustellen.“ MODERNE METHODEN: Moritz hält nicht viel von allzu harter physischer Züchtigung seiner Soldaten Abb.: akg-images Katharina I. ersetzt wird, erbittet sich Moritz Urlaub, um erneut seine Ansprüche auf Kurland geltend zu machen. Er kann seine Forderungen aber nicht durchsetzen und kehrt bald darauf wieder nach Frankreich zurück. Derweil haben die Armeen Ludwigs XV. nicht an ihre Anfangserfolge in diesem Krieg anknüpfen können, wodurch Moritz Stern MORITZ VON SACHSEN WICHTIGER SIEG: In der Schlacht bei Fontenoy kann Moritz die Briten, Hannoveraner, Niederländer und Österreicher schlagen – allerdings nur unter großen eigenen Verlusten. Dennoch ist der Sieg die Voraussetzung für die Eroberung zahlreicher Festungen in Flandern Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library am Hof von Versailles umso heller zu leuchten beginnt. 1743 kommandiert er die französische Armee in der Pfalz. Seine langjährigen Erfahrungen in osteuropäischer Kriegführung fließen nun auch in die Errichtung der „Volontaires de Saxe“ ein, einem gemischten leichten Kavallerieregiment aus Dragonern und Ulanen, für die er seinen Halbbruder Friedrich August III. eigens um polnische Freiwillige bittet – denn zu dieser Zeit glauben die Militärs noch, dass Osteuropäer sich besonders auf den „kleinen Krieg“ (von Spanisch „Guerilla“) verstünden. So schreibt Hans von Flemming in Der vollkommene teutsche Soldat: „Die Pohlacken sind eben nicht gar zu gute Soldaten, sie schicken sich am besten als streifende Partheyen, sie lassen sich nicht so leicht als regulair Milice commandiren.“ Auch Moritz teilt diese Einstellung. Neben Polen versammelt er auch andere exotische Krieger in dieser Formation: Türken, Tartaren und 78 Schwarzafrikaner. 1744 wird Moritz mit gerade einmal 47 Jahren zum Marschall von Frankreich ernannt. Er erhält das Kommando über eine HINTERGRUND Amüsement für die Armee Moritz weiß um die Bedeutung positiver Motivation seiner Soldaten und er erkennt, dass nur wenige Dinge sich so negativ auf die Moral auswirken wie Langeweile – die aber selbst auf einem Feldzug zum militärischen Alltag gehört. Im Januar 1746 lädt er daher den bekannten Pariser Komödianten und Theaterregisseur Charles-Simon Favart ein, Leiter seines „Kriegstheaters“ zu werden. Moritz ist mit seinem bisherigen Leiter unzufrieden und will seinen Soldaten leichtherzigere, teilweise sogar frivole Stücke präsentieren. So verkündet am Abend vor der Schlacht von Roucoux eine Schauspielerin auf zweideutige Art und Weise: „Morgen Schlacht, Tag des Ruhms […] Kehrt zurück nach eurem Erfolg, um die 84 Früchte des Sieges zu genießen“, wobei das französische Wort „genießen“ (jouir) eindeutig auch sexuell konnotiert ist. Die Zuschauermenge bricht daraufhin, wie erwartet, in extatischen Jubel aus. SOLL DIE TRUPPE BEI LAUNE HALTEN: Charles-Simon Favart wird von Moritz engagiert, um sein „Kriegstheater“ aufzupolieren Abb.: picture-alliance/ akg-images bei Dünkirchen versammelte Armee, die eine Invasion im Bereich der Themsemündung durchführen und einen zeitgleich in Schottland initiierten Aufstand der Jakobiten unterstützen soll. Während die jakobitische Erhebung 1745 tatsächlich losbricht, findet die Invasion Englands nie statt, da die französische Marine nicht in der Lage ist, die nötige Seeherrschaft im Kanal herzustellen. Spektakuläre Siegesserie Moritz hat inzwischen das Kommando über die in den Niederlanden operierende französische Armee übernommen, mit der er 1745 bei Fontenoy einen spektakulären Sieg über die Briten erringt. Nach den vielen Niederlagen gegen Marlborough im Spanischen Erbfolgekrieg und 1743 bei Dettingen gelingt es Moritz mit einem Schlag, die französische Waffenehre wiederherzustellen. Es ist eine umkämpfte Schlacht, in der die Franzosen wiederholte britische Angriffe abwehren können und dabei ähnlich hohe Verluste erleiden wie ihre Gegner. Der Sieg ermöglicht Moritz jedoch die Eroberung der strategisch wichtigen Festung Tournai. In erstaunlicher Geschwindigkeit bringt er nun eine niederländische Festung nach der anderen zu Fall, wobei er von dem Umstand profitiert, dass die Briten Truppen abziehen müssen, um den inzwischen ausgebrochenen Jakobitenaufstand in Schottland zu bekämpfen. Als Lohn für seine Erfolge schenkt Ludwig ihm das Schloss, das Ein leuchtendes Vorbild wenige Jahre zuvor noch als Residenz von Stanislaus Leszczynski gedient hat, einem Rivalen sowohl seines Vaters als auch seines Halbbruders auf den polnischen Thron. Im Feldzugsjahr 1746 setzt Moritz seine Siegesserie in Flandern fort und erobert Leuven, Brüssel und Antwerpen, bevor er im Oktober 1746 eine alliierte Armee bei Roucoux schlägt. Diesmal geht Moritz, der seinem Gegner zahlenmäßig überlegen ist, offensiv vor und operiert mit zwei starken Kolonnen, mit denen er das gegnerische Zentrum durchbricht. Im Sommer 1747 erringt er bei Lauffeldt seinen dritten großen Sieg. Erneut beweist die französische Infanterie ihren Wert im Bajonettangriff und nur eine groß angelegte Gegenattacke bewahrt die alliierte Armee vor der Vernichtung. Der Erfolg ermöglicht Moritz die Eroberung von Maastricht, während eine zweite französische Armee die Festung Bergen-op-Zoom stürmt, wobei es zu einem schweren Massaker unter der örtlichen Zivilbevölkerung kommt. Für seine Erfolge war Moritz bereits 1747 zum „Maréchal général des camps et armées du roi“ ernannt wurden. Es ist der höchste Rang innerhalb der französischen Armee, den vor ihm nur Größen wie Henri Turenne und Claude Louis Hector de Villars innegehabt hatten. Diese Stellung verschafft ihm auch mehr Autorität über die „Prinzen von Geblüt“ (Abkömmlinge des Königshauses), die sein Lager überfüllen, mit ihren Höflingen Tausende von Rationen verschlingen und Intrigen spannen, die Moritz’ Operationen gefährden. So muss eigens eine Armee für Louis François de Bourbon geschaffen werden, um diesen aus der Umgebung von Moritz, den er verachtet, zu entfernen. Nach dem Frieden von Aachen zieht sich Moritz auf sein Schloss Chambord zurück, wo er einen eigenen prunkvollen Hof einrichten lässt. Er betätigt sich als Kunstmäzen, sammelt Bilder und besucht Theater. Nebenbei überarbeitet er seine militärtheoretischen Schriften und verfasst neue Abhandlungen, unter anderem über die Armee Chinas – seinerzeit immerhin die größte und erfolgreichste der Welt. 1749 besucht er Friedrich II. in Sanssouci. Er stirbt recht überraschend am 30. November 1750 an den Folgen eines Fiebers. Lehrmeister aller Generäle Sein Verlust ist für Frankreich nicht zu ersetzen und es erscheint zweifelhaft, dass Frankreich im Siebenjährigen Krieg (1756–63) ähnlich schlecht abgeschnitten hätte, wenn Moritz noch an der Spitze der Armee gestanden hätte. Dennoch lässt sich seine Bedeutung für die Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts nicht leicht einschätzen. Einige seiner Ideen, etwa die Wiedereinführung der Pike oder die Ausrüstung der Reiterei mit Vollharnischen, wirken anachronistisch. Viele andere, etwa sein Vorschlag, Soldaten im BEEINDRUCKENDER BAU: Schloss Chambord (Château de Chambord) ist das größte und prächtigste der über 400 Schlösser der Loire und liegt in einem großen Jagdgebiet. Die Tatsache, dass König Ludwig XV. Moritz dieses architektonische Juwel schenkt, zeigt die große Wertschätzung des Monarchen besonders eindrücklich Abb.: picture alliance/prisma Feld mit Mänteln zu versehen, mehrere Waffengattungen in „Legionen“ zusammenzufassen und nicht die Kolonnentaktik und der offensive Einsatz der Artillerie, verweisen dagegen bereits in die Zukunft. Friedrich II. schätzt seine „Rêveries“ ebenso wie Napoleon und der amerikanische General Nathanael Greene (Unabhängigkeitskrieg, 1775–83). An Voltaire schreibt Friedrich: „Dieser Marschall sollte Lehrmeister aller europäischen Generäle sein.“ Dr. Alexander Querengässer ist Historiker und publiziert zu verschiedenen Themen der deutschen und internationalen Militärgeschichte. BÜCHER Neuerscheinungen und Klassiker Begegnungen mit Bismarck Zwei Zeitgenossen über den „Eisernen Kanzler“ s gibt historische Persönlichkeiten, über die man einfach Bescheid wissen muss, an denen gewissermaßen kein Weg vorbeiführt. Dazu gehört Otto von Bismarck, der „Eiserne Kanzler“, der sowohl geliebt und gehasst wird – und eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren der Deutschen Geschichte bleibt. Diese Umstände haben nicht nur zu eine Fülle von Literatur über ihn geführt, sondern auch zu einem entsprechenden Mythos, der sich gewissermaßen wie ein Schleier über die historische Person gelegt hat. Pünktlich zum 150. Jubiläum der Reichgründung im Jahr 2021 legt der Theiss-Verlag eine monumentale Doppel- E Ausgabe (insgesamt fast 900 Seiten) von zwei Erinnerungsbüchern der BismarckFreunde und Zeitgenossen Robert von Keudell und Robert Lucius von Ballhausen vor – und versucht über diesen Weg die spannende Frage zu beantworten: Wer war der Mensch hinter dem Mythos? Dies gelingt, so viel sei verraten, durch diese Neuausgabe der beiden Klassiker hervorragend. Keudell, der ein enger Vertrauter Bismarcks war, gibt in seinen Erinnerungen an Fürst und Fürstin Bismarck intime und sehr persönliche Einblicke in das Leben – und natürlich die Politik – des Kanzlers. Dies gilt ebenso für den zweiten Band, der die Tagebücher von Ballhausens ent- Die Klassiker sind nun endlich einem breiten Publikum zugänglich gemacht – noch dazu in einer hervorragender Ausstattung hält, der als Abgeordneter und Minister lange Zeit beinahe täglich mit Bismarck zu tun hatte – und diese Begegnungen detailliert und fein säuberlich festhielt. Die beiden Bände bieten einen sehr direkten Zugang, da die Zeitzeugen Bismarck persönlich und gut kannten und einen ähnlichen Geisteshorizont besaßen – alles Dinge, die sie von einem Biografen oder Historiker unterscheiden, der ein Urteil über Bismarck rückblickend fällen muss. Eingerahmt werden sie zudem noch von einer umfangreichen Einführung von Oliver F. R. Haardt und einem interessanten Nachwort von Christopher Clark. Fazit: Die gewichtige Neuausgabe hat nicht nur einen ordentlichen Umfang, sondern auch einen entsprechenden Preis – doch die Ausgabe lohnt sich und ist sprichwörtlich jeden einzelnen Euro wert. Robert von Keudell & Robert von Ballhausen: Begegnungen mit Bismarck. Darmstadt 2020, zwei Bände, 85 Euro, ISBN 978-3806242096 Unser Tipp! Vaterland Willensmenschen Politthriller aus dem Paralleluniversum Die sozialen Genese des deutschen Offizierkorps ir schreiben das Jahr 1964: Hitler hat den Krieg 1945 gewonnen, Großdeutschland reicht vom Rhein bis zum Ural und dominiert die Europäische Gemeinschaft. Doch das Reich muss einen blutigen Guerillakrieg führen; seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind über eine halbe Million deutscher Soldaten gefallen. Das ist der Hintergrund, vor dem der 1992 erschienene Kriminalthriller aus der Feder des Briten Robert Harris spielt. W Harris ist ein packender Thriller gelungen, der seine spannende Kriminalhandlung vor einem alternativen Geschichtsverlauf entfaltet 86 Hauptfigur ist der fiktive Kripo-Sturmbannführer Xaver März, der einen Mord in Berlin aufklären soll. Das Buch war und ist wegen seines Themas umstritten, wurde aber ein Bestseller und von der Presse meist positiv rezensiert: „Überzeugende Handlung und glaubwürdige Charaktere“ schrieb der Daily Telegraph. Die Süddeutsche Zeitung urteilte: „Brillant konzipiert und ausgeführt.“ Robert Harris: Vaterland. Zürich 1992, 10,99 Euro, ISBN 9783453421714 Willensmenschen ist eine in der Form einzigartige Studie über die deutschen Offiziere llen historischen, personellen und strukturellen Umbrüchen zum Trotz ist es den deutschen Armeen in bemerkenswerter Weise gelungen, eine militärische Werteordnung zu wahren. Willensmenschen – Über deutsche Offiziere skizziert den Typus des Offiziers, dessen historische Wurzeln in der preußi- A schen Armee liegen. Ferner beschreibt das Buch die intrinsische Motivation und soziale Stellung der deutschen Offiziere im Kaiserreich bis hin zum soldatischen Selbstverständnis der Offiziere in der jungen Bundesrepublik. In 15 zu Kapiteln zusammengefassten Aufsätzen gelingt dem Werk eine vielschichtige Betrachtung des Offiziers und seines besonderen Werte- und Tugendkanons als zentralen Typus deutscher Kulturgeschichte. SK Ursula Breymayer, Bernd Ulrich und Karin Wieland (Hg.): Willensmenschen: Über deutsche Offiziere. Frankfurt am Main 1999 (Antiquariat), ISBN 978-3596144389 Sudetendeutsches Museum World on Fire Museumseröffnung in der Münchner Au Hochkarätig besetztes Weltkriegsdrama auf DVD, Blu-ray und digital in neues Museum in München widmet sich den Sudetendeutschen und ihrer jahrhundertealten wechselvollen Geschichte und Kultur. Das unter strengen Corona-Auflagen eröffnete Sudetendeutsche Museum in der Münchner Hochstraße zeigt auf etwa 1.200 Quadratmetern Ausstellungsfläche rund 900 Exponate, darunter auch Objekte zur gewaltsamen Vertreibung und Aussiedlung der Menschen aus ihrer Heimat seit Ende des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit. Das Museum will sachlich und ausgewogen informieren, auch tschechische Histori- E Foto: picture-alliance/SvenSimon/Frank HOERMANN (2) SERIEN-TIPP ker haben dazu beigetragen, die Dauerausstellung zu gestalten. Multimediale Informationsquellen ermöglichen den Besuchern die Abfrage erweiternder Daten. Eine Installation aus persönlichen Gegenständen, die vom Lichtstrahl erfasst und mit historischem Filmmaterial kombiniert werden, wirft Schlaglichter auf tabuisierte Übergriffe gegen die Sudetendeutschen und das harte Los der Zwangsarbeit seit 1945. Nähere Informationen unter: www.sudetendeutsche-stiftung.de Moderne Präsentation zur Geschichte der Sudetendeutschen ie erste Staffel des ziemlich hochkarätig besetzten Weltkriegsdramas World on Fire erscheint am 16. April 2021 auf DVD, Blu-ray und digital. Zum Inhalt: Im September 1939 marschiert die Wehrmacht in Polen ein. Der Zweite Weltkrieg bricht aus und stürzt Menschen in ganz Europa ins Chaos. World on Fire zeigt, wie sich das erste Kriegsjahr 1939 auf die Leben von Menschen in ganz Europa auswirkt, vom Zivilisten daheim bis zum Soldaten an der Front. Die aufwendige BBC-Serie wirft einen unter die Haut gehenden Blick auf die Schicksale von Menschen, deren Welt buchstäblich in Flammen steht. D World on Fire – Staffel 1; Regie: Chanya Button, Thomas Napper, Adam Smith, Andy Wilson; Produktion: UK 2019; Genre: Drama, Altersfreigabe: FSK 16; Verleih: Pandastorm (Edel); VÖ: 16.4.2021 Das neue Museum thematisiert auch die Themen Flucht und Vertreibung ENDSPIEL 1814 BOOMERANG Napoleons finaler Kampf um Frankreich Australiens erster Jagdbomber KREUZZUG 1189 Entscheidungsschlacht um Jerusalem Clausewitz Das Magazin für Militärgeschich te LESERBRIEFE Zu „Mansteins gewagter Coup“ in Clausewitz 2/2021: Als Erstes meinen Glückwunsch zur noch vielseitigeren Gestaltung des Eingangsbereichs Ihrer Zeitschrift. Bei dem Porträtfoto von Erich Manstein zweifle ich jedoch, dass es ihn als Generalfeldmarschall (GFM) darstellt. Mir scheint, die Arabeske auf seinem deutlicheren körperlinken Kragenspiegel enthält nur zwei Blattpaare und nicht drei, wie sie für GFM üblich waren, sodass deren Kragenspiegel immer auch ausgesprochen lang wirkten. Außerdem würden wohl die auf den Schulterstücken stark hervortretenden Marschallstäbe wenigstens andeutungsweise zu sehen sein. Dr. Erhard Glier, 06193 Wettin-Löbejün Anm. d. Red.: Auf dem gut sichtbaren Kragenspiegel sieht die Arabeske tatsächlich wie die eines Generalobersten aus. Zugleich ist aber auf der uns vorliegenden Clausewitz 3/2021 HUMMEL 2/2021 März | April € 5,95 A: € 6,80 CH: sFr 11,00 Be, Lux: € 7,10 NL: € 7,40 SK, I: € 8,30 Die Mutter aller Panzerhaubitzen Bilddatei ein etwas größerer Teil Die schlechten, zum Beispiel Krim 1942 des linken Schulterstückes zu Fredendall oder Paulus – für sehen. Darauf sind die Enden den Sie in Ihrer neuen Rubrik der Marschallstäbe recht deuthoffentlich noch etwas Kakao lich zu erkennen. Laut Bildgeber zum Durchziehen haben – wastammt die Aufnahme von „zirka 1943“, ren 1914–1918 nur heizungsnah verwendoch wir werden dieses „Rätsel“ vermutlich det worden und überfordert, als sie plötzlich kaum 100-prozentig lösen können ... Entscheidungen treffen mussten, welche mehrere 10.000 Mann betrafen. Zu „In den Sand gesetzt“ Fredendalls Leistung am Kasserin-Pass in Clausewitz 1/2021: ist wohl am besten von seinem Nachfolger Patton kommentiert worden: „Wie rechtferIhre Ausgabe 1/2021 fand ich wieder eintigt dieser Mann seine Existenz?“ mal sehr gelungen. Besonders haben mir Matthias Wiechert, 53902 Bad Münstereifel die Artikel über Lloyd Fredendall und Georgi Schukow gefallen. Beide Artikel haIn eigener Sache: Zum Beitrag „Napoben mich in meinen Ansichten über die leons Ritt in den Untergang“ in ClauseGeneräle im Zweiten Weltkrieg bestärkt: witz 2/2021: Die guten, wie etwa Rommel, Montgomery, Es haben sich leider einige inhaltliche Fehde Gaulle oder Patton, hatten ihre Sporen ler in den o. g. Beitrag eingeschlichen. während des Ersten Weltkriegs als KompaSelbstverständlich konnte Gneisenau als nieführer verdient,wenn sie nicht wie Stabschef seinem Feldmarschall Blücher Schukow Quereinsteiger aus der Unternichts „befehlen“ und Napoleon hat sich offizierslaufbahn waren. WIE EIN GENIALER BLUFF GEHEIMAKTE D-DAY Deutscher S-Bootangriff auf die Invasionsflotte DEN SIEG BRACHTE BRISANT! STEUBEN Der Kampf um Finnlands Code-Knacker Verdankt ihm Amerika seine Unabhängigkeit? am 3. November 1813 nicht bei Mannheim, sondern bei Mainz über den Rhein zurückgezogen. Besonders unangenehm sind natürlich die „Fake News“, Marschall Marmont hätte im Juli 1812 die Engländer bei Salamanca geschlagen – das genaue Gegenteil war nämlich der Fall und die Franzosen mussten dort eine exorbitante Niederlage einstecken. Wir entschuldigen uns für diese Fehler und Ungenauigkeiten in der Formulierung. Für die zahlreichen Zuschriften unserer kritischen, aufmerksamen und offenkundig sehr kenntnisreichen Leser danken wir sehr. Schreiben Sie an: redaktion@clausewitz-magazin.de oder Clausewitz, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen. 87 Foto: Pandastorm Pictures MUSEUMSTIPP ZEITSCHICHTEN Mit Ross und DAMALS Reiterabteilung der Roten Reiter über den Eine Armee zieht 1941 über den Roten Platz Roten Platz im Zentrum der historischen Altstadt Moskaus. Ihr Ziel: die Front, die nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion am 22. Juni immer näher an die sowjetische Hauptstadt heranrückt. Im Hintergrund ist gut die Basilius88 Kathedrale mit ihren bunten Zwiebeltürmen zu erkennen, die eines der bekanntesten Wahrzeichen Moskaus ist. Der Platz ist einer der größten der Millionenmetropole und wurde (und wird) gerne für das Abhalten spektakulärer Militärparaden verwendet (so zum Beispiel am 24. Juni 1945). HEUTE Der Rote Platz im Herzen Moskaus ist einer der weltweit bekanntesten Plätze und eine große Touristenattraktion. Grund dafür sind besonders die zahlreichen historischen Bauwerke, die ihn säumen: Neben der Basilius-Kathedrale sind die bekanntesten der Kreml, das riesige Kaufhaus GUM (VerkaufsClausewitz 3/2021 fläche: 35.000 Quadratmeter) sowie das Lenin-Mausoleum mit dem gläsernen Sarkophag des russischen Revolutionärs. Der Platz gehört seit dem Ende der UdSSR 1990/91 zum UNESCOWelterbe. Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her www.sergey-larenkov.livejournal.com 89 VORSCHAU So erreichen Sie uns Abonnement/Nachbestellung von älteren Ausgaben Clausewitz ABO-SERVICE Gutenbergstr. 1, 82205 Gilching Tel. +49 1805 321617* oder +49 8105 388329 (normaler Tarif) +49 1805 321620* leserservice@clausewitz.de www.clausewitz-magazin.de/abo www.clausewitz-magazin.de/archiv *14 ct/min aus dem dt. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 42 ct/min Preise Einzelheft € 5,95 (D), € 6,80 (A), € 7,10 (LUX), sFr. 11,00 (CH) (bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten) Jahresabonnement (6 Hefte) € 32,00 incl. MwSt., im Ausland zzgl. Versandkosten Die Abogebühren werden unter der Gläubiger-Identifikationsnummer DE 63 ZZZ00000314764 der GeraNova Bruckmann Verlagshaus GmbH eingezogen. Der Einzug erfolgt jeweils zum Erscheinungstermin der Ausgabe, der mit der Vorausgabe ankündigt wird. Der aktuellen Abopreis steht hier im Impressum. Die Mandatsreferenznummer ist die auf dem Adressetikett eingedruckte Kundennummer. Erscheinen und Bezug Clausewitz erscheint zweimonatlich. Sie erhalten Clausewitz in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken sowie direkt beim Verlag. Händler in Ihrer Nähe finden unter www.mykiosk.com BRÜCKENKOPF ANZIO-NETTUNO 1944 Schwere Kämpfe südlich von Rom 22. Januar 1944: Alliierte Verbände landen bei Anzio und Nettuno südlich von Rom, um in den Rücken der deutschen Gustav-Linie zu gelangen und zur Ewigen Stadt vorzustoßen. Was anfangs nach einem militärischen „Spaziergang“ aussieht, mündet in eine verlustreiche Schlacht. Denn deutsche Elite-Fallschirmjäger und eilig in Marsch gesetzte Verbände der 14. Armee sollen den feindlichen Brückenkopf mit allen Mitteln abriegeln. Redaktion (Leserbriefe, Fragen, Kontaktaufnahme) Clausewitz Infanteriestr. 11a, 80797 München redaktion@clausewitz-magazin.de www.clausewitz-magazin.de Bitte geben Sie bei Zuschriften per E-Mail immer Ihre Telefonnummer und Postanschrift an. Anzeigen armin.reindl@verlagshaus.de Impressum SCHLACHT VON ADRIANOPEL 378 Vernichtende Niederlage Roms Fotos: ullstein bild - ullstein bild; picture-alliance/CPA Media Co. Ltd; ullstein bild - ullstein bild 9. August 378: In der Nähe von Adrianopel, heute Edirne (Türkei) kommt es zu einem blutigen Aufeinandertreffen von Westgoten unter ihrem Anführer Fritigern und römischen Truppen unter Kaiser Valens. Was folgte, war eine der bedeutendsten und verlustreichesten Schlachten der Spätantike, die das weitere Schicksal des Römischen Reiches maßgeblich beeinflussen sollte. „FESTUNG“ KOLBERG 1945 Schwere Abwehrschlacht in Pommern März 1945: Die heftigen Kämpfe um Kolberg wenige Wochen vor Kriegsende sind an Dramatik kaum zu überbieten. Dicht zusammengedrängt, harren Zigtausende Ostflüchtlinge in der pommerschen Hafenstadt aus und hoffen auf ihre Rettung über See. Unterdessen setzen zirka 3.300 deutsche Soldaten alles daran, den Ansturm der sowjetisch-polnischen Übermacht abzuwehren, um den Zivilisten die Flucht über die Ostsee zu ermöglichen ... Außerdem im nächsten Heft: Minenräumpanzer Keiler der Bundeswehr. Wuchtiger Wegbereiter auf Ketten. Unternehmen „Mammut“ 1943. Antibritisches Kommandounternehmen der Wehrmacht. Und viele andere Beiträge aus den Wissensgebieten Geschichte, Militär und Technik. Die nächste Ausgabe von 90 erscheint am 7. Juni 2021. Nr. 61 | 3/2021 | Mai-Juni | 11. Jahrgang Clausewitz, Tel. +49 89 130699-720 Infanteriestr. 11a, 80797 München Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur Luftfahrt, Geschichte, Schifffahrt und Modellbau), Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur), Maximilian Bunk, M. A., Stefan Krüger, M. A., Alexander Müller Chef vom Dienst Dipl.-Ing. (FH) Christian Ullrich Mitarbeiter dieser Ausgabe Dr. Joachim Schröder, Dr. Peter Andreas Popp, Michael Suck, M. A. Layout Ralph Hellberg Verlag GeraMond Verlag GmbH Infanteriestr. 11a, 80797 München www.geramond.de Geschäftsführung Clemens Schüssler, Oliver Märten, Claus Küster Gesamtleitung Media Bernhard Willer Mediaberatung Armin Reindl armin.reindl@verlagshaus.de Anzeigendisposition Rita Necker Tel. +49 (0) 89.13 06 99.552, Fax +49 (0) 89 13 06 99.100 rita.necker@verlagshaus.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 31 vom 1.1.2021 Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich Druck Severotisk, Ústí nad Labem, Tschechien © 2021 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Gerichtsstand ist München. Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Markus Wunderlich; verantwortlich für die Anzeigen: Bernhard Willer beide: Infanteriestraße 11a, 80797 München. ISSN 2193-1445 Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in Clausewitz veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren die militärhistorische und wissenschaftliche Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft kopiert und sie propagandistisch im Sinne von § 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar! Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung. 150 JAHRE DEUTSCHES KAISERREICH – DIE EXKLUSIVE SONDERPRÄGUNG ZUM JUBILÄUM 2021 NUR es der n i e h c i s ie Sichern S ten Exemplare! itier streng lim Feingold 999.9 jeweils 30 mm · 8,5 g · Proof Limitiert auf 150 Stück inkl. Besitzurkunde und Schmucketui 1099,00 € 999,00 € 150 Stück tes s n i Re ld o G 9 999. inkl. MwSt. NUR 1500 Stück Feinsilber 999 jeweils 30 mm · 8,5 g · Proof Limitiert auf 1500 Stück inkl. Besitzurkunde und Schmucketui 89,00 € 69,00 € ! Ihr Gescheg nerkhalten es v i s s Ma lber Si 999 Zur Bestellun hein Sie den 0€-Sc htdenkmal“ c la h c s r e lk ö „V gratis dazu. tlin e 24h o H l l e t s e B frei 0 0 kosten 0 0 6 5 0 0 0 ☎ 08 omint.com bestellung@ e ur JETZT N! BE ST E L L E EuroMint® – Europäische Münzen und Medaillen GmbH Ehrenfeldstraße 34 · 44789 Bochum · Tel. 0800 0560000 · www.euromint.com · euromint@euromint.com Abbildungen ähnlich. 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