Subido por Alexander Alava

ES SOLO UN PROBLEMA TECNICO

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Chirurg (2000) 71: 1098±1106
Ó Springer-Verlag 2000
Diaphysäre Femurpseudarthrosen ± nur ein technisches Problem?
J. Richter, W. Schulze und G. Muhr
Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. G. Muhr), Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil Bochum
Diaphyseal femoral pseudarthrosis: merely a problem
of technique?
Abstract. Between 1981 and 1994 at the Bergmannsheil
Ruhr University Hospital in Bochum, Germany, we
treated 145 patients with femoral diaphyseal nonunions
following initial operative treatment. Of these patients,
138 received this initial operative treatment at an outside institution. The primary reconstructions for the
fractures utilized plates in 112 cases, reamed nails in 24
cases and external fixators in 9 cases. The average age
of the patients was 35 years and the mean time from
the initial operative treatment was 2 years. Twenty-seven patients (19 %) presented with a hypertrophic nonunion and 118 (81 %) with an atrophic nonunion. There
was a significant correlation between primary ªclassicº
plating and development of an atrophic nonunion (c2test: P < 0.01). We observed 34 wound infections
(23 %) with no significant correlation to the type of primary osteosynthesis. We determined that 73 of the
pseudarthroses were due to improper osteosynthesis
techniques. Of these cases, 41 % involved the use of
plates, 83 % involved the use of reamed nails, and 78 %
involved the use of external fixators. Fracture location
near the diaphyseal-metaphyseal junctions was common
in this problematic group. Ninety-two percent of all
plates led to atrophic nonunions. There were 21 open
fractures and of these 90 % (n = 19) developed an atrophic pseudarthrosis and 29 % (n = 6) developed a
wound infection. Fifty-seven (39 %) of all patients had
additional injuries, but we found that did not increase
the risk of disturbed bone healing. Our revision operations focused on the elimination of wound infections, refreshment of bone healing, and improvement in fragment stability. Only 28 % of all ªclassicº plates and
11 % of all external fixators were changed to an intramedullary implant at the time of the first revision surgery. Hypertrophic nonunions required a mean of 1.3 revision operations to achieve bone healing whereas a
mean of 2 revision operations were necessary to fuse
atrophic bone ends (P < 0.05). In cases of diaphyseal
pseudarthrosis healing time was not affected by the
type of osteosynthesis used for primary reconstructions.
Since lack of fracture healing can often already be observed directly from postoperative X-rays, we recommend that revision procedures be performed early. The
prolonged length of time to care for femoral nonunions
underlines the importance of appropriate primary fracture treatment. That takes into consideration both the
biomechanical and the biological aspects of bone healing.
Keywords: Femur ± Pseudarthrosis ± Fracture care ±
Failure of primary implants ± Revision procedures.
Zusammenfassung. Zwischen 1981 und 1994 wurden an
der Chirurgischen Universitätsklinik Bergmannsheil
145 Patienten mit diaphysären Femurpseudarthrosen
behandelt. Die Primärosteosynthesen setzten sich aus
112 Plattenanlagen (77 %), 24 Marknagelungen (17 %)
und 9 Fixateur externen (6 %) zusammen. Das Durchschnittsalter betrug 35 Jahre, die mittlere Behandlungsdauer 2 Jahre. 27 Patienten (19 %) hatten eine hypertrophe und 118 (81 %) eine atrophe Pseudarthrosenform. Zwischen den primären ¹klassischenª Plattenosteosynthesen und der Häufigkeit areaktiver Heilungsstörungen bestand ein hoch signifikanter Zusammenhang (c2-Test: p < 0,01). 34 Wundinfektionen (23 %)
nach dem Ersteingriff verteilten sich prozentual gleichmäûig auf alle Implantate. Als Ursache der Pseudarthrosenentwicklung sahen wir biomechanisch unzureichende Primärosteosynthesen bei insgesamt 73 Patienten (50 %), 41 % der Platten, 83 % der Marknägel und
78 % der Fixateure. Die metaphysennahen Schaftfrakturen waren hierdurch signifikant häufiger betroffen.
Der Anteil an areaktiven Pseudarthrosen nach vorangegangener Plattenosteosynthese betrug 92 % (n = 103).
Von 21 offenen Schaftfrakturen entwickelten 90 %
(n = 19) eine avitale Pseudarthrose und insgesamt 29 %
(n = 6) einen Wundinfekt. Zusätzliche Verletzungen lagen nur bei 39 % (n = 57) der Behandelten vor und hatten für die Pseudarthrosenentwicklung keine Bedeu-
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
tung. Die Revisionseingriffe zielten auf eine Infektbehandlung, Revitalisation und Stabilitätsverbesserung
ab. Der Verfahrenswechsel zum Marknagel erfolgte
während der Erstrevision nur bei 28 % der Platten und
11 % der Fixateure. Während hypertrophe Pseudarthrosen schon nach durchschnittlich 1,3 Revisionen ausheilten, waren bei den areaktiven Störungen im Mittel 2
Wiederholungseingriffe notwendig (p < 0,05). Die Heilungsdauer von Pseudarthrosen nach Plattenanlage unterschied sich nicht wesentlich von der nach primärer,
gebohrter Marknagelung. Da die sich abzeichnende
Knochenheilungsstörung häufig schon auf den unmittelbaren postoperativen Röntgenbildern antizipiert werden kann, empfehlen wir notwendige Folgeeingriffe
deutlich frühzeitiger durchzuführen. Der lange Behandlungsverlauf unterstreicht die Bedeutung adäquater
Frakturversorgungen unter Berücksichtigung biologischer Heilungsvorgänge.
Schlüsselwörter: Femur ± Pseudarthrose ± Revisionschirurgie ± Versagen primärer Osteosynthesen
Femurschaftbrüche des Jugendlichen und Erwachsenen
sind eine Domäne der operativen Therapie. Hartnäckige Belastungsschmerzen, Schonungshinken, Weichteilschwellung und Implantatlockerung oder -bruch weisen
nach der Primärbehandlung auf eine persistierende
Fragmentinstabilität hin. Die Diagnose wird durch bildgebende Verfahren gestellt. Eine sorgfältige Analyse
der vorausgegangenen Fraktur und der Primärosteosynthese können potentielle Pseudarthrosenentwicklungen
schon unmittelbar postoperativ antizipieren. Intraoperativ belassene Fragmentdiastasen, unterdimensionierte Implantate, eine fehlende (sekundäre) Spongiosaplastik nach offenen Plattenosteosynthesen sowie leere
Bohrlöcher als Zeichen von Schwierigkeiten bei der Primärfixation prädisponieren die ausbleibende Knochenüberbrückung.
Eine ungenügende Implantatverankerung, zu kurze
Implantate, fehlende axiale Kompression bei kurzen
Schräg- und Querbrüchen oder gröûere Fehlstellungen
in der Frontal- bzw. Sagittalebene sind in 50±85 % Ursache der Heilungsstörung [14, 27]. Hohe Biege- und
Scherkräfte, die infolge einer unzureichenden Osteosynthesetechnik nicht neutralisiert werden, beeinträchtigen die Ossifikation der extracellulären Matrix nach
Frakturen. Perfusionsstörungen im Frakturspalt mit erniedrigtem Sauerstoffpartialdruck [19], bakterielle Infektionen und allergische Implantatreaktionen [8] stören ebenfalls die Osteogenese. Das klassische intraoperative Vorgehen bei offenen Plattenosteosynthesen vermindert durch die langstreckige Ablösung der Muskulatur (¹Besenstieltechnikª) mit Deperiostierung die
Durchblutung eingefügter Fragmente und erhöht somit
das Komplikationsrisiko [20, 25]. Vor diesem Hintergrund wird in den letzten Jahren die klassische rigide
Osteosynthese von Röhrenknochenbrüchen immer
mehr vermieden [15, 22].
Die biologische Qualität der Pseudarthrosen ist entsprechend ihrer Durchblutung und Callusbildung unter-
1099
Abb. 1. Die Behandlung von akuten Femurschaftfrakturen
(n = 383) im Bergmannsheil in der Zeit vom 01. 01. 81 bis 31. 12. 93
schiedlich. So werden vereinfacht hypertrophe Pseudarthrosen mit überschieûender Callusbildung von atrophen Formen mit fehlender Knochenneubildung differenziert [21 a, 26]. Infekte und Defekte können komplizierend dazukommen.
Durch die retrospektive Analyse von diaphysären
Femurpseudarthrosen aus dem Behandlungszeitraum
1981±1994 sollen unter Berücksichtigung der regional
gängigen Osteosynthesetechniken 3 Fragen untersucht
werden: Hat die Primärosteosynthese einen Einfluû
auf die Pseudarthrosengenese? Welche Revisionseingriffe waren bis zur Ausheilung erforderlich? Tragen
hauptsächlich unfallbegleitende oder unfallunabhängige Faktoren zum Krankheitsverlauf bei?
Patienten und Methode
393 akute Femurschaftfrakturen wurden zwischen 1981 und 1993
an der Chirurgischen Universitätsklinik Bergmannsheil behandelt.
Das Durchschnittsalter betrug 39,5 (2±96) Jahre, der Median lag
bei 29 Jahren. In 12 % (46 Patienten) sahen wir eine primär offene
Verletzung. Die Erstbehandlung geht aus Abb. 1 hervor. Auffällig
ist hier die stetige relative Abnahme an primären Plattenanlagen
(von 77,1 % der Primärosteosynthesen in 1981 auf 18,5 %
in 1993), dem eine deutliche Zunahme an intramedullären Osteosynthesen (keine in 1981, 59,3 % in 1993) gegenübersteht. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 290 Patienten aufgrund einer ungenügenden Frakturheilung des Femurs (ausgenommen Schenkelhals) operiert. Bei 56 Patienten lag die Pseudarthrose intertrochantär, bei 168 Patienten diaphysär, 50mal distal metaphysär und
16mal im Bereich der Femurcondylen vor.
Aus dem Zeitraum von 1981±1994 konnten die Krankenakten
und Röntgenbilder von 145 Patienten mit Femurschaftpseudarthrosen, davon 36 Frauen (25 %) und 109 Männern (75 %) retrospektiv nach einem standardisierten Schema erneut befundet sowie ausgewertet werden. Das Durchschnittsalter dieser Pseudarthrosengruppe betrug 35 (4±87) Jahre, wobei die Hälfte der Patienten vor ihrem 30. Lebensjahr verunfallten. Während 22 % der
Frakturen im proximalen und 20 % im distalen Anteil der Diaphyse lagen, war die Schaftmitte mit 58 % am häufigsten betroffen.
Für die Analyse wurden folgende Daten berücksichtigt: Unfalltag,
Frakturtyp (AO-Klassifikation), Begleitverletzungen, Primärthe-
1100
rapie, frakturspezifische Komplikationen, Pseudarthrosenformen,
Techniken und Anzahl der Revisionseingriffe, Dauer der gesamten Behandlung sowie die Endfunktion bei Behandlungsabschluû.
Anhand der Röntgenaufnahmen unterschieden wir zwischen
atrophen Pseudarthrosen, die sich durch fehlende Callusbildung
von hypertrophen Formen abgrenzten. Defektpseudarthrosen
hatten eine Diastase im ehemaligen Frakturspalt von mehr als
3 mm und wurden den atrophen Heilungsstörungen zugerechnet.
Postoperative Infekte, Metallallergien, Metallbrüche, Fehlstellungen, ungeeignete Implantate oder unzureichende Fixationen
wurden für alle Heilungsstörungen registriert. Die Beurteilung
der Endfunktion berücksichtigte Beinverkürzungen, Rotationsfehler und Bewegungseinschränkungen in den Hüft- und Kniegelenken.
Die Daten wurden zunächst in der Tabellenform (Excel) aufbereitet und statistisch mit dem Programm SPSS (Version 7.0 d
und 8.0 d) ausgewertet. Vordergründig war die explorative Datenanalyse. Für gezielte Fragestellungen verwendeten wir den c2Test zur Beschreibung von Häufigkeitsverteilungen in unterschiedlichen Gruppen und die Varianzanalyse (ANOVA), wobei
das Signifikanzniveau mit p < 0,05 angegeben wird.
Ergebnisse
Von 145 Pseudarthrosen des Femurschafts entfielen
nach der AO-Klassifikation 19 % auf einfache A-Frakturen, 25 % auf Mehrfragmentbrüche vom B-Typ und
56 % auf Trümmerbrüche vom C-Typ. Kein Patient hatte eine beidseitige Femurpseudarthrose, obwohl 4mal
(3 %) beidseitige Oberschenkelbrüche vorlagen. Das
Unfallereignis führte bei 32 % der Patienten zu einem
Polytrauma. Ursachen des Oberschenkelbruchs waren
in 60 % Verkehrsunfälle sowie in 8 % Arbeitsunfälle.
Bei 3 % der Patienten entstand die Fraktur während
Sportübungen, bei 3 % durch Schuû- oder direkte
Schlagverletzungen. 13 % der Patienten stürzten aus geringer ( < 2 m) und 3 % aus gröûerer Höhe ( > 2 m). 88
Betroffene (61 %) hatten keine Begleitverletzungen.
Eine zusätzliche ipsilaterale Unterschenkel- oder
Schenkelhalsfraktur wurde bei 35 (24 %), kontralateral
bei 16 Patienten (11 %) diagnostiziert. Becken oder
Wirbelsäulenverletzungen lagen jeweils bei 2 Verletzten
zusätzlich vor. Jeweils 6 Patienten hatten eine I-gradig
bzw. III-gradig offene und 9 eine II-gradig offene Knochenverletzung. Ein Compartmentsyndrom muûte bei
2 Verunfallten primär entlastet werden. Begleitende
Nervenschäden lagen 5mal, Gefäûverletzungen einmal
vor. Bei 138 (95 %) von 145 Patienten wurde die primäre Oberschenkelosteosynthese nicht in der eigenen Klinik durchgeführt. Die Überweisung zur Therapie der
Knochenheilungsstörung erfolgte im Mittel 13,4 (1±65)
Monate nach dem Unfall. Der Behandlungsabschluû erfolgte insgesamt nach durchschnittlich 24,4 (8,5±93,4)
Monaten.
Primäreingriff nach diaphysärer Femurfraktur
Die diaphysären Femurfrakturen der Patienten mit einer späteren Pseudarthrosenentwicklung (n = 145) wurden zu 77 % offen reponiert und mit einer rigiden Platte
(nplatte = 112; 100 Oberschenkelplatten, 9 Winkelplatten,
3 Platten mit dynamischer Condylenschraube) stabili-
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
siert. Intramedulläre Kraftträger kamen insgesamt bei
17 % der Verletzungen zum Einsatz (nnagel = 24), dabei
erhielten 2 Patienten (1,5 %) Ender-Nägel, 14 (10 %) einen gebohrten unverriegelten und 8 (5,5 %) einen gebohrten AO-Verriegelungsnagel. Der ungebohrte solide Verriegelungsnagel wurde in dem vorliegenden
Pseudarthrosenkollektiv bei keinem Patienten primär
implantiert. Eine externe Fixation wurde 9mal (6 %)
montiert. 20 Patienten (14 %) erhielten primär eine
Spongiosaplastik, die 19mal zur Plattenosteosynthese
und einmal während der Fixateurmontage durchgeführt
wurde.
Einteilung und Ursachen der Pseudarthrosen
Hypertrophe Pseudarthrosen entstanden nur bei 19 %
(n = 27 Patienten) der Behandelten. Die pathophysiologisch ungünstigeren atrophen Fehlheilungen wurden
bei insgesamt 81 % (n = 118 Patienten) diagnostiziert.
In der letzteren Gruppe gab es 53 Patienten mit knöchernen Defektbildungen. Während Marknägel und externe Fixateure 67 % (18 von 27) der hypertrophen
Pseudarthrosen verursachten, betrug ihr gemeinsamer
Anteil bei den areaktiven Formen nur 8 % (15 von
118). Bei unterschiedlichen Stabilisierungstechniken
mit quantitativer Bevorzugung der Plattenosteosynthesen im Untersuchungskollektiv (77 % aller Osteosynthesen) bestand ein hoch signifikanter Zusammenhang
(c2-Test: p < 0,01) zwischen der offenen internen Osteosynthese und atrophen Pseudarthrosen.
Komplikationen
Bei jeder 4. Pseudarthrose lag gleichzeitig ein Infekt
vor (ninfekt = 34 Patienten). Die Infektrate verteilte sich
nahezu gleichmäûig auf alle Implantattypen. Betroffen
waren 22 % der primär angelegten Fixateure (Pin-Eintrittsstellen), 21 % der Markraumimplantate und 24 %
der Plattenosteosynthesen. Von 21 offenen Oberschenkelfrakturen infizierten sich eine primäre Plattenosteosynthese, 3 Nagelimplantate und 2 Fixateure. Eine Metallallergie gegen Chrom oder Nickel stellten wir bei
3 % fest, Implantatbrüche machten 8 % des Gesamtklientels aus. Diese gab es nur in der Behandlungsgruppe mit Plattenosteosynthesen.
Instabile Primärosteosynthesen
Operativ bedingte Instabilitäten im Frakturspalt, wie
sie z. B. durch zu klein dimensionierte Implantate, durch
ungenügende Frakturfixationen und durch belassene
Diastasen bedingt sind, konnten wir durch die Analyse
der unmittelbaren postoperativen Röntgenaufnahmen
bei insgesamt 73 Primärosteosynthesen (50 %) feststellen (Tabelle 1). Betroffen waren 41 % der Platten
(Abb. 2), 83 % der Marknägel und 78 % der Fixateurosteosynthesen (Abb. 3). Metaphysennahe Pseudarthrosen (proximale oder distale Diaphyse) entstanden
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
1101
Tabelle 1. Liste biomechanischer Probleme durch Primärosteosynthesen
Liste
Fehlende axiale Kompression nach klassischer
Plattenosteosynthese
Fehldimensionierte Implantate:
Zu kurze Platte
Unterdimensionierter Nagel (bei fehlender
Verriegelung!)
Keine Indikation für Ender-Nägel
Diastase nach Nagelung
Diastase nach Fixateurmontage
Summe
n
23
23
10
2
8
7
73
signifikant häufiger (c2-Test: p < 0,01) durch technisch
nicht optimale Primärversorgungen.
Atrophe Pseudarthrosen (n = 118)
118 areaktive Pseudarthrosen machten mit 81 % den
gröûten Teil des Behandlungskollektivs aus. Dazu gehörten auch 53 Patienten mit Defekten im Pseudarthrosenspalt. Von den 21 offenen Frakturen entwickelten
insgesamt 19 (90 %) eine Mangelpseudarthrose.
Nagelimplantate (n = 9): 9 von 24 gebohrten Nägeln
(38 %) führten zu atrophen Pseudarthrosen (Abb. 4).
Davon waren jeweils 3 Implantate mit Cerclagen kombiniert oder wiesen eine Distraktion im Frakturspalt
auf. 3mal lag eine Infektion vor.
Platten (n = 103): 103 von 112 Platten (92 %) zeigten nach
der Primärosteosynthese eine ausbleibende Knochenreaktion im Frakturspalt. Einen Infekt mit atropher Heilungsstörung dokumentierten wir bei 26 Plattenosteosynthesen. Nur eine A-Fraktur war nach Plattenosteosynthese infiziert. Fünfmal lag eine Typ B- und 20mal
eine Typ C-Fraktur vor. 77 Mangelpseudarthrosen verliefen aseptisch, wobei B- und C-Bruchformen auf insgesamt 61 Patienten entfielen. Bei jeweils 3 Patienten wurde während der Primärosteosynthese eine Diastase von
mehr als 2 mm im Frakturspalt akzeptiert oder Cerclagen
zur Fragmentreposition eingebracht. Einmal wurde die
Fraktur mit 2 nahe beieinander liegenden Platten erstversorgt. Während nur 5 infizierte atrophe Pseudarthrosen mit biomechanischen Mängeln vorlagen, standen
dem 36 aseptische Verläufe mit verbesserungsfähigen
Plattenosteosynthesen gegenüber. Die verbleibenden 41
nicht infizierten atrophen Pseudarthrosen wiesen trotz
ausreichender Plattendimensionierung und Zugschraubenanlage zumeist nach mehrmonatiger Behandlung
röntgendichte Corticalisbezirke auf, welche im Frakturbereich die gestörte biologische Situation anzeigten.
Fixateure (n = 6):Von den 6 atrophen Pseudarthrosen
nach Fixateuranlage hätte bei allen Verletzungen eine
Frakturdiastase von über 3 mm vermieden werden können. Nach einem Schuûbruch entstand eine Defektpseudarthrose, und 2mal kam es zu einem komplizierenden Pin- und Weichteilinfekt.
Tabelle 2. Therapiekonzepte bei der ersten Revision
Konzept der
1. Revision
Primäroperation
Platte
Nagel
(n = 112) (n = 24)
Fixateur Summe
(n = 9)
(n = 145) [%]
Revitalisation mit
Spongiosa
50
5
2
57 (39,3)
Revision ohne
Spongiosa
12
6
±
18 (12,4)
Nagel dynamisiert
1
1 (0,7)
Konservativ
Verfahrenswechsel
mit Spongiosa
Verfahrenswechsel
ohne Spongiosa
1
1 (0,7)
20
7
6
33 (22,8)
30
4
1
35 (24,1)
Hypertrophe Pseudarthrosen (n = 27)
Von 27 hypertrophen Pseudarthrosen (7mal Typ A-,
9mal Typ B- und 11mal Typ C-Bruch) mit vermehrter
Callusbildung an den ehemaligen Frakturenden entfielen 9 (33 %) auf Plattenosteosynthesen, 15 (56 %) auf
Marknägel und 3 (11 %) auf Fixateure. Jeweils ein Plattenimplantat und ein Marknagel waren nach der Primärosteosynthese infiziert. Darüber hinaus waren 23
Primärosteosynthesen biomechanisch eindeutig zu verbessern. Bei den Plattenosteosynthesen waren die Implantate 7mal zu kurz und bei den gebohrten Marknägeln 8mal zu dünn dimensioniert. Weiterhin fehlte bei
weiteren 3 Patienten die distale Verriegelung. Eine distale Schaftfraktur sowie 2 Mehrfragmentbrüche waren
hierdurch ungenügend stabilisiert. Offene Frakturrepositionen erfolgten vor der Nagelung bei 2 Patienten.
Bei Adipositas wurden jeweils eine Platte und ein
Marknagel vorzeitig und unerlaubt voll belastet. Die
biomechanisch instabile Plazierung der Schanzschrauben zur Fraktur (zu weit von der Fraktur entfernt) war
Ursache der ungenügenden Callusdurchbauung nach
Fixateuranlage. Bei keiner hypertrophen Pseudarthrose
konnte eine Diastase von > 3 mm nach der primären
Osteosynthese nachgewiesen werden. Insgesamt korrelierten die hypertrophen Pseudarthrosen mit deutlich
weniger Infektionen.
Revisionseingriffe
1. Revision: Von 145 Femurpseudarthrosen wurden bei
144 eine operative Revision durchgeführt (Tabelle 2).
Nur einmal wurde bei einem 23 jährigen Mann nach Femurmarknagelung ein Oberschenkelgipsverband angelegt. Unter Vollbelastung heilte 13 Monate nach Trauma die Pseudarthrose aus. 18mal (12 %) erfolgten nur
eine Decortication oder ein DØbridement ohne und
57mal (39 %) mit Spongiosaanlagerung (Tabelle 2). Ein
gebohrter Nagel wurde dynamisiert. 50 % der Pseudarthrosen (Tabelle 1) führten wir auf biomechanische
Operationsmängel der Erstimplantation zurück. Von
insgesamt 68 Verfahrenswechseln (47 %, Tabelle 3) entfielen 50 auf den Austausch der primären Plattenim-
1102
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
2
3a
b
4a
b
Abb. 2. W., 38 Jahre, Segmentfraktur des Femur mit Trümmerzonen nach
Anpralltrauma. Fixation mit 2 Platten in klassischer Technik. Ausheilung
durch Reosteosynthese mit axialer Kompression, Defektbeseitigung und
Spongiosaanlage
Abb. 3 a±c. M., 23 Jahre, III-O-Femurquerbruch mit Biegungskeil a nach
Polytrauma. Fragmente in Distraktion und Rotationsfehler nach Fixateur
externe. b Ausheilung nach einer Revision (Plattenosteosynthese und Spongiosa). c 11 Monate später
Abb. 4 a, b. M., 70 Jahre. a Gebohrter Marknagel und offene Reposition des
Biegungsbruchs mit Cerclagen. b Zusätzlich Osteoporose. Ausheilung der
atrophen Pseudarthrose nach Verfahrenswechsel zur Platte mit Spongiosa
c
plantate gegen 31 Marknägel und 19 Fixateure. 11 Nägel wurden 10mal gegen eine Plattenosteosynthese und
nur einmal gegen einen Fixateur gewechselt. Sieben Fixateure wurden gegen 6 Platten und einen Marknagel
ausgetauscht. Berücksichtigt man die unterschiedliche
Incidenz der jeweiligen Implantate, so muûte bei 45 %
der Platten (50 von 112), 46 % der Nägel (11 von 24)
und 78 % der Fixateure (7 von 9) während der ersten
Revision ein Verfahrenswechsel durchgeführt werden.
Nur 78 Patienten (von 77 % bei der Primäroperation
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
1103
Tabelle 3. Verfahrenswechsel (fett) und Osteosynthesen zur 1. Revision
Primäroperation
(n = 145)
Platte (n = 112)
Nagel (n = 24)
Fixateur (n = 9)
1. Revision
Platte
(n = 78)
Nagel
(n = 43)
Fixateur
(n = 22)
Konservativ (n = 1)
62
10
6
31
12
1
19
1
2
±
1
±
+ Spongiosa (n = 90) +70
+12
+8
±
Tabelle 4. Therapiekonzepte bei der 2. Revision
Abb. 5. Verfahrenswechsel während der Revisionseingriffe
(ECSW = extracorporale Stoûwellentherapie)
Konzept der
2. Revision
1. Revision
Platte
(n = 78)
Nagel
(n = 44)
Fixateur
(n = 22)
Konservativ
DØbridement mit Spongiosa
DØbridement ohne Spongiosa
Stoûwelle
Nagel dynamisiert
44
21
5
±
±
26
8
1
±
4
9
2
2
2
±
Tabelle 5. Verfahrenswechsel (fett) und Osteosynthesen zur 2. Revision
1. Revision
Osteosynthese bei der 2. Revision
Platte
(n = 35)
Nagel
(n = 18)
Fixateur
(n = 11)
Stoûwelle
(n = 2)
Platte (34 von 78)
Nagel (18 von 44)
Fixateur (13 von 22)
26
4
6
4
13
1
4
1
4
±
±
2
+ Spongiosa (n = 41)
+29
+8
+4
±
auf 54 % abgenommen) waren nach der ersten Revision
noch mit einer Plattenosteosynthese und 43 Patienten
(von 17 % bei der ersten Operation auf 30 % angestiegen) mit Marknägeln versorgt (Abb. 5). Spongiosa
transferierten wir während des ersten Revisionseingriffs
90mal (63 %), wobei diese bei 70 Platten, 12 Nägeln und
8 Fixateuren additiv zur Anwendung kam. Infolge des
ersten Revisionseingriffs heilte die Femurpseudarthrose bei 80 Patienten (Abb. 6). Betroffen waren 44 Plattenerstrevisionen, 26 Nagelimplantate und 9 Fixateuranlagen. Damit erzielten wir eine Erfolgsquote von
56 % nach der ersten Pseudarthrosenbehandlung.
2. Revision: Ein 2. Revisionseingriff war noch bei 65 Patienten (44 %; Tabellen 4, 5) erforderlich. Während die
Behandlung von Wund- und Implantatinfekten 40 %
(26 von 65 Patienten) der Zweitrevisionen ausmachten,
lagen bei 45 Patienten (69 %) operationsbedingte Vitalitätsstörungen vor. Hieraus resultierten die häufigen
Spongiosaanlagen bei 41 von 65 Patienten (63 %) und
DØbridements bei 39 Patienten (60 %; Tabelle 4). 11
Osteosynthesen (17 %) der vorausgegangenen Revision
waren nicht optimal. Ein Verfahrenswechsel erfolgte
bei 19 Patienten (29 %). Zwei Patienten behandelten
wir nach der Erstrevision mit extracorporalen Stoûwel-
Abb. 6. Reduktion der Pseudarthrosenrate [%] durch Revisionseingriffe (n). Im Umkehrschluû läût sich hieraus der Erfolg des Behandlungsregimes ableiten
len (elektromechanisches System, 2mal 2000 Stöûe, 21
KV) erfolglos. Durch den 2. Pseudarthroseneingriff kamen 39 weitere Pseudarthrosen zur Ausheilung, so daû
die Erfolgsquote 60 % (von 65 Patienten) betrug.
3. und Mehrfachrevisionen: 26 Verletzte (18 %) benötigten mehr als 2 Revisionsoperationen (Abb. 6). Die Primärosteosynthesen dieses ¹Multirevisionsklientelsª basierten auf 21 Plattenosteosynthesen, 3 gebohrten unverriegelten Marknägeln sowie auf 2 Fixateuranlagen.
In dieser Gruppe lagen 11 Wundinfekte (5 nach offener
Verletzung) vor. Davon waren 10 (von 21) primäre
Plattenanlagen sowie ein gebohrter Marknagel betroffen. Nur ein Infektpatient dieser Gruppe kam aus der
eigenen Klinik. Fünf Primärosteosynthesen (von
26 = 19 %) waren in dieser Gruppe nicht optimal (Tabelle 1). Zwei Patienten belasteten infolge mangelnder
Compliance oder Adipositas die Implantate zu früh.
Nach dem 3. Revisionseingriff waren 15 Heilungsstörungen (Erfolgsrate 58 %), nach dem 4. Reeingriff
noch 3 von 11 (Erfolgsrate 27 %), nach der 5. Folgeoperation 4 von 8 (Erfolgsrate 50 %) verheilt. Letztlich benötigten 4 Patienten aufgrund einer Infektsituation
mehr als 5 Revisionseingriffe (Abb. 6) mit einer belastungsstabilen knöchernen Überbrückung.
Die Anzahl der notwendigen Revisionen zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit dem primär gewählten Operationsverfahren (ANOVA: p < 0,05). In
1104
unserem Patientenklientel erfolgten nach primären
Plattenanlagen durchschnittlich 1,9, nach Nagelimplantationen 1,4 und Fixateurmontagen 2,7 Revisionen.
Ebenfalls lag ein signifikanter Zusammenhang zwischen
den Pseudarthrosenformen und der Operationsanzahl
bis zur endgültigen Ausheilung vor (einfaktorielle
ANOVA, p = 0,025). Hypertrophe Pseudarthrosen
(n = 27) durchbauten nach durchschnittlich 1,3 Revisionen und atrophe Formen (n = 118) nach 2 wiederholten
Eingriffen (Primäroperation plus Anzahl der Revisionen).
Beinfunktion
Die durchschnittliche Beinverkürzung betrug zum Behandlungsabschluû 1,7 cm, wobei 5 Patienten mehr als
3 cm auf der betroffenen Seite fehlten. 16mal nach primärer Platte (14 %) und 4mal nach Marknagelung
(17 %). Einmal stellten wir abschlieûend eine vermehrte Auûenrotation von 20 Grad fest, und bei einem Patienten war die Innenrotation um 30 Grad vermehrt (jeweils nach Verfahrenswechsel von primärer Platte zum
Marknagel). Bei 2 Betroffenen lag abschlieûend eine
Einschränkung der Hüftbeugung von 40 und 60 Grad
vor. Fünf Verletzte (3,4 %) hatten abschlieûend eine
Minderung der Knieflexion von 30 bis 50 Grad sowie
4 Patienten (2,8 %) zwischen 60 und 90 Grad.
Diskussion
Femurschaftbrüche machen etwa 2 % aller Frakturen
des Bewegungsapparats aus. Sie entstehen zumeist
durch hohe Krafteinwirkungen in der typischen Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren und sind in der Mehrzahl Mehrfragment- oder Trümmerbrüche [10]. Regional typische Stabilisationstechniken waren bis zum Beginn der 90 er Jahre klassische Plattenosteosynthesen
(Abb. 2), die häufig eine sekundäre Spongiosaplastik erforderlich machten [17]. Intramedulläre Kraftträger
und Fixateur-externe-Anlagen gingen der Pseudarthrosenentwicklung im eigenen Kollektiv nur in 23 % voraus.
Die Incidenz an Knochenheilungsstörungen in der
Femurdiaphyse rangiert auf Platz 2 hinter dem Unterschenkel [11]. Während Weichteilschäden nach Tibiafrakturen Probleme für die operative Therapie bereiten,
bietet die Femurdiaphyse nahezu ideale Bedingungen
zur Implantatfixation. Zum Standard gehört seit den
60 er Jahren die rigide Plattenosteosynthese, mit der
viele Operateure durch die weite Indikationsstellung
vertraut sind. Plattenimplantate bieten Vorteile in der
Lagerhaltung, in dem einfachen Instrumentarium und
im perioperativen ¹Ambienteª (Patientenlagerung
etc). Trotz des einfachen Operationsprinzips mit offener
Fraktur- und Fragmentreposition, Zugschraubenfixation sowie axialer Kompression [12] durch Vorspannung
bei simplen Bruchformen vom A-Typ liegt die Pseudarthrosenrate in der Literatur bei ca. 8 % [9], die Metallbruchincidenz bei ca. 9 % [21], Infektionen entstehen
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
etwa in 3±6 % [1, 2, 21]. Fehler in der Osteosynthesetechnik werden von Muhr und Wrezlewicz [14] und
Weise und Winter [27] in 50±85 % als ¹iatrogeneª Promotoren der Heilungsstörung gesehen. Am vorgestellten Untersuchungsklientel zeigten sich auf den unmittelbaren postoperativen Röntgenfilmen in 50 % beanstandbare Fixationen. Diese lagen signifikant häufiger
bei metaphysennahen Schaftfrakturen vor.
Der Zusammenhang zwischen Osteosyntheseverfahren, Pseudarthrosentyp und Infektionsrate wurde in
der Literatur bisher nur selten berücksichtigt. So behandelten wir in dem 13 jährigen Beobachtungszeitraum in
83 % Patienten mit atrophen Pseudarthrosen. Die stationären Behandlungstage sowie die Behandlungsdauer
waren statistisch von dem primären Osteosyntheseverfahren und der Pseudarthrosenform unabhängig. Ein
durchschnittlicher Behandlungszeitraum von 2 Jahren
in unserem Patientenkollektiv mit entsprechend langen
Arbeitsunfähigkeitszeiten erscheint unter den heutigen
sozioökonomischen Bedingungen nicht mehr akzeptabel [5].
Im Vordergrund der Pseudarthrosenentwicklungen
steht das Ungleichgewicht zwischen Frakturbiologie
und Frakturstabilität nach der Primärosteosynthese
(¹iatrogeneª Faktoren). Biege- und Rotationskräfte
werden am Femur z. B. durch die klassische offene Plattenanlage mit Besetzung aller Schraubenlöcher sowie
dem Einpassen einzelner Fragmente nur unvollständig
neutralisiert. Demzufolge können schon geringe biomechanische Mängel (Tabelle 1) in Kombination mit einer
devascularisierenden Operationstechnik die Knochenheilung nachteilig stören (Abb. 4).
Atrophe Pseudarthrosen beobachteten wir im Untersuchungskollektiv signifikant häufiger nach klassischen
Plattenosteosynthesen. Aus der gestörten Knochenbiologie erklärt sich in dieser Situation der geringe Anteil
an Verfahrenswechseln nach primären Plattenosteosynthesen von 45 % (50 von 112) sowie die vordergründige
Revitalisation durch Decortication und Spongiosaanlage (¹onlay graftª) während der Erstrevisionen in unserer Klinik. Indirekte Repositions- und Osteosynthesetechniken [18] sollen deshalb die periostale Durchblutung der Fraktur schonen.
Gellman et al. [7] fanden bei supracondylären Frakturen nach gedeckter Reposition und Plattenosteosynthese keine Infektionen vor (¹no touch, no infectionª).
Langstreckige diaphysäre Trümmer- und Mehrfragmentbrüche profitieren von einer gedeckten Reposition
und ¹überbrückendenª Osteosynthesetechnik oder einer ungebohrten Nagelimplantation. Hier sind Zweiteingriffe zur Stimulierung der Frakturheilung (z. B. sekundäre Spongiosaanlagerung) nur noch in Ausnahmesituationen, wie nach offenen Frakturen, erforderlich
[13].
Den Begleitverletzungen kam im vorliegenden Patientenkollektiv keine Schrittmacherfunktion zu. Sieben
von 21 offenen Frakturen entwickelten nach der Primärstabilisation einen komplizierenden Wundinfekt
(33,3 %), wobei eine chronische Osteitis nur bei einem
Patienten verblieb. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Häufigkeiten aller primären Osteosynthe-
J. Richter et al.: Diaphysäre Femurpseudarthrosen
setechniken im Untersuchungskollektiv lag die Infektrate zwischen 20,8 % (für Fixateure) und 23,2 % (für
klassische Plattenosteosynthesen) deutlich höher als in
der Literatur [20]. Dies könnte daran liegen, daû bei allen Revisionseingriffen in unserer Klinik konsequent
bakteriologische Abstriche vom Plattenlager durchgeführt wurden und durch die überwiegenden Fremdzuweisungen (95 %) Komplikationen in dem vorgestellten
Kollektiv überregional kumulierten.
Bei aseptischen querverlaufenden Pseudarthrosen
nach Marknagelung wechselten wir das Implantat, revitalisierten die nicht geheilte Fraktur durch Decortication sowie Spongiosaanlagerung (nur bei atrophen Formen) und ergänzten die Fixation mit einer kurzen dorsolateralen ¹Antirotationsplatteª [23]. Auch infizierte
Heilungsstörungen nach primärer Nagelung lieûen sich
durch Markraumbohrung mit distalem ¹Spüllochª, gepulster Jet-Lavage und Reosteosynthese mit einem ca.
2 mm dickeren Implantat (zumeist aus Titan) oder Plattenanlage (mit Spongiosa) in einem hohem Prozentsatz
(90,5 %) erfolgreich abschlieûen [16]. Die mittlere Reosteosyntheserate (n) war in der Marknagelgruppe mit
1,4 signifikant niedriger zu den Revisionen nach primärer Fixateuranlage (2,7; ANOVA, p < 0,05).
Zur Bedeutung der extracorporalen Stoûwellentherapie kann aufgrund der Einzelfallbehandlungen in unserer Klinik keine allgemeingültige Aussage gemacht
werden. Wir setzen dieses Verfahren nicht routinemäûig
ein. Ultraschallapplikationen sind zur Behandlung von
Frakturen aufgrund positiver Wirkungen auf die Osteocytenaktivitäten von der amerikanischen Gesundheitsbehörde zugelassen [6], dahingegen haben verschiedene
Stromanwendungen (Gleichstrom, Wechselstrom, elektromagnetische Felder) in der Behandlung von Pseudarthrosen noch keinen festen Platz [4]. Ob die Applikation von wachstumsstimulierenden Proteinen [3] bei humanen diaphysären Pseudarthrosen oder sogar hyperbarer Sauerstoff [24] zum Erfolg führen, wird zur Zeit
noch erforscht.
Schluûfolgerungen
Eine abwartende Haltung führt bei Knochenheilungsstörungen, die anhand des postoperativen Röntgenbilds
schon frühzeitig antizipiert werden können, nicht zum
Erfolg. Biomechanisch ungenügende Osteosynthesen
und verzögerte Knochenbruchheilungen sollten deshalb
unverzüglich zur Revision führen, um den Behandlungsabschluû nicht unnötig hinauszuzögern. Die Ursachen liegen sehr selten in einer mangelnden Compliance (z. B. unerlaubte Belastung) oder in Begleitverletzungen.
Die primäre operative Behandlung ist durch eine devascularisierende Osteosynthesetechnik (bei der klassischen Plattenosteosynthese) oder infolge einer instabilen Fixation durch zu groûe Frakturbewegungen
Schrittmacher der Knochenheilungsstörung. Revisionen erfordern deshalb individuelle Behandlungskonzepte. Der Revisionseingriff soll Stabilität und Knochenüberbrückung gewährleisten (Abb. 7). Metaphy-
1105
Abb. 7. Algorithmus der Pseudarthrosentherapie
sennahe Femurschaftpseudarthrosen entwickelten sich
häufig durch nichtoptimale Osteosynthesetechniken.
Bei diaphysären Pseudarthrosen standen atrophe
Heilungsstörungen mit 81 % im Vordergrund. ¹Klassischeª Plattenosteosynthesen neigen zu atrophen
(92 %) und gebohrte Nagelosteosynthesen zu hypertrophen Pseudarthrosen (63 %). Nur 45 % der primären
Platten-, 46 % der Marknagelosteosynthesen und 89 %
der Fixateure ersetzten wir während des ersten Revisionseingriffs gegen ein anderes Behandlungsverfahren.
Der Wechsel vom Plattenimplantat zum Nagel erfolgte
während der ersten Revision in 28 % und umgekehrt
in 42 %. Nach fehlgeschlagener Primärosteosynthese
kommen aufgrund der veränderten Gewebebiologie
überbrückende Plattenosteosynthesen, wie sie heute
zur Stabilisation der akuten Fraktur eingesetzt werden,
nicht zum Einsatz. Hier stehen biomechanische Aspekte zur Verminderung der Pseudarthroseninstabilität
oder avitale Knochenreaktionen im Vordergrund.
Während bei frischen Brüchen nach minimal-invasiven Implantaten die kontrollierte Frakturinstabilität
durch Callusbildung zunehmend kompensiert wird, erfordert dagegen die Pseudarthrosentherapie eine weitgehende Neutralisation der biomechanischen Kräfte.
Instabile Osteosynthesen müssen deshalb gegen stabilere ausgetauscht werden. Je ausgeprägter die Osteoporose, desto längere Revisionsimplantate sind erforderlich.
Ungebohrte Marknägel werden durch kräftigere, gebohrte ausgewechselt. Belassene Diastasen von mehr
als 3 mm kommen trotz Implantatverbesserungen nicht
zur Ausheilung. Atrophe Pseudarthrosen benötigen
Stabilität und eine überbrückende Spongiosaplastik
(zumeist medial und ventral). Infekte und Instabilitäten
müssen während der Revisionen gleichzeitig behoben
werden.
Das Ziel dieser Arbeit war es, Probleme der bisherigen operativen Behandlung von diaphysären Oberschenkelbrüchen aufzuzeigen. Dazu zählt die ¹klassische Plattenosteosyntheseª, welche aus heutiger Sicht
nicht mehr als Primärversorgung durchgeführt werden
sollte. Anzustreben sind überbrückende Osteosynthesen mit dem Leitziel ¹no touch ± no infectionª unter
Vermeidung von Diastasen, die bei kurzen Bruchlinien
besonders häufig zu Heilungsstörungen neigen. Eine
1106
angemessene Implantatdimensionierung ist für alle
Osteosynthesen relevant, da sonst die biomechanischen
Hebelgesetze am Oberschenkel nicht hinreichend kompensiert werden. Implantatentwicklungen und Osteosynthesetechniken berücksichtigen heute zunehmend
die biologische Frakturheilung (Durchblutung der
Bruchzone) und den biomechanischen Komfort (Fragmentkontakt, Stabilität, frühe funktionelle Beanspruchung), so daû für die Zukunft weniger Pseudarthrosen
zu erwarten sind. Frakturheilungsstörungen hatten bisher unabhängig von der Primärosteosynthese oder der
Pseudarthrosenform eine zu lange durchschnittliche Behandlungszeit von 2 Jahren. Prävention durch weichteilschonende Operationsverfahren und frühzeitige, vorausschauende sowie kompromiûlose Therapiemaûnahmen sind deshalb unverzichtbar.
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Dr. J. Richter
Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik
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